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Lieblingsgedichte

Liebe Ulrike, ich mag auch Weinhebers "Wien wörtlich", muss ich mich deshalb schämen? Hab es allerdings auch erst durch Oskar Werner kennengelernt und in dem Fall ist mir wurscht, wer was geschrieben hat: es ist einfach herrlich anzuhören. Den Weinheber als Figur muss ich nicht haben.
Was Waggerl angeht, weiß ich nicht, was genau gemeint ist mit "sich nicht gegen Vereinnahmung gewehrt". Ganz allgemein kann man glaube ich sagen: man kann sich heute nicht vorstellen, wie die Zeit damals war. Ob da ein Schullehrer einfach zu denen sagen konnte: mir gefällt nicht, dass euch das gefällt? Oder irgend eine blödsinnige "Ehrung" (falls es eine solche gegeben hat, weiß nicht) verweigern? Ich glaube, grundsätzlich sollte man unterscheiden, ob jemand, der nie in der scheußlichen Sache AKTIV war, aber aus einer Angst, die sich heute niemand von uns mehr vorzustellen braucht, nicht gewehrt hat. Oder ob sich jemand angebiedert hat, um persönliche Vorteile zu haben.
Es war nicht wirklich eine Wertung, das mit dem Goethe, bei der "Glocke" kann ich heute noch heulen und den "Faust" hab ich auf CD mit Will Quadflieg als Faust, ein Genuss.
Liebe Grüße, Elfie
 
Vielen Dank für "Villon" bezw. Kinski: Mir lief und läuft jedesmal eine
Gänsehaut den Rücken runter! Ich besitze die etwas "sanftere"
Schallplatte: Heinz Reincke spricht Villon. Ich mochte diesen
Schauspieler sehr, er ist wohl in diesem Jahr in Ö (?) gestorben.
Vor über 40 Jahren sprachen wir in der Buchhändlerschule/FfM. in franz.
Literatur über Villon. Ich habe noch ein angestaubtes dtv Taschenbuch
im Regal: Die lasterhaften Balladen des Francois Villon, Nachdichtung
von Paul Zech, Umschlagbild: der unvergessene Piatti, der damals der
dtv Reihe das künstlerische Aussehen gab. Ich liebe diese alten Ausgaben!
Nun aber: viele Grüße an alle hier! Ulrike
 
Schwere Gedanken

Eisige Nebel verdunkeln das Herz
Kalte Bilder vergangener Tage
Regen gleitet die Wangen herab
Das Purpur ist dem Schwarz gewichen
Das Gelb zu Weiß verblaßt
Der Regenbogen hat das Schillern verloren
zu steinig, den gemeinsamen Weg zu entdecken
zu ungeduldig, den rechten Moment zu begreifen
zu gering die Zeit, Vergangenes zu bewältigen
zu schwach, das Glück in Händen zu halten
zu einfach, in Selbstzweifel zu vergeh´n
Regen gleitet die Wangen herab

Dieter Franke
 
Nach längerer Zeit habe ich wieder etwas gefunden,
das mich stark bewegt hat und an dem ich euch
teilhaben lassen möchte.

Der Blinde an der Mauer


Ohne Hoffnung, ohne Trauer
Hält er seinen Kopf gesenkt.
Müde hockt er auf der Mauer.
Müde sitzt er da und denkt:

Wunder werden nicht geschehen.
Alles bleibt so, wie es war.
Wer nichts sieht, wird nicht gesehen.
Wer nichts sieht, ist unsichtbar.

Schritte kommen, Schritte gehen.
Was das wohl für Menschen sind?
Warum bleibt den niemand stehen?
Ich bin blind, und ihr seit blind.

Euer Herz schickt keine Grüße
aus der Seele ins Gesicht.
Hörte ich nicht eure Füße,
dächte ich, es gibt euch nicht.

Tretet näher! Laßt euch nieder,
bis ihr ahnt was Blindheit ist.
Senkt den Kopf, und senkt die Lieder,
bis ihr, was euch fremd war, wißt.

Und nun geht! Ihr habt ja Eile!
Tut, als wäre nichts geschehen.
Aber merkt euch diese Zeile:
"Wer nichts sieht, wird nicht gesehen."

Erich Kästner
 
Einge werden mich schon kennen von den "alten Worten"
und wissen um meinen Hang zur Mundart. Deshalb handelt mein Lieblingsgedicht auch über die Mundart:


I red wia mei´ Ahnl,
Der lustig Mau;
So hat aa mei´ Voda
Der Muada schö´ dau.

Und druckt mi der Kummer,
Wer frogt denn danoch?
Nur oane, dö tröst mi;
Der Hoamat ihr Sproch.

I red wia mei´ Ahnl, Der hot ma s` verirbt.
Is d` Sproch net wia d` Hoamat?
I red s`, dass s` net stirbt.
Herbert Brachmann
 
Der Hang zu Mundart ist auch in mir.
Darum ein Gedichtfragment das, obwohl
vollständig erscheinend, keinen Anspruch
auf Vollständigkeit stellt:


I und du und nu a Mau
hom in Wiat in Kölla dau;

Wann da Wiat denn des tat wissn
daß eam mai in Kölla g'schissn;

Tat er uns beim G'richt verklgn
miassat ma in Dreck austrogn;

I nahm d' Schaufl
Du nahmst d' Händ
Hätt da gaunz Dreck
an End.

