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Mittel gegen Hagel

SAGEN.at

Administrator
Teammitglied
Zur Zeit liegt im Wetter eine grosse Gewittergefahr mit Neigung zu Hagel.
Was tun gegen solche Wetterunbill?

Ein Arbeitskollege (aus dem Sellrain, ein Tal Nähe Innsbruck, Tirol), der auch Nebenerwerbs-Landwirt war, erzählte mir einmal, dass in jeder Hagelwolke eine Hexe stecke. Daher wird bei dem Aufkommen des typischen Windes vor dem Gewitter, ein Taschenmesser in Windrichtung bzw mit Ziel in die Gewitterwolke hart geworfen. Damit sei die "Hagelhexe" verletzt und würde die Hagelkörner anderswo abwerfen.

Er habe dies sein Leben lang praktiziert und nie Hagelschaden gehabt, während Bauern in seinem Tal, die diese Weisheit nicht kennen, oft enorme Ernteverluste durch Hagel erleiden.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Und noch etwas zum Thema Gewitterstürme und Hagel:
Nicht immer sind es Hagelkörner und Hagelhexen!

Bei uns im Garten gibt es einen großen Kirschbaum, der von vielen Vögeln aus der ganzen Umgebung besucht wird. Offenkundig spucken diese die Kirschkerne auf dem Blechdach unseres Balkons aus, die nun bei Gewittersturm verdächtig auf- und abrollen...

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Aus dem katholischen Südoldenburg kenne ich Folgendes: an einem Marienfeiertag werden vom Pfarrer Buchsbaumsträuße geweiht, die bei schweren Unwettern dann im Ofen verbrannt werden. Tatsächlich, so heißt es immer, würde das Unwetter dann schnell abziehen, was aber m.E. sich allein damit erklären lässt, dass diese Sträuße genau dann verbrannt werden, wenn sich das Zentrum des Unwetters direkt über dem Betrachtungsort befindet, also sich bereits auf dem Höhepunkt befindet. Dies gilt natürlich nur für Bereiche des norddeutschen Flachlandes, über das Gewitterzellen in der Regel zügig ziehen und sich nicht an Berghängen festsetzen können.
 
Niccelaus, Schöner Beitrag - Danke!

Ich erinnere mich, dass Anfang der 1990er Jahre der Höttinger Messner (Innsbruck, Tirol) mitten in der Nacht die Kirchenglocken gegen den beginnenden Hagel geläutet hat. Hat etwas Ärger gegeben, weil die Leute fernsehen, schlafen etc. wollten...

Dennoch ist das Läuten der Kirchenglocken gegen Hagel ein in der Volkskunde weithin belegtes Mittel gegen Hagel. Besonders wirksame Wetterglocken haben eigene Namen und überstanden auch in den Weltkriegen die angeordneten Fortschaffungsmassnahmen.

Gerade der Hagel ist ein interessantes Feld für dieses Forum, da es bis heute trotz modernster Wetterforschung nicht möglich ist, Gewitter und Hagel voraussagen zu können. Hier muß man sich mit kurzfristigen Wettervorzeichen (zb Insektenverhalten, Tierverhalten allgemein, Wolkenbeobachtung etc.) begnügen. Wie oben geschrieben, ist auch von Seite der Kirche allerhand gegen Wetter und Hagel vorhanden.
Wir freuen uns auf Eure Beiträge.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Ich nutze die Gelegenheit, eventuell an solchen Dingen Interessierte auf ein beachtenswertes Digitalisierungsprojekt hinzuweisen:

Eines der größten deutschsprachigen Lexika, die „Oeconomische Encyclopädie, oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirthschaft, in alphabetischer Ordnung“, die von Johann Georg Krünitz 1773 begründet wurde und in 242 Bänden bis 1858 erschienen ist, wird im Rahmen eines Digitalisierungsprojektes der Universitätsbibliothek Trier online gestellt; das Projekt ist ziemlich weit fortgeschritten und endet z.Z. mit Bd. 181 beim Stichwort „Tempel des Wetters“(!):

https://www.kruenitz1.uni-trier.de/

Im Unterschied zu vielen anderen Digitalisierungsprojekten ist hier nicht nur das Buch eingescannt, sondern der Volltext wirklich digital aufbereitet, z.B. mit funktionierenden Querverweise usw.

Hier als Beispiel der Abschnitt über den Aberglauben im Stichwort „Hagel“ (Bd. 21 177f.):

