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Beflaggung von Autos

harry

Well-known member
Die Fußball-EM rückt immer näher und seit ein österreichisches Massenblatt die Beflaggung von Autos vehement propagiert, sieht man immer mehr derartig geschmückte Vehikel.

Flaggen_Auto_01.jpg

Beflaggte Autos in der Nähe von Wien, gesehen am 31.Mai 2008

Wie seht Ihr dises Phänomen? Hat das etwas mit Patriotismus zu tun? Beflaggt Ihr auch Eure Fahrzeuge oder haltet Ihr es eher mit Herzmanovysy-Orlando und "tragt den Gamsbart inwendig"?

Fragen über Fragen :kopfkratz
 
Hallo Harry,

zu dem Auto im Vordergrund ist leider festzustellen, dass diese EURO 2008-Fans die falsche österreichische Nationalflagge benutzen!

"Denn bei der Flagge mit dem Bundeswappen in der Mitte handelt es sich um die Bundesdienstflagge. Sie sollte eigentlich nur vom Bundespräsidenten, vom Präsidenten des Nationalrates, von Mitgliedern der Bundesregierung und anderen, genau definierten Repräsentanten der Republik sowie von Institutionen wie Bundesheer, Universitäten und Hochschulen geführt werden."

zitiert aus: Horst Friedrich Mayer, Lexikon der populären Irrtümer Österreichs, Wien 2001, S. 167, bzw Peter Diem, Die Symbole Österreichs. Zeit und Geschichte in Zeichen, Wien 1995.

Es ist also tatsächlich so, dass viele österrichische Fussballfans mit einer Beamtenflagge winken und nicht mit der österreichischen Nationalflagge :)

Übrigens, bei der Gelegenheit:
die österreichische Nationalflagge ist, wie im Foto am hinteren Auto richtig, rot-weiß-rot in Querrichtung. Das ist zwar nicht eindeutig gesetzlich festgelegt, die langformatige Fahne, die man interessanterweise auch an öffentlichen Gebäuden sehr häufig sieht, mit rot-weiß-rot in senkrechter Anordnung, ist die peruanische Fahne!

Es scheint also auch eine ganze Menge Peru-Fans in Österreich zu geben... :verdaecht

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Also für mich ist die EURO 2008 ein interessantes Forschungsfeld ;)

Hier ein sehr interessantes Exemplar eines beflaggten Autos:

Italo_Austria_Fan.jpg

© Wolfgang Morscher, Innsbruck, 31. Mai 2008

Hier handelt es sich um ein italienisches Auto mit österreichischer Fan-Beflaggung! Im Gespräch mit dem Fahrer stellte sich noch heraus, dass dieser deutscher Staatsbürger ist. Hier handelt es sich um drei an der EURO 2008 teilnehmende Nationen, der Fahrer des Fahrzeuges setzt schon rechtzeitig auf den Gewinner! :headscrat


Ein interessanter Hinweis für wissenschaftlich Interessierte zur EURO 2008:

Vortrag im Volkskundemuseum Wien:

Mittwoch, 4. Juni 2008, 18 Uhr
Fußballfans als Stammeskrieger
Univ.-Prof. Dr. Roland Girtler


Institut für Soziologie der Universität Wien
Leiter des Museums "Wilderer im Alpenraum - Rebellen der Berge" in St. Pankraz bei Hinterstoder (OÖ)

Es sind die Fußballfans, die den Matches durch ihre Gesänge, Fahnen, Bemalungen und anderen Symbolen Farbe geben und den Fußball zu einer faszinierenden Angelegenheit machen. Stets sind es aber auch sehr bunte Rituale der Gewalt, die von den Fans gesetzt werden und die eine Art Gemeinschaftserlebnis darstellen.
Fußball ohne die Kulisse der Stadien und der Fans ist nicht vorstellbar und höchst langweilig. Jugendliche Fußballanhänger sind ein gutes Beispiel für eine Randkultur der Rebellion, in der Heranwachsende sich gegen starre Normen wehren und das Recht in Anspruch nehmen, sich lärmend, raufend und gewalttätig zu betätigen. Für derartige Jugendgruppen oder Banden scheint die Vorstellung von der Höherwertigkeit der eigenen Gemeinschaft und des Teams, mit dem man sympathisiert, also ein gewisser Ethnozentrismus, typisch zu sein. Man sieht sich berechtigt, die anderen, die Gegner, auf allerlei Weise, vor allem symbolisch, zu erniedrigen. Gewalt, wie sie in Kulturen der Straße merkbar wird, spielt hier eine wichtige Rolle. Gewalt und Lärm verschaffen dem Fan Anerkennung unter seinesgleichen. Fanclubs rekrutieren sich aus Jugendlichen aller Schichten, die in diesen eine Möglichkeit sehen, sich selbst zu präsentieren.
Und dies geschieht, wie der Vortrag zeigen wird, vor allem durch Rituale der Gewalt und durch Rituale des Lärms. Letztere erinnern an das Kriegsgeheul fremder Stammeskulturen.
Der Kinderchor der Chorvereinigung "Jung-Wien" sorgt für die musikalische Begleitung.
Die Lieder zum Thema „Fußball“ wurden komponiert und getextet von Meinrad Rüdenauer.

