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Die Störschuster (in Kärnten)

Noch vor wenigen Jahrzehnten wurden auf unseren Berghöfen viele Bedarfsartikel der Bauern durch die „Störarbeit“ fleißiger Handwerker hergestellt. Schuhmacher und Schneider, Weber und Näherinnen zogen früher jahraus, jahrein von Haus zu Haus, und oft war das Jahr für unsere braven Handwerker zu kurz, um alle Aufträge fristgemäß zu erledigen. Schwer waren damals die Pflichten der Handwerker, doch es gab dabei auch sehr viel Abwechslung und Humor.

Mein Nachbar, ein in Ehren ergrauter Schuhmacher namens Konrad Penker, zählte zwischen den beiden Weltkriegen zu jenen Störschustern, welche in Kaning und Schwarzwald, am Mitterberg und Laufenberg unsere Bauern mit dem nötigen Schuhzeug versorgten. Von ihm erfuhr ich einige Geheimnisse der Störschuster.

Schon am Sonntag wies der Meister in seinem sonnigen Heim in Kaning den Lehrbuben an, alles für die nächste Stör vorzubereiten. Und der Lehrbub tat willig, was man ihm befahl. Bereits am Nachmittag trug er den 35 kg schweren Maschinkopf auf dem Rücken in das betreffende Bauernhaus und kündigte das Kommen der Störschuster an. Damals trieb der Meister seine Maschine noch mit der Hand, daher brauchte er kein Untergestell. — Am Abend legte der Lehrbub alles Werkzeug zurecht, dass sich am frühen Montagmorgen die Gesellen und der Meister ganz rasch damit beladen konnten. Bereits um halb fünf Uhr weckte der Meister sein Gefolge, und eine halbe Stunde später wanderte man los.

Auf dem Wege zur Stör hatte der Lehrbub am meisten zu schleppen. In einem Rucksack trug er einige Kilogramm Holznägel in allen Stärken, das Schusterpech — selbst bereitet aus Fichtenharz und Fett —, die Schuhplattlan für alle Schuhgrößen, Schuhschwärze, das gesamte Ausputzzeug, die eisernen Elzen als Ristauflage für die Leisten, Schusterzwirn und Drahtgarn, große Holzklemmen für die handgenähten Schuhe und seine eigene vollgestopfte Handwerkstasche, mitunter sogar noch eine Serie Leisten. Der arme Kerl, der manchmal nicht viel größer als ,,a Schualerbua“ war, hatte auf diese Weise etwa 25 Kilogramm zu schleppen. Die Gesellen waren mit Leisten und ihrer Handwerkstasche beladen, während der Meister das Werkzeug zum Zuschneiden und verschiedene Muster mit sich trug.

Die Störschuster wurden in der Regel im Bauernhaus freudig empfangen. „Håma wohl schoan hart gwårtet af enk", begrüßte sie der Bauer und wies ihnen einen Platz für ihre Arbeitsstätte an. Gewöhnlich war es eine helle Ecke in der Küche oder gar in der anschließenden Kachelstube, manchmal auch in einer freien Kammer oder auf dem „hoachen Boden“ unter dem Dach, wo es zwar hell und geräumig, aber zu luftig war. Nachdem die Störschuster ein schmalziges Frühstück erhalten hatten, nahm der Meister Maß von allen Füßen. Die Gesellen zerrissen dieweil die alten, unbrauchbaren Schuhe — die Belegtscherfel —, und der Lehrbub musste die Teile in einer kleinen Wanne sauber waschen, damit sie als Zwischenleder wieder verarbeitet werden konnten. Für diese „Tscherflarbeit“ erhielt der Meister zusätzlich einen Laib Brot, welcher am Wochenende mitgenommen wurde.

Nach dem Essen bestellte der Bauer das Schuhzeug für seine Familie und für das ganze Gesinde. Alle Dienstboten erhielten zwei Paar „dicknahtige“ Schuhe aus Rindsleder, ein Paar Sonntagsschuhe aus weicherem Leder und die Oberteile für ein Paar Zockel. Diese mussten die Dienstboten meist auf eigene Kosten anfertigen lassen. Nur besonders großzügige Bauersleute ließen auch die Zockel auf der Stör fertig machen. Die Kinder bekamen ein Paar „dicknahtige“ Schuhe und ein Paar Sonntagsschuhe aus weichem Kalbsleder. Für die Bauersleute selbst wurden ein Paar „Dicknahtige“ und ein Paar Sonntagsschuhe aus Boxleder angefertigt. Für die „Flickarbeit“ durften die Dienstboten ein Paar Schuhe zum Besohlen und ein Paar zum Flicken bereitstellen.

