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Volkskundliche Anekdoten aus dem Sarganserland (CH)

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Volkskundliche Anekdoten aus dem Sarganserland.
Von Anton Zindel-Kressig, Sargans. 1916.

Ein neues Amt.
Chasper Ruädi Gallati von Sargans, ein Nachkomme des geschichtlich bekannten Statthalters Gallati, sagte nach einer ihm nicht genehmen Bezirksrichterwahl zu seinen Kameraden: „Sou, ä Richter hättemer jetz, jetz müemer nu na ä Luser ha!
(Im Volksmund heißt die grobgezähnte Seite eines Haarkammes „Richter", die fein-gezähnte „Luser").

Der kranke Vater.
Ein kranker Melserberger, der ganz allein einen Schafbauch (im Volksmunde „Büls") aß, sagte zu den zuschauenden acht Kindern: „Gund äwäg, ihr Guni (Missgönner), ihr sind jou nit chrangg!"
(Der „Büls" wird gründlich gewaschen, mit Schafblut gefüllt und gewürzt wie die Blutwurst; an einem solchen kann sich die größte Familie satt essen).

Rentables Geschäft.
Ein Weisstanner Meitli meinte einmal in allem Ernste: „Winn i jetz ällei uf der Wält wei'r, sä würdi grad ä Gmüeshandel afangä!"

Der zornige Beichtvater.
Ein Ehepaar aus Weisstannen wollte nach Einsiedeln wallfahrten, um dort die Sünden zu beichten. Am Vorabend des Wallfahrtstages wurde die Frau unpässlich und am Mitgehen verhindert. „Das ist jetz ä schüni Gschicht", meinte der Mann, „jetz han-i gmeint, mer wärden beidi mitänand gabsolviert und chünnen dinn au wiä zwei Ingel wieder mitänander hei." Die Frau wusste aber sofort Rat: „Weischt du was, Ma, i bichtä mini Sündä eifach dir; dinn seist du (sagst du) z'Einsiedlä au mini Sündä und winn dich dinn der Bichtvater absolviert, sä sind au mini Sündä vergieh (vergeben)". Der Mann war einverstanden. Sie setzten sich beide auf den grossen Plattenofen, nahmen ein Brett zwischen sich, und die Frau begann zu beichten. Unter anderem gestand sie auch: „I hadr (habe dir) dinn au ä Cheis (Käse) gstouhlä und z'Gält verbutzt." Da wurde der Beichtvater wütend, ballte die Faust und rief im größten Zorn: „Sou chunds jetz us! Härrgott Saggermint! Winn-i jetz nit an Gottesstatt ufem Oufä joubä hoggäti, i schleich di (würde dich schlagen) bigost blau und grüä dich, du verstoules Ripp, du!"

Die Antwort des Weisstannerknaben.
Der Pfarrer von Mels fragte auf einem Gang nach Weisstannen einen des Weges kommenden Knaben, ob es in Weisstannen auch Esel gebe? „Nein", antwortete der Knabe, „es chund all vu Mels här!"

Das Retourbillet.
Eine Weisstannerin kam auf die Station Mels und verlangte ein „Hin-und-Härfahri". Als sie der Vorstand fragte wohin, antwortete sie: „Das gouht di ä Dr... a!"

Der hilfbereite Heiland.
Bei starken Gewittern ist es im St. Galler Oberland Brauch, dass die Frauen Weihwasser, geweihte Stechpalmen oder Kohlen, geweihtes Brot und Salz ins Freie werfen, um so mit Gottes Beistand die Wirkung des Gewitters abzuschwächen. Als einmal in Weisstannen ein furchtbares Hagelwetter über die Berge herüberkam, nahm eine Weisstannerin das kleine Kruzifix aus dem Stubenwinkel und legte es auf das hochwogende Gras vor dem Hause. Sturm und Regen peitschten das Kruzifix auf dem Grase hin und her. Das Weib beobachtete die Bewegungen zum Fenster hinaus und rief den Ihrigen voller Freude zu: „Luägen, luägen, das chli cheibä Chröttli, wiä weihrts-es-i (wie wehrt es sich)!"

Die verstopften Fenster.
Schmied Z. von Sargans, bekannt als ein witziger Kauz, fuhr an einem Aschermittwoch, an dem es wieder einmal bei Süssdruck, Stockfischen und Schnecken hoch her ging, mit seinem Handwägelchen am Gasthaus zum „Rebstock" vorbei. Die lustigen und angeheiterten Kameraden sahen ihn, öffneten die Fenster des ersten Stockes und luden Schmied Z. ein, ebenfalls heraufzukommen und teilzunehmen. Schmied Z. stemmte die Hände in die Hüften, warf einen spöttischen Blick nach den offenen Fenstern und sagte in seiner pustenden und trockenen Manier: „Sit winn hat jetz der Räbstoggwürt sini Pfister mit Lumpä bschoppet?"

Grenzschutz.
Derselbe Schmied Z. steckte auf der Grenze gegen sein Nachbargut eine Menge kurzer Eisenpfähle, weil ihm der gute Nachbar immer hinübermähte. Als sich der Nachbar über die Pfähle beklagte, weil sie ihm die Sense beschädigten, antwortete Schmied Z.: „Bis du nu z'friedä, das ist nu afangs der Sumä (Samen), d'Studä waxen dinn vu sälber!"

Der starke Sarganser.
Man erzählt, dass die beiden großen und schweren Marmorsäulen in der Pfarrkirche zu Sargans, die zur Stütze der Empore dienen, von zwei Männern hineingetragen worden seien. Einer ließ die eine Säule fallen, weshalb diese den heute noch sichtbaren Bruch aufweist. Der stärkere Träger kam einst dazu, als 14 Arbeiter einen gewaltigen Marmorblock nicht mehr von der Stelle brachten. Der Mann jagte die Arbeiter weg, packte den Stein, lud ihn auf seinen Rücken und trug ihn an seinen Bestimmungsort. Der Druck des Steines sei aber so groß gewesen, dass der Träger auf der harten Straße bis an die Knie in die Erde hineingesunken sei.

Unbekannt.
Herr Pfarrer X. begegnete in Mels zwei Kindern. Diese boten ihm, wie das im St. Galler Oberland üblich ist, die Hand, und der Pfarrer fragte freundlich: „Chindä, kennet ihr auch den Herrn Jesus?" „Nei", antworteten sie kleinlaut „mer (wir) sind vu Wisstannä!"

Rücksichtsvoll.
Eine Weisstannerin kam zum ersten mal auf die Bahnstation Mels, wo sie ein Billet nach Wallenstadt löste. Sie stieg in den Wagen, in welchem sie einzige Passagierin war. Als sie dies bemerkte, stieg sie wieder aus und sagte zum Stationsvorstand in aller Gutmütigkeit: „Jä mägä miär (wegen mir) ällei müend-er nit fahrä!" Derweil fuhr der Zug ohne sie fort.

Quelle: Schweizerisches Archiv für Volkskunde, Festschrift für Eduard Hoffmann-Krayer, Basel 1916

Wolfgang (SAGEN.at)
 
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