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Wer kennt die Berufsbezeichnung bzw. die Tätigkeiten eines Mühlzurichter?

Nun, die Berufsbezeichnung "Mühlenzurichter" konnte ich auf die Schnelle nirgends finden - was allerdings nicht heißt, dass es sie doch gab/gibt.

Eine gute Quelle ist hierfür jedenfalls "Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm" - dieses verweist unter "zurichten" auf die Verwendung in Verbindung "von Getreide" sowie "Mühlen" ... eventuell hat sich aus den Kombinationen diese (interne?) Bezeichnung des "Mühlenzurichters" ergeben?

Wortteil "Zurichter":

Vielfach in der Sprache der verschiedenen alten Gewerbe zu finden. So ist der Zurichter bei den Köhlern der, der den Platz für den Meiler herrichtet und das Holz aufsetzt. Der Köhler selber überwacht den Vorgang über die Zeit.
Als allgemeines Betriebswort bezeichnet es den "fliegenden Maschinenmeister", der in der Lage ist das Gerät für die kommende Aufgabe vorzubereiten.

Ich selber kenne den "Einsteller" aus der Dreherei - kein Lehrberuf, aber entspräche genau dem "Zurichter" in alter Zeit. Der Einsteller stellt die Drehbank ein (Messer, Geschwindigkeit, Material etc) jedoch ein Dreher (oder eine Hilfskraft bei Automatendreherei) führt die Arbeit über die Zeit durch. Was heißt: dass dem entsprechend der "Zurichter" die Mühle vorbereitet = einstellt = zurichtet, aber der "Müller" den Mahlvorgang durchführt oder seine "Müllersburschen" anleitet.

Aus den alten Lexika:

zurichten (auch "vorbereiten"):

etwas für einen besonderen Zweck verwendbar machen, ähnlich einrichten und herrichten - wobei herrichten früher auch für reparieren stehen konnte.

Also wird die Deutung wohl richtig sein:

Die Person, welche eine Mühle für die zu verrichtende Arbeit vorbereitet bzw. einstellt

Einrichten (!) der Wasserzufuhr, Regelung (Stärke) des Wasserzulaufes, verschiedene Mahlgeschwindigkeiten, aber auch verschiedene Ausgangsprodukte bzw. Güte, Qualität und/oder Feinheit des Endprodukts können ja stark variieren und somit verschiedene "Einstellungen" erfordern. Auch die Reinigung kann zu diesen Tätigkeiten gehören, um ungewolltes Vermischen/Verunreinigen von Endprodukten zu vermeiden - jedoch würde ich Letzteres schon dem Müller oder seinen Müllersburschen zuordnen. Ansonsten noch Wartungsarbeiten an Lagern (Schmierung), Lederriemen (Transmission), Zu- und Abfuhrleitungen etc. etc.

Hinweis: in neueren Großbetrieben findet sich noch der "Mühlenbescheider" ... jener der Bescheid weiß, also der Obermüller oder Mühlenwerkführer, früher daher der oberste Mühlenbursche ....

Ich hoffe damit helfen zu können.

Liebe Grüße aus dem Mostviertel ins Ennstal :)

Norbert
 
Bitte auch noch berücksichtigen:

Eine Mühle mahlte früher nicht nur Korn, sondern es konnten viele verschiedene andere Tätigkeiten durch die Mühle erledigt werden:
außer "mahlen" konnte sie auch stampfen, sägen, pumpen, über Riementriebe bzw. Transmissionen Schmiedehämmer betreiben, Wasser pumpen und vieles mehr ... es scheint daher auch logisch, dass verschiedene Mühlen verschiedene Anforderungen bedingten, die eben das Zurichten durch eine kompetente Person erforderten ....