Vielleicht kann jemand von diesem, sicher sehr anregenden Vortrag berichten?

Wolfgang (SAGEN.at)
 
SAGEN.at schrieb:
... die österreichische Nationalflagge ist, wie im Foto am hinteren Auto richtig, rot-weiß-rot in Querrichtung. Das ist zwar nicht eindeutig gesetzlich festgelegt ...

Das ist sehr wohl im Wappengesetz (BGBl 159/1984) § 3, Abs. 2 festgelegt, in dem auch das unberechtigte Führen der Bundes-Dienstflagge mit bis zu € 3.600 unter Strafe steht ;) - Aber das hat ja besagtes Massenblatt ausgehebelt :)
 
Endlich ist unbestritten, dass Österreich ein multikulturelles Land ist. Soviel zu jenen "echten Österreichern", die immer noch meinen, dass man unser geheiligtes Land gegen Fremde verteidigen müsse. Gerade jene "Vaterlandsverteidiger" sind aber eine Generation oder zwei früher selbst eingewandert.
 
@harry

nun ja, ausgehebelt ist nicht das richtige wort. der zuständige minister hat erklärt, er will jetzt kein schlechtes vorbild sein und dieses europäische fest des friedens zerstören, aber wenn er ein derart beflaggtes auto noch nach dem 29.6. entdeckt, kassiert er doppelt.

@ganz allgemein

als diese autos häufiger wurden, habe ich immer wieder mal geschaut, wer denn die leute sein mögen, die sich derart patriotisch geben und konnte amüsiert feststellen, dass die fahrer oft asiatischer oder afrikanischer herkunft waren bzw. Personen, die vermuten ließen, auch erst in vielleicht zweiter generation österreicher zu sein. das ist halt noch wahre begeisterung.

aber ich sag mir, das ist o.k., denn wir eingeborenen haben es schon die längste zeit nur mehr dann mit dem patriotismus, wenn wir sieger sind, oder sehe ich das falsch?

lg
erich
 
Huber schrieb:
wir ... haben es schon die längste zeit nur mehr dann mit dem patriotismus, wenn wir sieger sind, oder sehe ich das falsch?
Also ich meine, man muss seinen Patriotismus nicht vor sich her tragen, wie ein Plakat. Es gibt auch andere Möglichkeiten, seine Liebe zur Heimat zu zeigen. Ein Beispiel wären die vielen Fotos in der Fotogalerie von SAGEN.at. Und, grundsätzlich finde ich diese Fähnchen an den Autos ja ganz nett - solange sie nicht in irgendeiner Form mit meinem eigenen in Kontakt kommen.

Außerdem frage ich mich, was will der Verkehrsminister bestrafen, solange man nicht die "Dienstflagge des Bundes" (siehe oben) führt. Die Bundesflagge darf man meines Erachtens jederzeit auf seinem Auto führen. Weder im Wappengesetz noch im KfG ist das verboten

Wappengesetz schrieb:
§ 6. Das Recht zum Führen der Dienstflagge des Bundes steht den im § 4 Abs. 2 und 3 genannten Berechtigten, ausgenommen Verwaltungen der Staatsmonopole, die als Aktiengesellschaft eingerichtet sind, zu.

§ 7. Die Verwendung von Abbildungen des Bundeswappens, von Abbildungen der Flagge der Republik Österreich sowie der Flagge selbst ist zulässig, soweit sie nicht geeignet ist, eine öffentliche Berechtigung vorzutäuschen oder das Ansehen der Republik Österreich zu beeinträchtigen.

