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Ein Gang durch eine Flugzeugfabrik.

Es gibt wohl niemanden unter unsern Lesern, der nicht schon ein Flugzeug gesehen hat. Aber nur wenigen wird es vergönnt gewesen sein, in die Geheimnisse seines Entstehungsortes einzudringen; denn mehr als in anderen Industriezweigen wird im Flugzeugbau Geheimhaltung geübt. Das ist ganz erklärlich. Noch gibt es viele unerforschte Gebiete im Flugwesen. Vieles ist noch unklar, manches fast rätselhaft. Emsiges Versuchen, glückliche Zufälle bringen es dahin, dass sich einzelne Firmen besonders hervortun. Ihren Vorteil geheim zu halten, um ihn möglichst lange ausnützen zu können, ist nun ihr selbstverständliches Bestreben.

Wenn wir eine Flugzeugfabrik betreten dürfen, so können wir sicher sein, nur allgemein gültige und bekannte Arbeitsverfahren und Bauarten kennen zu lernen. Unsere Abbildungen führen uns in eine solche Fabrik, deren Einrichtung in den folgenden Zeilen geschildert wird.

Draußen vor der Stadt in der Nähe des Flugfeldes erhebt sich der moderne Bau. Unser Führer zeigt uns zunächst den Holzplatz mit den Lagerstätten und Trockenschuppen für die verschiedenen Holzarten. Lange Eschenbretter und -balken, astfreie, ausgesucht schöne Fichtenpfosten, Kiefer-, Linden- und Nussholz bilden den Bestand.

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Eines muss hier besonders bemerkt werden. Wohl in keinem Industriezweig wird die Qualität des Baustoffes so gewissenhaft geprüft wie im Flugzeugbau. Sie ist auch nirgends von so großer Wichtigkeit. Flugzeuge sollen leicht sein, da heißt es also alle Stäbchen möglichst dünn und schwach halten. Und doch müssen sie fest sein. Nur allerbestes Material kann diesen Ansprüchen genügen. Und um die Konstrukteure sicherzustellen, werden immer wieder Materialstichproben auf den Zerreißmaschinen gemacht.

In eigenen Räumen sind die Sperrholzplatten untergebracht. Unter Sperrholz versteht man kreuzweise verleimtes Holz in Plattenform, dem durch diese Bauart die Neigung genommen wird, nach der Faserrichtung aufzuspringen. Das Holz wird auf diese Weise also gewissermaßen homogen gemacht. In allen möglichen Dicken, bis zu einem Millimeter herab, wird es im Flugzeugbau verwendet.

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Nächst dem Holze bildet der Stahl in allen möglichen Querschnitten das wichtigste Baumaterial. Im Hauptmagazin nimmt er den größten Teil des vorhandenen Raumes ein. Volle Stahlstangen in allen Abmessungen und noch mehr Stahlrohre in allen Größen und Wandstärken, runde und ovale, sind hier schön geschichtet und verstaut. Des weiteren sehen wir unzählige Fächer mit Schrauben aller Art. Trommeln mit Drahtseilen für die Verspannung der Tragflächen, Spannschlösser, Drähte; ferner die Blechtafeln für die Benzinbehälter, Aluminiumbleche für die Motorverschalungen, Messing- und Kupferrohre für die Leitungen, elektrische Kabel und dergleichen; endlich die Ausrüstungsteile: Manometer, Benzinhähne, Luftpumpen, Drehzähler, Höhenmesser, Kühler für die Motoren und anderes.

An das Magazin schließt sich die Schlosserei. Drehbänke, Stanz-Maschinen, Hobel- und Fräsmaschinen stehen hier in Reih' und Glied. Nur der Schmiedehammer steht abseits. Ihm obliegt es, jene Schmiedestücke zu formen, die wegen ihrer hohen Beanspruchung „aus dem Vollen“ gearbeitet werden.

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Die meisten Metallbeschläge werden jedoch aus Blechen hergestellt. Oft kunstvoll zusammengesetzte Teile, mit allen erdenklichen Winkeln und Bogen werden durch autogenes Schweißen miteinander verbunden.

Auch die Steuerflächen werden auf diese Art durch Zusammenschweißen von Stahlrohren zu Rahmen hergestellt.

Neben der Schlosserei ist die Klempnerei die wichtigste Metallbearbeitungstätte. Die Benzinbehälter, Blechgehäuse und dergleichen werden hier zusammengesetzt.

