• Willkommen im SAGEN.at-Forum und SAGEN.at-Fotogalerie.
    Forum zu Themen der Volkskunde, Kulturgeschichte, Regionalgeschichte, Technikgeschichte und vielem mehr - Fotogalerie für Dokumentar-Fotografie bis Fotogeschichte.
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst Du eigene Beiträge verfassen und eigene Fotos veröffentlichen.

Fluchen und Zaubern

Rabenweib

Active member
Über`s fluchen und zaubern

Erzählungen meiner Großmutter Hermine



Der Lassing-Bauer

Einmal trug es sich zu, dass das Mostbauern-Häusl in Lassing brannte.
Das Feuer war im Stadel ausgebrochen und die Flammen griffen schließlich auf das Wohnhaus über, welches ebenfalls zu brennen begann.
Im Nachbarhaus des Mostbauern-Häusl`s waren zu der Zeit damals viele Holzknechte untergebracht, die dort im Sommer ihr Quartier bezogen.
Die Holzknechte erzählten später, dass sie den Lassing-Bauern – ebenfalls ein großer Bauer in diesem Dorf- gesehen hätten, wie er den Weg hinter dem Mostbauern-Häusl runter ging zum Haus, so wie man ihn damals kannte- mit schwarzer Hose und weißem Hemd, und in die Hemdtasche auf der linken Seite hatte er seinen Stock eingehängt, und in die Brusttasche auf der rechten Seite hatte er den Daumen eingehakt.
Die Holzknechte schauten, wie er hinter dem Mostbauern-Häusl stehen blieb, seinen Stock in die Erde stieß, und mit beiden Händen eine Bewegung vor dem Körper machte, die wohl so viel bedeutete wie: „Jetzt ist Schluss!“
Und da hört es auf zu brennen.
Später ging das Gerücht, dass der Lassing-Bauer gezaubert hätte, der wäre nämlich auf die alte Mostbäurin scharf gewesen, und weil er sie nicht bekommen hat, hat er das Haus in Brand gesetzt und als es ordentlich brannte den Brand mit seinem Zauber wieder abgebrochen.
Das Mostbauern-Häusl hat noch öfter gebrannt, aber wie es nun wirklich war, das wissen nur die Geister.


Der gestohlene Rock

Ein andermal, als das Mostbauern-Häusl brannte, da liefen die Kinder wenige Tage nach dem Brand zum Lassingbauern, und freuten sich recht, weil die alte Lassing-Bäuerin ihnen wunderschönes Gewand schenkte.
Meine Oma bekam damals (da war sie noch ein junges Mädchen) einen traumhaft schönen Rock geschenkt, aus einem Stoff, der nicht knitterte- allerdings viel zu groß für sie war.
Voller Stolz brachte sie ihn nach Hause und zeigte ihn ihrer Mutter, und die nähte ihr daraus ein schönes Kleid.
Als sie am Abend dann mit dem neuen Kleid an ihrer Großmutter vorbeiging, sagte die zu ihr: „Mädl, komm einmal her zu mir!“
Und das kleine Mädchen ging zu ihr hin und zeigte ihr ganz stolz das schöne neue Kleid.
Ihre Oma griff zielstrebig nach dem Saum des Kleides und drehte ihn um, und da war eine verbrannte Stelle zu sehen, die ihre Mutter nach hinten genäht hatte, sodass man sie nicht sehen konnte.
Die Oma fragte daraufhin, woher sie den Rock denn bekommen hätte.
Das Mädchen sagte, dass es den Rock von der alten Lassing-Bäurin bekommen hat.
Da sagte ihre Großmutter: „Weißt, der hat mir gehört.“
Da wussten die beiden, dass jemand vom Lassing-Bauern nach dem Hausbrand aus dem Stadel wo die unverbrannten Dinge zwischengelagert wurden etwas gestohlen hatte.

Die böse Tante

Als meine Großmutter früher noch ein junges Ding war, da hatte sie nicht nur die Mutter zu pflegen, die zu der Zeit schon krank und schwach war (sie starb mit 48 an Gebärmutterkrebs) sondern auch die 11 Geschwister.
Meine Oma wurde also eine richtige Ziehmutter für die vielen Geschwister und ist auch heute noch wie eine „Mama“ für sie.
Ihr Vater war zu der Zeit nicht ganz zurechnungsfähig, weil er viel getrunken hat.
Eines Tages kam die böse Tante zu Besuch. (Die Schwester des Vaters).
Die begann über die sterbende Mutter zu schimpfen und wollte schlimme Dinge über sie erzählen, und nannte meine Oma eine Zigeunerin- was damals als Schimpfwort üblich war, und meinte, dass ja die Mutter auch eine Zigeunerin gewesen sei, und dass meine Oma immer das Haus voller Männer hätte- was erstens nicht gestimmt hat, und zweitens- selbst wenn es so gewesen wäre- die Tante nicht zu interessieren gehabt hätte.
Meine Oma hat sich damals so sehr geärgert über die bösen Worte dieser Frau, dass sie einen Moment lang schwieg, und dann ganz tief aus ihrem Herzen sagte: „Wenn es einen Herrgott gibt, dann wird er Dich für Deine Bosheit bestrafen, dass es rechtschaffen ist!“
Die böse Tante erblindete kurz darauf und lebte noch 20 Jahre blind, bevor sie starb.
 