„Zur Abwendung des Hagelschadens von den Gärten, Weinbergen und Feldern, hat man sich von je her verschiedener abergläubiger Mittel bedient.
Dergleichen Mittel versuchten schon die Griechen und Römer. Pausanias versichert, de statu Graeciae, lib. 2, cap. 34, er habe selbst Leute gesehen, welche den Hagel mit Opfern und Zaubereyen abwendeten. Denn der Hagelschade und schädliche Regen wurden für Strafen der erzürnten Götter gehalten. Außer den Opfern gab es noch andere eben so thörichte Mittel.
Der griechische Kaiser Constantin IV., lehrt in seinen (in griechischer Sprache hinterlassenen, und von Cornarius ins Lat. übersetzten) auserlesenen Lehrsätzen vom Ackerbau, seine Leser und die Wirthschafter aus dem Juden Philo, und dem Heiden Apulejus, wie sie den Hagelschlag von sich abwenden oder wegbannen könnten. Denn da solle man
1) der über das Feld hängenden Donnerwolke einen Spiegel entgegen halten;
2) die Haut eines Krokodilles, Vielfraßes oder See=Kalbes in der Gegend herum tragen, und bey bevorstehender Gefahr in der Thüre des Hauses oder Zaunes aufhängen;
3) viele Schlüssel von verschiedenen Häusern an einen im Zirkel um den Ort, von welchem man den Hagel= und Donnerschlag abwenden will, herum gezogenen Strick hängen, in den Häusern aber zugleich hölzerne Stierböcke setzen;
4) eine lebendige Schildkröte in die rechte Hand aufrecht stellen, und mit etwas Erde umschütten, damit sie nicht umfallen oder wegkriechen könne, hernach aber so auf dem Felde oder an einem andern Orte in der Hand halten und herum tragen; nach Einiger Meinung aber solches in der sechsten Tages= oder Nacht=Stunde thun.
Der Kaiser hält zwar selbst einige dieser Dinge für Aberglauben, und warnt seine Leser dafür, wofern er nicht etwann nur die in dem Himmelszeichen der Leyer auf eine Tafel gemahlte und geweihete Weintraube, welche Apulejus als ein Mittel, den Weinberg vor dem Hagel zu bewahren, angegeben hat, meinet. Er verwirft aber diese närrische Stückchen doch nicht alle, und empfiehlt hernach so gar selbst wider den Donnerschlag, die Haut eines Mutterpferdes zu vergraben, weil an solchem Orte der Donner nicht einschlage.
Andere riethen wider den Hagel: die Mühlen mit einem rosenrothen Tuche zu bedecken; dem Himmel mit einem blutigen Beile zu drohen; den Garten mit Waldrebe (Clematis Vitalba) zu umzäunen, oder eine Nachteule mit ausgespannten Flügeln anzunageln, und das Eisenwerk, womit man arbeitet, mit Bärenfett zu bestreichen. Dieses waren die Mittel, wodurch die Alten den Hagelschaden abzuwenden suchten, und welche genug bewiesen, daß ihr Aberglaube eben so groß war, als ihre Furcht.“

Vielleicht hilft ja etwas - aber versucht es bitte nicht mit der Eule!

Schönen hagelfreien Tag
D.F.
 
SAGEN.at schrieb:
Hier muß man sich mit kurzfristigen Wettervorzeichen (zb Insektenverhalten, Tierverhalten allgemein, Wolkenbeobachtung etc.) begnügen. Wie oben geschrieben, ist auch von Seite der Kirche allerhand gegen Wetter und Hagel vorhanden.
Wir freuen uns auf Eure Beiträge.

Wolfgang (SAGEN.at)

Trotzdem gibt es gerade hier im flachen Norddeutschland, aber auch im niedersächsischen Berg- und Hügelland Gebiete, die als 'Gewitterecken' allgemein bekannt sind. Einfluß auf die Zugbahnen haben dabei ganz offensichtlich Erhebungen, die manchmal 100 km oder mehr entfernt sind. Ich habe hier in den letzten 12 Monaten die Beobachtung gemacht, dass sich zum einen der Teuroburger Wald und das Wiehengebirge - beides sind sogenannte Schichtkämme, also keine 'echten' Gebirge, die kaum höher als 300 m über NN sind, aber auch kleine Erhebungen, wie etwa der Hümmling (ca 40 m NN) oder die Dammer und Ankumer Berge (ca 150 m NN maximal) nachhaltig auf die Zugbahn der Gewitterzellen auswirken.
Wenn ein Gewittertief von Frankreich nach Nordosten zieht, wandert die Gewitterfront langsam von Westen nach Osten. Die in ihr befindlichen Wolkenpakete - sie enthalten auch die einzelnen Gewitterzellen - ziehen innerhalb der Front der Corioliskraft folgend entgegengesetzt zum Uhrzeigersinn, also über Norddeutschland i.W. von Südwest nach nach Nordost. Haben sie den Raum Münster (Westf.) erreicht, wirkt sich i.d.R. das Relief als Wegmarke aus. Die eine Linie führt etwa von Rheine aus über den Raum Vechta-Bassum-Verden und weiter Richtung Rotenburg. Die andere Zugbahn führt aus dem Raum Nordhorn/Meppen in Richtung Hude/Oldenburg und anschließend in Richtung Bremen-Vegesack und -Oslebshausen. Der Hümmling bei Papenburg, der Bentheimer Wald bei Bad Bentheim und Nordhorn sowie Dammer Berge bilden dabei ganz offensichtlich die Flanken, die die Zugbahn der Zellen nachhaltig beeinflussen.
 
Als Mittel gegen Hagelschäden wurden in Tirol vielfach die geweihten, meist schwarzen Wetterkerzen verwendet, die während des Unwetters angezündet wurden.
Eigentlich dachte ich dabei an einen längst vergangenen Brauch; umso erstaunter war ich, als ich neulich in einem gewöhnlichen Kerzengeschäft (keinem Devotionalienladen) schwarze, geweihte Kerzen entdeckte.

lg s hexchen
 
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