Alle leichtrostenden Metallerzeugnisse werden sofort nach ihrer Herstellung gereinigt und hierauf mit Rostschutzlack überzogen oder mit einem Nickel- oder Zinküberzug versehen.

Nun gehen wir in die Tischlereien. Schon von weitem machen sich die große Hobelmaschine und die Kreissäge geräuschvoll bemerkbar. Diese stehen neben der Bandsäge, der Fräsmaschine und der Dekupiersäge in einer Reihe.

Die Anordnung aller dieser mit Staubsaugevorrichtungen laufenden Maschinen ist derart, dass von. der einen Seite das rohe Holz aus den Magazinen herbeigeschafft und dann gleich nach der Bearbeitung auf der anderen Seite in Empfang genommen und in die Rumpfbau- oder Flächenbauabteilung gebracht wird.

Die Flügelholme in unserer ersten Abbildung werden zur Erleichterung U-förmig hohlgefräst. Jeder Holm besteht aus zwei Hälften von U-förmigem Querschnitt, die nebeneinander laufen. Die Höhlungen kommen beim Verleimen nach innen. Man spricht dann von einem Kastenholm. Es gibt auch Holme von I-Querschnitt.

Die Bandsäge liefert aus Lindenholz geschnittene Blöcke, deren Umriss der Rippenform entspricht. In diese Blöcke schneidet die Dekupiersäge jene großen Erleichterungslöcher, die wir auf unseren ersten drei Abbildungen deutlich sehen. So ein fertiger Holzblock wird hierauf auf der Kreissäge in dünne Blätter zerlegt, lauter Stege für die Tragflächenrippen. Werden nun oben und unten auf jene Stege die Deckleisten genagelt, so sind die Rippen fertig; sie besitzen I-Querschnitt.

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In dem in unserer ersten Abbildung dargestellten Flügelbauraum werden die Holme sowie Rippen hergestellt und auf besonderen Böcken zu Tragflächen zusammengesetzt. Gleichzeitig werden die verschiedenen Eisenbeschläge eingebaut, die in der zweiten Abbildung deutlich sichtbaren Spanndrähte im Innern gezogen und das Flügelgerüst fertiggestellt. Es wandert sofort durch die Tür in die anschließende Tapeziererei. Hier wird der Flügel, wie die zweite Abbildung zeigt, oben und unten mit dichtem, leichtem Stoff bezogen und dann in der Lackiererei mit wasserdichtem Lack bestrichen. Mit der Anbringung der Kennzeichen ist die letzte Arbeit am Flügel getan.

Betreten wir nun den Rumpfbauraum, so sehen wir eine ganze Reihe von Schablonen ausgestellt und auf diesen die Rumpfgerüste auf Stapel. Zuerst bloß Holme und Querhölzer. Zum Schluss den fertig mit Draht verspannten Rumpf. Dieser wird später in der Tapeziererei verkleidet.

Wir sehen zugleich Rümpfe eines anderen Flugzeugtyps. Bei diesen fehlen die Drahtverspannungen und Stoffverkleidungen, und an deren Stelle tritt ein nur wenige Millimeter starkes Sperrholz als Beplankung. Diese Holzrümpfe werden jetzt fast allgemein gebaut.

Über die Lackiererei gelangt der Rumpf nun in die große Montagehalle, die uns die dritte und vierte Abbildung zeigen.

Von jetzt an geht's, rasch vorwärts. Aus der Schlosserei werden die Beschläge, das Fahrgestell, der Verspannungsturm herbeigeschafft und eingebaut, aus der Tapeziererei sowie Lackiererei kommen die Flügel und Steuerflächen heran; ein fahrbarer Kran hebt den Motor in den Rumpfvorderteil, der Kühler, die Behälter, Rohrleitungen, die Sitze, Steuerung und Ausrüstungsteile werden angebracht, die Flügel genau eingestellt, und das Flugzeug ist fertig.

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Ganz unabhängig von den übrigen Abteilungen arbeitet die in unserer letzten Abbildung dargestellte Propellertischlerei. Hier werden die Propeller, die im allgemeinen von eigenen Firmen erzeugt werden, geschnitzt.

Nussbretter oder auch solche von Esche werden auf genau vorher bestimmte Dicke zugeschnitten, staffelförmig, dem Krümmungsverlauf des Propellers entsprechend übereinander geleimt und dann mit der Hand zu geschnitzt. Schablonen dienen zur Kontrolle, ob der Krümmungsverlauf richtig ist. Die Propeller werden geglättet, poliert, ausgewuchtet und endlich mit einer Bohrung zur Aufnahme der stählernen Achse versehen.