Attwenger haben dieses Gedicht 1992 zum Teil verwendet.
 
Wo ich wohne!


Dicht hinter Hagen ward es Nacht
Und ich fühlte in den Gedärmen
Ein seltsames Frösteln. Ich konnte mich erst
Zu Unna, im Wirtshaus, erwärmen

...

Immer wieder lesen:
Heinr. Heine: Deutschland, ein Wintermärchen

Vers 10 (X) über meine westfälische Heimat
Preiswerteste Ausg. von Reclam (wenn ich so sagen darf)

Ulrike
 
Für Liebende, die sich zu Lebzeiten nicht kriegen, ein Trostgedicht von Christian Morgenstern (1871-1914):

Die zwei Parallelen

Es gingen zwei Parallelen
ins Endlose hinaus,
zwei kerzengerade Seelen
und aus solidem Haus.

Sie wollten sich nicht schneiden
bis an ihr seliges Grab:
Das war nun einmal der beiden
geheimer Stolz und Stab.

Doch als sie zehn Lichtjahre
gewandert neben sich hin,
da wards dem einsamen Paare
nicht irdisch mehr zu Sinn.

Warn sie noch Parallelen?
Sie wußtens selber nicht, -
sie flossen nur wie zwei Seelen
zusammen durch ewiges Licht.

Das ewige Licht durchdrang sie,
da wurden sie eins in ihm;
die Ewigkeit verschlang sie
als wie zwei Seraphim.
 
Ebenfalls von Ch. Morgenstern:

Ich habe heute für dich einige Rosen NICHT geschnitten
um dir ihr Leben zu schenken.

Danke, liebe Babel, dass du diesen Thread wiederbelebt hast - hab mich grad durch alles durchgelesen :)
 
Babel ist erst anschließend durch ewiges Licht geflossen! :sensationell:
Ja, wer nicht auf Bergeshöhen herumwandern kann, muß sich an andere erhabene Regionen halten! :D
Aber wenn wir schon mal bei Gedichten und bei Morgenstern sind: Zur Abiturprüfung gehörte bei uns natürlich ein Aufsatz, aber SchülerInnen, bei denen sich die Prüfer unsicher waren, ob sie nun die bessere oder schlechtere Note fürs Abschlußzeugnis geben sollten, mußten zusätzlich eine mündliche Prüfung machen. Nachdem sich herumgesprochen hatte, daß dabei die Prüfer fragten: "Kennen Sie ein Gedicht?" und das dann mündlich interpretieren ließen, suchten wir alle eilig irgendein Gedicht, das uns interpretationswürdig erschien. Die meisten entschieden für den damals recht populären "Panther" von Rilke. Ich entschied mich für das folgende Morgenstern-Gedicht - wurde aber nicht mündlich geprüft. Leider – ich hätte gern gern gesehen, wie blöd die glotzen, wenn ich das aufsage und anschließend den tieferen Sinn herausarbeite. :rotfl:

Geiß und Schleiche

Die Schleiche singt ihr Nachtgebet,
die Waldgeiß staunend vor ihr steht.

Die Waldgeiß schüttelt ihren Bart,
wie ein Magister hochgelahrt.

Sie weiß nicht, was die Schleiche singt,
sie hört nur, daß es lieblich klingt.

Die Schleiche fällt in Schlaf alsbald.
Die Geiß geht sinnend durch den Wald.
 
- wurde aber nicht mündlich geprüft. Leider – ich hätte gern gern gesehen, wie blöd die glotzen, wenn ich das aufsage und anschließend den tieferen Sinn herausarbeite. :rotfl:

Geiß und Schleiche

Die Schleiche singt ihr Nachtgebet,
die Waldgeiß staunend vor ihr steht.

Die Waldgeiß schüttelt ihren Bart,
wie ein Magister hochgelahrt.

Sie weiß nicht, was die Schleiche singt,
sie hört nur, daß es lieblich klingt.

Die Schleiche fällt in Schlaf alsbald.
Die Geiß geht sinnend durch den Wald.
Ja, echt schade! Die Prüfer hatten das Gedicht sicher mit einer ausgezeichneten Note für dich quittiert! :smiley_da:smi_huepf :D
 
Ja, echt schade! Die Prüfer hatten das Gedicht sicher mit einer ausgezeichneten Note für dich quittiert! :smiley_da:smi_huepf :D
Das sowieso. Was meinst du, warum meine Note ohnehin nicht in Zweifel stand? :D Aber es hätte mir Spaß gemacht. Und ich kann nur hoffen, daß sich dir der tiefe Sinn dieses Gedichtes erschließt! :smi_predi
 
Und ich kann nur hoffen, daß sich dir der tiefe Sinn dieses Gedichtes erschließt! :smi_predi
Es ist zweifelsfrei ein sehr tiefsinniges Gedicht! Sollte er das nicht tun, scheint es wohl mein Schicksal zu sein bis zum Ende meiner Tage, diese sinnfrei zu verbringen... :smi_heult :D
 
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