amch ich gerne, wenn ich welche höre schreib ich sie sowieso auf.
ich habe gerade eine freundin gebeten eine arbeit für mich zu erledigen, die ich leider nicht machen kann: meine oma väterlicherseits hat alzheimer und lebt im altersheim, aber als sie noch alles wusste und aufschrieb, hat sie mir ein hangeschriebenes buch in kurrentschrift hinterlassen, mit hausmitteln, rezepten und so weiter. das buch wird gerade von meiner freundin in bayern übersetzt und gescannt und geordnet, wenn es mal fertig ist hab ich dann ein buch mit fotos, eingescannten originaldokumenten und berichten meiner oma, rezepten und hausmitteln. darauf freu ich mich schon wie blöd.
alles liebe, sonja
 
Feine Sache!
Ich finde aber auch, dass man versuchen soll, die in Kurrent geschriebenen Beiträge selbst zu lesen, da das - wie es geschrieben ist, wie es ausgedrückt wird - weitere Aufschlüsse geben kann. Solche Eigenheiten sagen oft sehr viel über den/ die Schreiber/in aus. Das hab ich zumindest so erfahren.
lg far.a
 
danke für den tipp!
leider hat meine oma das kurrent mit schreibschrift vermischt und es ist wie gesagt handgeschrieben, (in büchern kann ich`s lesen) ich kann da NICHTS entziffern.
die frau die es mir übersetzt ist selber schon an die 70, die kann es SCHWER entziffern, aber sie bemüht sich sehr und gibt es auch wortgetreu wieder.
ich lasse das buch nur für mich, meine mama und meine tochter machen, also drei mal drucken- und es werden leere seiten rein gemacht, damit wir da selber noch was dazu schreiben können.

alles liebe, sonja
 
Bitte entschuldige meine Besserwisserei, aber Kurrent ist eine Schreibschrift und wurde nicht gedruckt.

Die Druckschriftart, die du wahrscheinlich meinst, nennt sich Fraktura.
Diese Schriftart war bis zum 2. Weltkrieg gebräuchlich und wurde dann von den
Nationalsozialisten gegen die in den 20er-Jahren aufgekommene Antiqua, als amtliche Schriftart, ersetzt.
 
Bitte entschuldige meine Besserwisserei,
Bitte ebenfalls darum :)

aber Kurrent ist eine Schreibschrift und wurde nicht gedruckt.
Zumindest Lesebücher für die Volksschule wurden in Kurrent gedruckt:

1909, Rieger/ Habernal/ Kolar "Wiener Lesebuch für das erste Schuljahr"
1923, Kolar /Pöschl "Erstes Lesebuch für die alpenländischen Volksschulen"

Man hatte die Wahl zwischen "Spitzfederschrift in Schräglage" und "steiler Schnurzugschrift"
(Falls Interesse besteht, kann ich dazu ein paar Fotos hereinstellen)

Auch von H.C.Artmanns "med ana schwoazzn dintn" gedichta r aus bradnsee " gibt es Exemplare, die in Kurrent gedruckt sind.
 
Zumindest Lesebücher für die Volksschule wurden in Kurrent gedruckt:
Ja, genau so, wie heute Lesebücher in Lateinschrift zu Lehrzwecken gedruckt werden.
Aber genau wie die Lateinschrift, war auch Kurrent für den Druck nie die Regel.

Auch von H.C.Artmanns "med ana schwoazzn dintn" gedichta r aus bradnsee " gibt es Exemplare, die in Kurrent gedruckt sind.

Keine Regel ohne Ausnahme.
In diesem besonderen Fall, dient die Schrift der Unterstützung des Gedichtbandtitels.
 
Da stimme ich alterego zu. Die Kurrentschrift ist für den Satz denkbar ungeeignet und eine reine Schreibschrift. Die vielen verschiedenen Buchstabenkombinationen (z.B. das st) sind kaum zu setzen.
Schulbücher mussten natürlich hergestellt werden.

Für interessierte habe ich ein kleines Musterblatt angefertigt. Da auch ich nur mehr ganz selten eine Feder in die Hand nimm und mir die Übung fehlt, ist das Schriftbild leider nicht so schön, wie ich es mir gewünscht hätte.
 

Anhänge

  • Kurrent.pdf
    169,5 KB · Aufrufe: 9
Ein Tipp:

Wenn man ein dunkles Blatt Papier (dunkel-rot oder -blau) hinter die zu scannende Seite gibt,
drückt sich die Schrift von der Rückseite nicht so durch.

Übrigens, eine Linzer Oma hatte ich auch, aber die einzigen handgeschriebenen
Bücher, die von ihr geblieben sein könnten, wären ausgefüllte Kreutzworträtsel. :hahaha:
 
Zurück
Oben