Quelle: Ein Gang durch eine Flugzeugfabrik, in: Das Neue Universum, Die interessantesten Erfindungen auf allen Gebieten, sowie Reiseschilderungen, Erzählungen, Jagden und Abenteuer, 40. Jahrgang, 1919, S. 115 - 120.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Leider gibt's das im Forum nicht, aber dieser Beitrag würde glatt zehn Sterne verdienen!
 
Das gibt's im Forum schon, allerdings nur bis 5 Sterne... :floet:

Da am Thema Interesse besteht, ergänze ich noch einen weiteren ebenfalls sehr interessanten Beitrag zum Thema Fortschritte im Luftverkehr.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
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Fortschritte und Pläne im Luftverkehr.
Hierzu ein ganzseitiges Tondruckbild.

Die Flugzeugtechnik hat während der letzten Jahre überraschende Fortschritte gemacht. Erinnern wir uns, dass im Jahre 1908 überhaupt der erste zuverlässig beglaubigte Flug gelang. Es handelte sich damals darum, vom Ausgangspunkt fünfhundert Meter vorwärts zu fliegen, zwischen zwei Masten hindurchzusteuern, danach zu wenden und wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Alles in allem also ein Flug von rund einem Kilometer Länge, der nur in solcher Höhe ausgeführt zu werden brauchte, dass die Räder des Flugzeuges den Boden nicht mehr berührten. Dafür war ein stattlicher Preis ausgesetzt.

Als der Krieg ausbrach, war das Flugzeug schon ein gutes Teil weiter gediehen. Flugzeuge mit zwei Mann Besatzung hatten Überlandflüge von mehreren hundert Kilometern Länge ohne Zwischenlandung ausgeführt und Höhen von fünftausend Metern erklommen. Schon damals aber arbeiteten einige Erfinder, von denen besonders der Russe Sikorski genannt werden mag, am Bau von sogenannten Riesenflugzeugen. Man wollte ein Flugzeug erstellen, mit dem man lange Zeit, Tag und Nacht in der Luft bleiben und vielleicht sogar die Strecke Europa-Amerika überfliegen konnte.

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Blick von der linken Motorgondel eines Riesenflugzeuges auf die Passagiergondel.
Photo Willi Ruge, Berlin.

Dann kam der Krieg und brachte uns Luftkämpfe von gewaltiger Größe, brachte uns Flieger wie Immelmann, Bölcke, Richthofen und andere und brachte uns neue Bauarten von immer gesteigerter Leistungsfähigkeit. Heute brauchen diese Dinge nicht mehr geheim gehalten zu werden, und so zeigt denn unser ganzseitiges Tondruckbild einen Blick zwischen die Tragflächen eines solchen modernen Riesenflugzeuges. Wenn wir uns an die schwanken Bambusgestelle erinnern, mit denen die Wright, Delagrange und andere ihre ersten Flüge unternahmen, dann wirkt dieses Riesenflugzeug geradezu überwältigend. Das ist kein Spielzeug mehr, das der Mensch durch eine unvorsichtige Bewegung zum Kippen und Kentern bringen kann, sondern eine gewaltige Maschine, vergleichbar etwa einem großen Eisenschiff. Auch unsere zweite und dritte Abbildung, die einen Blick auf das Hinterende und eine der Motorgondeln des Flugzeuges bieten, lassen erkennen, wie hier die Größenverhältnisse gestiegen sind. Die Steuerflächen des Schwanzstückes hätten für sich bereits ein volles Flugzeug aus der Zeit vor 1914. ergeben. Das Riesenflugzeug hat drei Gondeln mit drei Motoren. Unser Tondruckbild zeigt die Mittelgondel und die rechte Motorgondel. Die vierte Abbildung gibt einen Blick von der rechten Motorgondel auf die Mittelgondel. Die nächste Abbildung endlich zeigt alle drei Gondeln innerhalb der mächtigen Tragflächen, während die sechste Abbildung einen Blick in den Raum des Rumpfes bietet und die großen Benzintanke erkennen lässt. Erst diese sechs Abbildungen zusammen geben eine ungefähre Vorstellung von den Größenverhältnissen. Erwähnen wir noch, dass dieses Riesenflugzeug drei getrennte Motoranlagen mit ungefähr tausend Pferdestärken besitzt, dass auch eine einzige Motoranlage das Flugzeug noch schwebend erhalten kann, und dass es eine Nutzlast von vier Tonnen mitzunehmen vermag, so hat man ein ungefähres Bild des hier erreichten Fortschrittes. Unsere siebente Abbildung zeigt den Kopf eines Riesenflugzeuges während des Fluges und lässt wohl erkennen, dass die Besatzung hier gegen Wind und Wetter völlig geschützt wie in einem Eisenbahnwagen sitzt. Auch die Abbildung auf Seite 68, die eine andere Bauart dieser Luftriesen veranschaulicht, gibt eine gute Vorstellung von den ungeheuren Ausmessungen der Flugzeuge der Zukunft.

