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Schwangerschaft und Tod

Hermann Maurer

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Im niederösterreichischen Weinviertel, hier ein Beleg aus Hohenruppersdorf, gibt es die Meinung, dass schwangere Frauen an Begräbnissen nicht teilnehmen sollen. Eine Teilnahme schadet dem Ungeborenen.
(Befragung 2008 durch Prof. Hermann Maurer, Horn)
 
Hallo Hornarum,

diese Vorstellung finde ich in irgendeiner Art und Weise nachvollziehbar.

Es ist aber ein ziemlich beachtliches Ergebnis, das noch heute so ausdrücklich belegen zu können.

Das HDA bringt einen ziemlich umfangreichen Katalog an Vorstellungen, die an die Schwangerschaft geknüpft werden.

In Bezug auf den Tod könnte es einerseits die Vorstellung sein, dass die Schwangere in einem Zustand der Schwäche und Schutzbedürftigkeit sei, aber auch dass das Ungeborene Kind schädlichen Einflüssen ("böser Blick" etc) besonders ausgeliefert sei.

Eine Schwangere darf keiner Hinrichtung, keinem "armen Sünder" nachgehen, mit keinem Toten zu tun haben, keinen Toten sehen und ihm die Augen schließen, keine Kindsleiche tragen, sonst hat das Kind Totenfarbe, kann den Mund nicht schließen, bekommt eingefallene oder blinde Augen oder stirbt. Unglück bringt es dem Kind, wenn die Schwangere an der Tischecke sitzt u.a.m.

Sie muß dafür sorgen, daß die Schwangere nichts Häßliches sieht (man verbirgt vor ihr Gebrechen), sondern sie möge schöne Dinge betrachten, damit sich "die Frucht nach dem Gedankengang der Mutter entwickelt".
(zitiert aus HDA, Schwangerschaft)

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Detaillierte Angaben konnten - wie oft bei archaisch wirkenden Aussagen -keine in Erfahrung gebracht werden. Aber vielleicht kann jemand vor Ort und bei Kenntnis einer redefreudigen Kontaktperson noch Ergänzungen beibringen.
 
Das ist doch alles nur Aberglaube. Wer kann das alles wirklich beweisen? Ich glaube das nicht, sonst wären die Kinder von den schwangeren Frauen im Krieg ja alle Behindert.
 
Ich hab als Kind noch sagen hören, dass sich eine Schwangere nicht vor Schreck ins Gesicht greifen darf, weil sonst das Kind an dieser Stelle ein Feuermal bekommt.
Sicher gibt es um das Thema viel Aberglauben, aber ich finde es bemerkenswert, dass man noch ganz ohne Wissenschaft wusste, dass sich Schwangere nicht bestimmten Situationen aussetzen sollten. Heute, wo man weiß, dass Ungeborene Vieles, vor allem aber die Mutter hören können, ist es keine Frage mehr, was besser ist: wenn die Mutter lacht oder wenn sie weint.
Aber ob die vielen Androhungen - was passiert wenn - und in manche Situation gerät man doch ob man will oder nicht, gesund waren, ist die Frage.
 
Hallo Stanze,

natürlich ist da viel "Aberglaube" dahinter, aber darin spiegeln sich eben die Ängste der Menschen in der früheren Zeit wider. Mir ist jetzt leider der Namen des Herzogs entfallen, der die "Zwergerln" aus dem Salzburger "Zwergerl Garten" entfernen ließ, damit seine schwangere Gattin kein mißgestaltetes Kind bekäme.

Vor ein paar Jahren wurde allerdings ein Forschungsprojekt in Belgien gestartet, wo Frauen aus dem Hungerjahr 1944 und ihre Nachkommen erfaßt/untersucht wurden. In diesem Projekt ist heraus gekommen, dass die Kinder von Frauen die einen lebensbedrohlichen Streß (Hunger) erfahren haben, häufig an Brustkrebs, Herzkreislaufproblemen und Übergewicht erkranken. Dazu wurden dann auch Versuche mit Ratten gemacht.

Das Sensationelle an diesen "Ergebnissen" ist, das wir unser Darwinsches Denken vergessen können, wo wir immer gelernt haben, das nur das was in den Genen liegt weitervererbt werden kann. Diese Studien würden belegen, dass auch starke Eindrücke oder anerlernte Talente Auswirkungen auf das Gengut haben und weitervererbt werden können.