Nun holte der Bauer aus einer großen Truhe Leder und Sohle, die er bei einem Gerber, den es damals in fast jedem größeren Dorfe gab, aus Häuten seiner geschlachteten Rinder herstellen ließ, sowie Schafsleder, Reisten und Rupfen für das Unterfutter. Der Lehrbub erhielt von der Bäuerin Weizenmehl für den „Papp“ — Kleister —, Schmer zum Einfetten der Schusterhände, Hauszwirn zum Herstellen des Schusterdrahtes, Wachs und Sauborsten, welche die Nadel ersetzen mussten.

So vorbereitet und ausgerüstet, hämmerten und nähten die Störschuster nun lustig drauflos, im Sommer von fünf Uhr morgens bis acht Uhr abends. Die Arbeitszeit dauerte tatsächlich 15 Stunden und war nur durch fünf Mahlzeiten unterbrochen. Nach diesem langen Tagewerk musste der Lehrbub noch die Werkstatt ordnen und das „Woackwåsser“ — das Wasser zum Aufweichen der Sohle — in einer kleinen Wanne für den nächsten Tag bereitstellen. Die Schuhmacher, die meistens eine Woche auf einer Stör weilten und 35 bis 42 Paar Schuhe machten, gehörten während dieser Zeit ganz zum Hause. Sie setzten sich um sechs Uhr morgens mit den übrigen Leuten an den großen Küchentisch, um Milch und Sterz zu frühstücken. Sie erhielten am Vormittag und Nachmittag eine kräftige Jause, bestehend aus Speck, Wurst, Butter und „harbem Kas“. Sie rückten zu Mittag wieder neben das Gesinde an den Tisch, und nur am Abend aßen sie bereits um 18 Uhr allein, eine Stunde früher als die Hausleute.

Also über Hunger brauchten sich die Störschuster wahrlich nicht zu beklagen. Schlimmer stand es manchmal mit dem Nachtlager. Ab und zu wusste eine Bäuerin nicht recht, wohin sie die „Hantierer“ betten sollte. Nicht immer war in einer Stube für sie Platz. Darum standen die Störbetten mitunter in der kühlen „Kömatn“ (von Kemenate = Vorratskammer), auf dem Gang im ersten Stock, auf dem Dachboden, auf der Tenne oder gar im Stall. Die Störschuster waren nicht wählerisch, doch jenen Stall vergaßen sie nicht, wo sie im Schlafe von einer Sau beschnüffelt worden waren, die aus ihrem Stall ausgebrochen war. Damals hatten sie das provisorische Bett geräumt und waren in das Heu hinaufgestiegen.

Wie im Fluge war eine Woche vorbei, und der Meister konnte einen ansehnlichen Lohn für seine Störarbeit entgegennehmen. Im Jahre 1911 bezahlten die Bauern im Nockgebiet für ein Paar „dicknahtige“ Schuhe zwei Kronen und fünf Heller, für ein Paar Sonntagsschuhe zwei Kronen siebzig Heller und für ein Paar Kinderschuhe zwei Kronen dreißig Heller an Arbeitslohn. — Der Meister zahlte an seine Gesellen pro Kopf und Woche acht Kronen bei voller Verpflegung und freier Unterkunft. Damals kostete ein Packerl Pfeifentabak acht Heller, das gegenwärtig mit 6.— S zu bezahlen ist. Das Nettoeinkommen eines Schustergesellen betrug also vor 60 Jahren pro Woche den Wert von etwa 100 Päckchen Tabak.

Die Störschuster waren nicht schlecht bezahlt. Doch ihre lange Arbeitszeit, die allerdings im Winter „nur“ von 6 Uhr bis 18 Uhr dauerte, würde gegenwärtig mit ihnen wohl niemand mehr teilen. Und trotzdem waren sie zufrieden, und aus ihrer Seele sprudelte viel Humor. Sie wussten in wenigen Jahren um alle Geheimnisse ihres Wirkungsbereiches, um die sie so mancher Mitbürger beneidete. Sie sahen und hörten in jedem Haus so viel, dass ihre Erinnerungen ein ganzes Büchlein füllen würden.