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Linke Motorgondel eines Riesenflugzeuges.​

Die bisherigen Abbildungen veranschaulichen deutsche Riesenflugzeuge, die gerade beim Abschlusse des Waffenstillstandes betriebsfertig waren. Dass auch unsere Gegner nicht müßig gingen, zeigen die Abbildungen auf den Seiten 69 und 70, von denen die beiden ersten einen Albessard-Aeroplan, die dritte ein englisches Riesenflugboot veranschaulichen. Die beiden Abbildungen auf Seite 71 bieten einen Vergleich, in welcher Weise die Rümpfe der Flugzeuge im Kriege und im Frieden ausgestattet werden.

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Blick vom Rumpf eines Riesenflugzeuges auf die rechte Motorengondel während des Fluges.
Phot. Willi Ruge, Berlin.

Während des Krieges dienten alle diese Konstruktionen der Zerstörung, dafür treten jetzt die Aufgaben des Friedens wieder in ihr Recht. Das Flugzeug befindet sich heute ungefähr in einer ähnlichen Entwicklungsstufe wie das Automobil im Jahre 1902. Es ist technisch noch ebenso wenig abgeschlossen, wie es das Automobil damals war, aber es bemüht sich bereits um wirtschaftliche Verwendungen. Um das zu verstehen, müssen wir uns einmal in das Jahr 1902 zurückversetzen. Damals galt das Automobil als ausgesprochener Luxusgegenstand, der mit dem Pferdefuhrwerk oder der Eisenbahn niemals auch nur annähernd in wirtschaftlichen Wettbewerb treten könne. Wie sich die Dinge seither gewandelt haben, das haben wir erlebt und beinahe schon wieder vergessen. So sehr, dass uns das Automobil als Verkehrmittel heute als etwas ganz Selbstverständliches anspricht. Nun will das Flugzeug das gleiche Ziel erreichen. Heute kommt uns das noch wunderlich vor. Aber in Wirklichkeit liegen die Dinge für das Flugzeug gar nicht so ungünstig. Im Gegensatz zum Automobil hat es keinerlei Pneumatikverschleiß. An und für sich muss also die Fahrt im Flugzeug auf das Kilometer berechnet billiger werden, als im Automobil. Voraussetzung ist freilich, dass das Verhältnis zwischen toter Last und Nutzlast ein ähnliches wird wie beim Auto, das heißt, dass der Luftomnibus wenigstens zwanzig Personen mitnehmen kann. Ferner muss natürlich die Flugsicherheit größer werden, denn die ganze Wirtschaftlichkeit hört auf, wenn ein Flugzeug im Werte von zweihunderttausend Mark bei einer solchen Fahrt zerstört wird. Diese beiden Ziele werden sich aber bald erreichen lassen. Schon jetzt vermögen die Riesenflugzeuge zwanzig Fluggäste mitzunehmen, und die Brüche und Stürze sind stark vermindert worden.

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Blick von der rechten Motorgondel eines Riesenflugzeuges auf die andere Motorgondel. Vorn der Mittelrumpf.​

