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Sagen, Märchen und die Welt?

mizzi

New member
Vielleicht kann mir hier ja jemand weiterhelfen. Das Kapitel zur Definition von Sagen in Petzoldts Einführung in die Sagenforschung hab ich gelesen. aber ich hab da ein paar Fragen:
Wird im europäischen Raum zwischen Sagen und Märchen unterschieden? Oder gilt das hauptsächlich für das deutschsprachige Gebiet? Was wäre der englische Terminus für "Sage"?
Und wie sieht es mit der Unterscheidung dieser GAttungsformen auf anderen Kontinenten aus? Märchen bekommt man im Buchladen heute aus allenmöglichen nicht-europäischen Ländern. Aber sind diese Volkserzählungen Märchen in der "europäischen" Bedeutung? Und wenn es so ist, findet man neben Märchen in diesen Ländern auch "Sagen"?

Und vielleicht kann mir jemand Literatur zum Thema Sagen interkulturell/Sagen weltweit empfehlen?
 
Hallo Mizzi,

Wird im europäischen Raum zwischen Sagen und Märchen unterschieden? Oder gilt das hauptsächlich für das deutschsprachige Gebiet?

Eine sehr interessante Frage!
Ich würde die Fragestellung anders angehen:
Die Gattungstypologie Märchen - Sage - Schwank - Legende - Fabel sind "eine künstliche Übereinkunft, deren Bezug zur Lebenswirklichkeit nicht unbedingt stringent ist" (Zit. Petzoldt).

Also würde ich vorschlagen, in anderen Kulturen nicht unbedingt dannach zu suchen, ob die Leute dort zwischen Märchen und Sage unterscheiden, sondern die Fragestellung nach der Motivik der Erzählung analysieren.
Das Märchen ist zweifellos eindimensional in Motiven, Raum und Zeit und in einer größeren Region verbreitet.

Die Sage ist an einen bestimmten Ort gebunden und es treten in der dämonologischen Sage:
a) der dämonisierte Mensch
b) dämonische und übernatürliche Wesen
c) Tote oder Untote auf, bzw handelt es sich um
d) Ätiologische Sagen (Ursprungs- und Erklärungssagen) oder um
e) historische Sagen
[Zit. Petzoldt]

Also denke ich, bleibt uns die Möglichkeit, Erzählungen in anderen Kulturen zuerst einmal anzuhören und aufzuschreiben und dann nach unserem Muster einzuteilen.
Zweifellos werden andere Kulturen andere Einteilungsmuster haben; dem Erzähler wird es zudem völlig egal sein, wie die Ethnologen seinen Text klassifizieren.

Zur Literatur im Buchhandel:
Die Europäische Ethnologie ist im Buchhandel ein extrem populär, meines Wissens betrifft überhaupt der größte Anteil der verkauften Bücher die Themen der Ethnologie.
Das Interesse der Leser wäre riesig, nur leider wird das Gebiet von Richtungen ausgeschlachtet, die die Leser schamlos ausnutzen. Da ist in erster Linie der üble Bereich der Esoterik zu nennen, wo "Autoren" kreuz und quer dichten, was gerade verkaufsträchtig ist. Die Liste könnte beliebig fortgesetzt werden, leider sind die Buchkäufer die Opfer.

Ähnlich verhält es sich mit manchen der Bücher mit internationalen Märchen. Hier wird oft zusammengestopft, was halt gerade in das Buch passt - es ist außerordentlich schwer, ein seriös gestaltetes Buch zu identifizieren.

Nach heutiger wissenschaftlicher Auffassung erkennst Du die (wenigen) wirklich seriösen Erzählsammlungen daran, ob der Herausgeber entweder
a) eine wirklich exakte Quelle einschliesslich Übersetzer zitiert oder
b) Erzähler, Erzählort und evt Erzählumstände (Erzählkontext) angibt.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Danke für die beiden Antworten!

SAGEN.at schrieb:
Nach heutiger wissenschaftlicher Auffassung erkennst Du die (wenigen) wirklich seriösen Erzählsammlungen daran, ob der Herausgeber entweder
a) eine wirklich exakte Quelle einschliesslich Übersetzer zitiert oder
b) Erzähler, Erzählort und evt Erzählumstände (Erzählkontext) angibt.

bei Literatur hatte ich eigentlich nicht an Erzählsammlungen,sondern mehr an theoretisches gedacht. Also mit Bezug zu dem was wir im dt Sprachraum "Sage" nennen.

Irgendwie hat sich mein Eindruck verstärkt, dass der Begriff "Sage" - so wie ich ihn jetzt verstehe - im englischen Sprachraum nicht eins zu eins zu finden ist und wiedergegeben wird. Im Deutschen werden doch Heiligenlegenden und Sagen in verschiedene Schubladen geschmissen - das scheint im Englischen nicht so zu sein. Und ist es nicht so dass der Begriff "myth" so etwas wie "schöpfungsmythen" beinhaltet? Ich glaub, das wäre im Deutschen nicht der Fall.
Oder bin ich da jetzt irgendwo grundsätzlich im Irrtum?
 
Eine Sage ist ein ursprünglich mündlich überlieferter Bericht über eine subjektiv
wahrgenommene Begebenheit in "grauer Vorzeit". Deren Urheber ist unbekannt und deren Zuverlässigkkeit ist nicht nachgewiesen. Denn Gedächtnis und Fantasie bilden einerseits die Grenzen für den historischen Wahrheitsgehalt
und andererseits die Öffnung für Variationen der Grundidee, die überliefert wird.
Solche poetische Wahrheit wurde dann irgendwann einmal niedergeschrieben -
oft in mehreren Fassungen im Laufe der Zeit. An ihr erfreuen sich LeserInnen und
schmunzeln über Elemente, die kaum glaubhaft sind. Die Sagen geben uns einen
Einblick in Glaubensvorstellungen, in übernatürliche Erlebnisse, aber auch in -
mögliche!- Lebensbedingungen unserer Vorfahren. Dieses Vorwort schrieb
Dr. Klaus Halfpap für "mein" Schwerter Sagenbüchlein, erschienen 1998.
Mit freundlichen Grüßen! Ulrike Berkenhoff
 
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