Berit
 
Zur Taufe und den "unaufgesegneten Wöchnerinnen" gibt es natürlich auch sehr viele Sagen. Die Frau Percht, Stampa oder der Teufel, eine Hexe oder sonst ein Dämon kommt und holt sich das ungetaufte Kind oder auch die Mutter.
Daher sollte das "Taufwasser", also das Wasser in dem das KInd nach der Taufe gebadet wurde, unter einem Rosenstrauch - bei einem Mädchen - oder sonstwo am Hof ausgeschüttet werden, denn nur bis dorthin könne das Kind vertragen werden.
Die Mutter aber muß im Wochenbett "bewacht" werden und darf sich nicht einmal am Fenster zeigen, in manchen Gegenden darf sie der Hausarbeit nachkommen, darf aber nicht alleine das Haus verlassen, aber nie nach dem Abendläuten oder vor dem Morgenläuten!

Berit
 
@ stanze:

Das ist doch alles nur Aberglaube.
Ja, völlig richtig. Es sind Vorstellungen von Menschen.
Die Ethnologen beobachten solche Vorstellungen und versuchen dabei diese nicht zu bewerten.

Das für den Ethnologen interessante ist ua. wann diese Vorstellungen wo auftreten, wie sie sich verändern und vieles andere mehr.

Das ich viele dieser Vorstellungen für völligen Unfug erachte, spielt dabei genausowenig eine Rolle, als ich natürlich solche Vorstellungen keinesfalls als richtig propagieren würde.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
ich kenne eine liebe frau aus bosnien, sie ist heilerin in 10.generation und sie schrieb mir vor wenigen tagen erst, daß es bei ihnen tradition ist, daß ein kind nach der geburt sieben tage lang nur zu den engsten verwandten kontakt haben sollte, weil man in den augen der neugeborenen sozusagen "das universum noch sieht" und der böse blick da viel schaden anrichten könnte...
erst nach sieben tagen dürfe man das baby dann auch anderen zeigen.

ich habe das einer freundin erzählt die einen partner im kaukasus hat (muslimisch) und der sagte auch, daß babys bei ihnen erst nach drei tagen dem vater und später der familie gezeigt werden dürften, wegen dem bösen blick.

liebe grüße, sonja
 
Ich habe noch keinen Vater oder Familienangehörigen gesehen die einen Neugeborenen mit bösen Blicken angeschaut haben. Ich glaube auch, daß es sowas in keiner Religion (mit seltenen Ausnahmen) gibt.
 
Wolfgang: Ich erzähle nur , was ich noch von älteren Menschen erzählt bekam.
Ich glaube es auch nicht. Mein Vater nannte es schon: Ammenmärchen.
Allerdings nannte unser Kinderarzt auch das sog. Zahnfieber so. Unser Sohn
fieberte aber wirklich einen Tag beim Durchbruch eines neuen Zahnes, war
dann "verschleimt", weinte u.a. Von den Eltern wurde es als "Zahnfieber"
bezeichnet, so übernahmen wir es. Als wir besorgt (erstes Kind und keine
Erfahrung) den Arzt fragten, bekamen wir diese Antwort. - Dann gab es so
"Fluor" Tabletten, sie wurden jedes Mal ausgebrochen. Als Tropfen ins Baby-
fläschen, ebenfalls erbrochen. Unser Kinderarzt: Es gibt keine "Allergie" o.a.
dagegen. Unser Sohn hat sie jedenfalls nicht "vertragen", wie soll man denn
dafür sorgen, daß ein Kind etwas zwangsweise bei sich behält? Ich vermißte
manchmal unseren alten Hausarzt! Übrigens kann ich z.B. auch keine Fluor-
Zahnpasta ohne Brechreiz ertragen. - Nun bin ich (wieder) vom Thema abgeschweift. - Ich glaube, daß eine Wöchnerin im Haus bleiben mußte war auch
Schutz für sie vor ansteckenden Krankheiten. Denn früher war es schlimmer
als Heute, wenn man sich etwas "einfing", es gab ja kaum Medikamente.
Für das seelische Befinden einer Schwangeren ist eine Beerdigung auch
nicht förderlich, außerdem war es vielleicht auch noch eine Kleiderfrage, denn
so tolle Kleidung für werdende Mütter wie Heute gab es nicht.
- Nur mal so einige Gedanken, die mir durch den Kopf gingen. - Ulrike
 