Ein Übelstand haftet freilich dem Flugzeuge an und wird ihm in absehbarer Zeit auch nicht zu nehmen sein. Es braucht einen besonderen Abflug- und Landungsplatz. Wenn man also beispielsweise einen Luftverkehr Berlin-Weimar einrichtet, so reicht dieser Verkehr vom Flugplatz Johannistal bis zum Flugplatz bei Weimar. Den Anschlussverkehr von den Flugplätzen zu den Städten selbst muss das Auto übernehmen. Dadurch ist aber der Ausdehnung des Flugverkehrs eine gewisse Grenze gesetzt. Er kommt nur für größere Strecken in Betracht, bei denen der Zeitgewinn gegenüber dem Eisenbahnverkehr ein derartiger ist, dass die Fahrten von und zu den Flugplätzen dadurch reichlich aufgewogen werden. Rechnen wir die Entfernung von Berlin nach Weimar zu rund zweihundertsechzig Kilometern, so kann das Flugzeug sie in zwei Stunden bewältigen, während die Eisenbahn wenigstens vier Stunden braucht. Rechnen wir weiter je eine halbe Stunde Zu-und Abfahrt zu den Flugplätzen im Auto, so bleibt immer noch eine volle Stunde Gewinn für den Flugzeugverkehr gegenüber der Eisenbahnfahrt. Auf diese Entfernungen lohnt sich also der Luftverkehr. Für die kurze Strecke Berlin-Potsdam würde man natürlich mit der Eisenbahn vorteilhafter fahren. Für einen längeren Verkehr nun Berlin nach Stuttgart oder München würden die Vorzüge des Flugzeuges noch mehr zutage treten, und zwar besonders für einen Durchgangsverkehr. Denn die Zwischenlandungen würden die Reisezeit naturgemäß erheblich verlängern. Bei einer Fluggeschwindigkeit von hundertfünfzig Kilometern in der Stunde macht es sehr viel aus, ob der Flugzeugführer von Berlin nach München durchfliegen kann, oder ob er etwa dreimal zwischenlanden muss.

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Deutsches Riesenflugzeug.​

Auch hier sind noch technische Entwicklungen möglich, die heute vielleicht phantastisch klingen, aber doch Wirklichkeit werden können. Man könnte allen Ernstes an das Absetzen der Fahrgäste über den Flugplätzen durch Fallschirme denken. Natürlich nicht durch solche schwankenden halsbrecherischen Schirme, wie wir sie jetzt nur kennen, sondern durch größere und zuverlässige Konstruktionen. Die Frage des Aussteigens ließe sich auf diese Weise lösen. Dagegen ist diejenige des Zubringens neuer Passagiere wesentlich schwieriger. Man könnte wohl aber an einen künftigen Verkehr denken, bei dem ein kleineres Flugzeug die Passagiere der einzelnen Flugplätze in die Höhe bringt, dann selbst in ein Abteil des Riesenflugzeuges hineinfliegt, wie etwa ein Küchlein unter die Flügel der Mutter kriecht, dort seine Last absetzt und wieder zum Flugplatze zurückkehrt. Das alles sind Zukunftsaussichten, heute noch etwas kühn, aber keineswegs unmöglich oder auch nur unwahrscheinlich.

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Benzinbehälter-Anlage im Rumpf eines deutschen Riesenflugzeuges.​

Eine Frage für sich bildet der Amerikaflug. Die wirtschaftlichen Vorbedingungen sind hier die besten, denn das Wasserschiff ist mit fünfundvierzig Stundenkilometern tatsächlich an der Grenze seiner Wirtschaftlichkeit angekommen.

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Kopf eines Riesenflugzeuges während des Fluges.
Phot. Willi Ruge, Berlin.

Den ersten Flug über den Ozean vollführte der amerikanische Pilot Leutnant A. C. Read mit seinem Flugboot N. C. 4 in drei Etappen. Am 17. Mai 1918 um elf Uhr sechs Minuten nachts stieg er in St. Johns auf Neufundland auf und flog in fünfzehn Stunden neunzehn Minuten die rund eintausendneunhundertdreissig Kilometer lange Strecke bis zur Insel Horta in den Azoren. Von hier aus flog er bis auf die etwa dreihundert Kilometer weit entfernte Insel Ponta Delagada, wo ihn widrige Umstände zwangen, seinen Flug zu unterbrechen. Am 27. Mai um neun Uhr zwanzig Minuten morgens setzte er den Flug fort und landete nach zehn Stunden zweiundvierzig Minuten glücklich in den, etwa eintausendfünfhundert Kilometer entfernten Lissabon.

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Ein Luftriese in der Halle des Döberitzer Flugplatzes.
Phot. Willi Ruge, Berlin.