Kraftfahrgesetz schrieb:
§ 54. Abzeichen an Kraftfahrzeugen und Anhängern

(1) Standarten, Flaggen und Wimpel in den Farben der Republik Österreich mit dem Staatswappen dürfen nur bei offiziellen Anlässen geführt werden und nur an Kraftwagen, die zur Verwendung für Fahrten des Bundespräsidenten, der Präsidenten des Nationalrates, des Vorsitzenden des Bundesrates, der übrigen Abgeordneten zum Nationalrat, der übrigen Mitglieder des Bundesrates, der Mitglieder der Bundesregierung, der Staatssekretäre, der Landeshauptmänner oder Präsidenten oder Vizepräsidenten des Rechnungshofes, des Verfassungsgerichtshofes, des Verwaltungsgerichtshofes oder des Obersten Gerichtshofes bestimmt sind. Das Führen dieser Standarten, Flaggen und Wimpel vorne am Fahrzeug in der Mitte ist nur bei Fahrten des Bundespräsidenten sowie bei Fahrten mit Kraftwagen des Bundespräsidenten bei feierlichen Anlässen zulässig.
 
Es erscheint mir zum Thema der österreichischen Flaggen doch eher wichtig zwischen Dienstflagge und Bundesflagge zu unterscheiden!

Wie Harry schon schreibt, ist die Verwendung der Bundesflagge relativ unproblematisch.

Die Verwendung der österreichischen Dienstflagge, bzw des österreichischen Bundesadlers hingegen unterliegt ziemlich scharfen rechtlichen Bedingungen.

Interessanterweise dürfte bei solchen Urteilen jedoch mit verschiedenem Maß gemessen werden, denn ausgerechnet in jener Zeitung, die für die Verbreitung der Dienstflagge zur EURO 2008 wirbt, finden sich ziemlich häufig Karrikaturen des Bundesadlers...

Der Aspekt, der mich dabei wundert: wenn sich jene Zeitung für die Verbreitung der österreichischen Dienstflagge bei der EURO 2008 so einsetzt, gefährdet diese doch eigentlich ihre Leser vorsätzlich:

Sollte Österreich bei der EURO 2008 nicht Europameister werden, dann könnte es doch gegebenenfalls passieren, dass möglicherweise ein enttäuschter Flaggenwinker seine Dienstflagge etwa in den Sand setzt - und das könnte für diesen doch eine empfindliche Verwaltungsstrafe bedeuten... - bei der Bundesflagge hingegen wäre das harmlos :floet:

Wolfgang (SAGEN.at)
 
SAGEN.at schrieb:
... - bei der Bundesflagge hingegen wäre das harmlos ...
Da muss ich widersprechen. Das Wappengesetz macht hier (zu Recht) bei der Bestrafung keinen Unterschied bei Bundesflagge, Dienstflagge, Wappen oder Staatssiegel(-stempel).
Siehe Wappengesetz § 8, nachzuschlagen im RIS, Suchwort Wappengesetz
 
Übrigens für jene, die sich für Fussball interessieren:

die Dokumentationen, Interviews usw. zum Sieg der Österreichischen Fussballmannschaft bei der EURO 2008 sind schon alle gedreht. Man kann etwa schon "Das Wunder von Wien" ansehen:



Das Gemeinschafts-Fernsehen ist meines Wissens übrigens seit der Mondlandung der Apollo 11 am 20. Juli 1969 recht gut dokumentiert. (Ich glaube, in Hugo Portisch's Dokumentation "Österreich II" gibt es Filmausschnitte, wo Menschentrauben bei der Mondlandung vor Geschäften stehen). In den 1970er-Jahren habe ich das Gemeinschafts-Fernsehen vor Fernseh-Geschäften auch gelegentlich beobachtet.

Seit ein paar Jahren, ich würde sagen seit den späten 1990er-Jahren, ist das gemeinsame Fernsehen wieder populär geworden - die Gründe könnten einerseits bei günstigen Beamern (zur Projektion) liegen, andererseits in geschicktem Marketing von Veranstaltern.

Jenes Marketing muß doch so gut sein, dass Menschen freiwillig Eintritt bezahlen, um in käfigartiger Situation gut bewacht, ungewohntes Bier für 9 Euro pro Liter (zum Vergleich: Ladenpreis 1 Euro) bezahlen um in reichlichem Gedränge Fernsehen zu können.

Anmerkung: "Gemeinschaftliches Fernsehen" ist hier nur meine Wortwahl, die derzeitige Bezeichnung nennt das "public viewing", eine unbekannte Wortkreation, auch bei amerikanischen Begräbnissen und Aufbahrung von Toten in Verwendung...)


Wir würden uns in den nächsten Wochen aus der Schweiz und aus Österreich über Berichte und Fotos zum "gemeinschaftlichen Fernsehen" zur EURO 2008 sehr freuen!

Wolfgang (SAGEN.at)
 
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