Berit: Mir ist jetzt leider der Namen des Herzogs entfallen, der die "Zwergerln" aus dem Salzburger "Zwergerl Garten" entfernen ließ, damit seine schwangere Gattin kein mißgestaltetes Kind bekäme.
Das war Kronprinz Ludwig von Bayern, der während der bayerischen Besetzung Salzburgs 1810 bis 1815 im Schloss Mirabell residierte.
 
Es ist völlig klar.
Das ungeborene Kind spürt natürlich sehr genau
die Gemütslage seiner Mutter. So werden sich pränatal
erfahrene Trauer, Verzweiflung oder Zorn natürlich
nicht positiv auf diesen heranwachsenden Menschen auswirken.

Der hier geäußerte Ansatz scheint mir aber doch etwas
mittelalterlich zu sein.
 
Ergänzend sei noch mitgeteilt, dass ich zuerst auf diese Ansicht (eine schwangere Frau soll an einem Begräbnis nicht teilnehmen) durch eine aus dem oberösterreichischen Mühlviertel stammende schwangere Frau hingewiesen wurde, die auch noch anmerkte, dass sie diese Anschauung aus ihrer oberösterreichischen Heimat nicht kenne und diese erst im Weinviertel kennenlernte!
 
@stanze: nicht die eltern oder großeltern, sondern aussenstehende leute sollen das baby nicht vor dem siebenten lebenstag zu sehen bekommen wegen dem bösen blick! (dabei ist neid gemeint, sowie böse wünsche, eben alles was man so von nachbarn die einen nicht mögen abkriegt, von leuten die lästern oder falsch sind...)
auch in mexiko ist man der meinung, daß neid töten kann. die curanderos dort haben jede menge damit zu tun, neider (energetisch) abzuschneiden.
und "giftpfeile" kennen wir ja auch. wenn jemand "mit blicken töten könnte" oder einen "stachel im herzen" hat der weh tut, usw...
das alles sind "energetische verletzungen" die wohl gemeint sind.
und wenn einem jemand das kind nicht gönnt, dann schaut er es mit neid an. oder mit sonstigen schlechten gefühlen/ wünschen/ gedanken...
 
Danke Sonja für die Aufklärung. Das habe ich leider falsch verstanden. Ich kenne solche Sitten nicht und bei uns wird auf so was nicht geachtet. Das Sprichwort;"Andere Länder andere Sitten" behauptet sich immer wieder.
Liebe Grüße Sepp
 
hallo,
eigentlich bin ich auch der meinung, dass das alles aberglaube ist. ich komme aus kasachstan und bei uns wird geglaubt, dass eine schwangere frau sich auf keinen fall die haare schneiden darf. wer weiß schon warum!?! natürlich haben sich nicht alle daran gehalten und ihre kinder sind trotzdem gesund zur welt gekommen. doch eins ist mir in erinnerung geblieben: eine freundin von meiner mutter war im sechsten monat schwanger und hat einen unfall gehabt, bei dem ihr ein nagel ins knie gerammte wurde. dieser wurde zwar entfernt und es ging ihr gut, doch als ihr kind geboren wurde, hatte der junge am kind genau an der gleichen stelle am knie so eine komische delle, die bis heute nicht weggegangen ist. und das bestätigt einen aberglauben, der besagt, dass die mutter sich schonen soll, um sich bloß nicht zu verletzen. ein fall, bei dem sie sich den kopf stößt, kann beim kind geistige behinderungen verursachen.
also ich hatte schon gänsehaut, als ich von der sache mit dem knier erfuhr, aber trotzdem glaube ich nicht daran, dass das kind durch jede verletzung der mutter in irgendeiner weise beschädigt werden könne.
 
der "böse blick" wird nicht nur durch negatives übertragen, wie zum beispiel neid oder böses angucken. sondern er wird auch durch zu viel gut gemeintes übertragen. zum beispiel ein kind zu sehr loben oder bewundern. auch davor versucht man das kind, und später sich selbst, zu schützen.

lg
 
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