Von dem ersten gelungenen Flug aber bis zum wirtschaftlichen Verkehr ist noch ein langer Weg. Die Lösung dürfte sich hier wahrscheinlich auf folgende Weise vollziehen. Bekanntlich wird die Luft immer dünner, je höher man steigt. In fünfzehntausend Meter ließe sich der rund siebentausend Kilometer lange Amerikaflug in gut dreizehn Stunden zurücklegen. Nun ist es aber in fünfzehn Kilometer Höhe ganz außerordentlich kalt. Man muss also den gesamten Rumpf des Flugzeuges gegen eine Kälte von wenigstens fünfzig Grad so schützen, dass weder die Fahrgäste leiden, noch die Motoren einfrieren. Das Mittel dazu ist die Dewarsche Flasche, das heißt, die Wände des Rumpfes sind doppelwandig auszubilden, und der Raum zwischen ihnen ist völlig luftleer zu pumpen, so dass die Wärme aus dem Rumpf nicht entweichen kann. Zweitens ist die Luft in fünfzehn Kilometer Höhe sauerstoffarm. Man muss also die Atmosphäre im Rumpf durch Zusetzung von Sauerstoff ständig atembar erhalten und die ausgeatmete Kohlensaure durch Kalipatronen binden. Diese Aufgabe ist bereits seit langem gelöst.

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Albessard-Aeroplan.

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Albessard-Aeroplan im Flug.​

Drittens braucht aber auch der Motor ständig atmosphärische Luft unter genügendem Druck. Man kann nun durch den Motor selbst eine Luftpumpe betreiben, die ständig Luft bis zu einer Atmosphäre in einem Behälter komprimiert, man kann aber auch einen Vorrat an flüssigem Sauerstoff mitnehmen und den Motor mit reinem Sauerstoff betreiben.

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Das größte englische Flugboot.

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Blick in das Innere eines Handley-Page-Flugzeuges.​

Endlich macht die Frage der Propeller Schwierigkeiten. Ein Propeller, der für die dichte Luft am Erdboden geeignet ist, hat für die dünne Luft in fünfzehn Kilometer Höhe nicht die richtige Steigung und umgekehrt. Das ist vielleicht der augenblicklich wundeste Punkt des ganzen Problems. Es steht aber zu hoffen, dass sich auch hier bald eine befriedigende Lösung finden lassen wird, und dann können wir, mit einem wirklich wirtschaftlichen transatlantischen Luftverkehr rechnen.

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Das Innere des Rumpfes für den Personenverkehr eingerichtet.​

Quelle: Ein Gang durch eine Flugzeugfabrik, in: Das Neue Universum, Die interessantesten Erfindungen auf allen Gebieten, sowie Reiseschilderungen, Erzählungen, Jagden und Abenteuer, 40. Jahrgang, 1919, S. 63 - 72.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Endlich macht die Frage der Propeller Schwierigkeiten. Ein Propeller, der für die dichte Luft am Erdboden geeignet ist, hat für die dünne Luft in fünfzehn Kilometer Höhe nicht die richtige Steigung und umgekehrt. Das ist vielleicht der augenblicklich wundeste Punkt des ganzen Problems.
In diesem Zusammenhang ist vielleicht erwähnenswert, dass bereits 1910 auf dem Gelände der k. u. k. militärischen Zentralanstalt in Fischamend eine Luftschrauben-Prüfanstalt mit einem „Aeromechanischen Laboratorium“ errichtet wurde. Das von Prof. Richard Knoller erdachte und durchgeführte Konzept der Wiener Anlage wurde von Prof. Ludwig Prandtl aus Göttingen konzeptionell übernommen und findet auch in vielen anderen ausländischen Windkanälen unter der Bezeichnung „Göttinger Windkanal“ Anwendung. (Quelle: Fischamender Heimatmuseum)
 
Die entscheidende Idee von Prof. Richard Knoller's Windkanal lag in dessen horizontaler Ausrichtung, vergleichbare Windkanäle waren bis dahin in senkrechter Ausführung gebaut worden.
Noch wichtiger war die Neuerung beim Windkanal von Prof. Knoller - dem Begründer der Flugwissenschaft in Österreich -, dass die Modelle während des "Anblasens" frei zugänglich waren, was bei anderen Anlagen überhaupt nicht möglich war.

Die Propeller-Prüfanlage baute Prof. Knoller während des ersten Weltkrieges für das Fliegerarsenal, und es gelang ihm als erstem im Rahmen seiner Forschungen zur Flugmechanik die theoretische Erklärung des scheinbaren "negativen Widerstandes" von Tragflügeln, die einem seine Richtung periodisch ändernden Luftstrom ausgesetzt sind ("Knoller-Effekt", "Katzmayr-Effekt"), was besonders im Segelflug sehr wichtig ist. Auch die eigenartige Wirkung der Steuerflächen hat er als erster durch einfache Beziehungen erfasst. Seiner Zeit weit voraus, wandte er sich Problemen des Strahlantriebes zu.
(zit. nach ÖAW, Österreichische Naturforscher und Techniker, 1950, S.157)

Wolfgang (SAGEN.at)
 
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