Die Störschuster waren jedoch anständig und schwiegen, um die Leute nicht „durcheinanderzubringen“. — Aber sie wussten, wo in den Knödeln die meisten und größten Speckwürfel und Wurststücke steckten, dass diese ganz „huaggat“ waren, wo es den besten Speck gab und wo man den schmalzigsten Sterz aß. Sie wussten aber auch, wo die meisten „Russen“ — Käfer — den Herd belagerten, wo die Flöhe die Arbeit störten oder gar Wanzen in den Bettklüften lauerten. Sie vergaßen auch nicht, wo „Würmer“ — Maden der Fleischfliege — auf der Suppe schwammen und sie waren Zeugen so manches nächtlichen Liebesgeheimnisses, wenn die „Brentlerbuabm“ an die Fenster schlichen. — Doch die Störschuster schwiegen über alle diese Dinge, denn Schweigen war Ehrensache.

Quelle: Matthias Maierbrugger, Bauernbrauch im Kärntner Nockgebiet, Klagenfurt 1974, S. 114 - 119.


Bildanhang: Konrad Penker, von 1919 bis 1960 Schuhmachermeister in Kaning, arbeitete in seinen jungen Jahren noch als Störschuster bei den Bergbauern in seiner Umgebung.

Vielleicht wissen noch Leser über weitere Berufe auf der "Stör"?

Wolfgang (SAGEN.at)
 

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Schneider und teilweise auch Riemer und Sattler sowie Schmiede zogen von Hof zu Hof. Größere Bauernhöfe hatten sogar dafür eingerichtete Werkstätten, wo übers Jahr kleine Reperaturen durchgeführt wurden.
Heute haben sich Hufschmiede mit kompletter fahrbarer Wekstatt darauf spezialisiert, von Hof zu Hof oder Reitställe zu fahren. Wandersägen und zur Zeit ganz populär sind Holzschnitzelschredder auf den Höfen unterwegs. Also ganz ausgestorben ist die Stör noch nicht, geändert
hat sich nur auf Grund der Mobilität und Technik, dass kaum mehr auf den Höfen genächtigt wird.
 
Sicher keine Stör im eigentlichen Sinn, aber wir hatten früher im Ort einen "Holzschneider", der auf seinem Traktor eine Kreissäge montiert hatte und zu den Leuten Holz schneiden kam. Früher konnte man das Holz nur in Meter-Scheiter kaufen und wer keine eigene Säge hatte und es mit der Handsäge zu mühsam war, konnte ihn bestellen...
 
Wow, das ist ja ein klasse Bericht. Großes Kompliment, total spannend und Einblicke die man heutzutage nirgends mehr kriegt so.
*applaus*

Über die Stör weiß ich ledier GAR NIX.

Liebe Grüße, Sonja
 
Mein Vater war früher so ein "Dorf Holzschneider". Er hatte als einziger eine Kreissäge und einen Dieselmotor auf Rädern, ein ziehmlich großes Drum.
Gezündet wurde der Dieselmotor mit einen sogenannten "Zündwutzel". Das war ein Watte ähnliches, zusammen gewutzeltes rot-weißes Ding. Vorne hatte der Dieselmotor eine Kurbel wie bei einem alten Steyr Traktor.
Da früher viel mit Holz geheizt wurde,hatte er auch sehr viel Arbeit.
 
Zündstäbchen (Zündfix, Zündwutzel oder Tschick) wurde zum Starten des Dieselmotors gebraucht. Sozusagen der Vorgänger der Glühkerze zum Vorglühen.
Das aus Zellulose gepresste Zündfix hatte die Form eines Zigarettenfilters (Tschick), etwa 2 cm lang und in den Größen 5,6,7,8 mm.
Eine Hälfte war in Schwefel getunkt zum Zünden. Sie wurden in die dafür vorgesehene Öffnung im Motor gesteckt, und durch die Kompression beim Ankurbeln des Motors gezündet. Dadurch konnte das Kraftstoffgemisch gezündet werden.

Am Foto ein 6 mm Zündfix für die alten Jenbacher-Kompressoren. Es sieht nur so aus wie ein...:smi_schnu
 

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Super und Danke Sigi.
Ich konnte so ein Ding nicht auftreiben.
Wo hast du das her?
Ich dachte das gibs nicht mehr.
 
Wir haben zwar die alten Kompressor nicht mehr, aber noch ein paar Dosen Zündfix im Lager. war selber überrascht.
In der Oldtimerszene wird noch damit gehandelt.

 
Toll Sigi
Ich danke dir noch ein mal, du hast mich jetzt in meine Kindheit zurück versetzt.
Ich sah direkt meinen Vater, wie er seinen Motor startete und immer stolz war, das er so gut läuft. Wie er mir erklärte, was es mit den "Zündwutzel" auf sich hatte. Holz war sein Lebenselixier. Er sagte immer: "Holz kann man nie genug haben."
Liebe Grüße
 
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