LG N
 
Bitte auch noch berücksichtigen:

Eine Mühle mahlte früher nicht nur Korn, sondern es konnten viele verschiedene andere Tätigkeiten durch die Mühle erledigt werden:
außer "mahlen" konnte sie (...) Transmissionen Schmiedehämmer betreiben,

LG N
Absolut. Und das ist heute vielfach in Vergessenheit geraten. Im Rintelner Stadtteil Exten (Landkreis Schaumburg) gibt es einen der ganz wenigen heute noch erhaltenen und betriebsbereiten Eisenhämmer. Dort wurden noch bis 2004 von einem Familienbetrieb Gartengeräte hergestellt.


Heute ist der Untere Extener Eisenhammer ein Industriemuseum. Die Vorführungen, die es dort an Öffnungstagen z.T. gibt, sind beeindruckend.
 
Die Person, welche eine Mühle für die zu verrichtende Arbeit vorbereitet bzw. einstellt

Einrichten (!) der Wasserzufuhr, Regelung (Stärke) des Wasserzulaufes, verschiedene Mahlgeschwindigkeiten, aber auch verschiedene Ausgangsprodukte bzw. Güte, Qualität und/oder Feinheit des Endprodukts können ja stark variieren und somit verschiedene "Einstellungen" erfordern. Auch die Reinigung kann zu diesen Tätigkeiten gehören, um ungewolltes Vermischen/Verunreinigen von Endprodukten zu vermeiden - jedoch würde ich Letzteres schon dem Müller oder seinen Müllersburschen zuordnen. Ansonsten noch Wartungsarbeiten an Lagern (Schmierung), Lederriemen (Transmission), Zu- und Abfuhrleitungen etc. etc.

Hinweis: in neueren Großbetrieben findet sich noch der "Mühlenbescheider" ... jener der Bescheid weiß, also der Obermüller oder Mühlenwerkführer, früher daher der oberste Mühlenbursche ....

Ich hoffe damit helfen zu können.

Liebe Grüße aus dem Mostviertel ins Ennstal :)

Norbert
So ein "Einrichten" ist eine hoch komplexe Angelegenheit. Sie setzt nicht nur genaueste Produktkenntnisse und Kenntnisse über unterschiedliche Qualitätsanforderungen beim Endprodukt voraus, sondern auch solide technische Kenntnisse über die Funktionsweise und Bedienung der Anlage.
Das Müllerhandwerk der Neuzeit war schon immer sehr viel mehr, als das Ricke-Racke-Ricke-Rack, wie es Wilhelm Busch beschrieben hat. Der Müller musste Korn in der vom Kunden verlangten und mit ihm vereinbarten Qualität verarbeiten. Sonst gab es Abzüge. Im Laufe der Jahrhunderte sind dann - v.a. ab der Industrialisierung - die Anforderungen immer höher geworden.
In Wichtringhausen gibt es übrigens eine Windmühle, die bis 1989 noch als Windmühle im tagtäglichen Betrieb war. Das Gebäude stammt aus dem 19. Jahrhundert. Wer ins Innere kommt, ist überrascht. Denn die Flügel treiben dort keine klassische Mühle mit Mühlsteinen und dem berühmten Korntrichter an. Man findet eine moderne Industriemühle vor, die so angelegt ist, dass sämtliche Mehlqualitäten nach DIN-Norm produziert werden können. Wer zum ersten Mal die Mühle betritt und bisher nur Mühlen aus Freilichtmuseen kennt, ist erst einmal erschlagen von der hochkomplexen technischen Anlage, die man dort vorfindet.


Und wie sich die Zeiten ändern: heute sind die Betriebsleiter solcher Anlagen in der Regel nicht mehr Müllermeister, sondern Ingenieure.
 
Nun, die Berufsbezeichnung "Mühlenzurichter" konnte ich auf die Schnelle nirgends finden - was allerdings nicht heißt, dass es sie doch gab/gibt.

Eine gute Quelle ist hierfür jedenfalls "Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm" - dieses verweist unter "zurichten" auf die Verwendung in Verbindung "von Getreide" sowie "Mühlen" ... eventuell hat sich aus den Kombinationen diese (interne?) Bezeichnung des "Mühlenzurichters" ergeben?

Wortteil "Zurichter":

Vielfach in der Sprache der verschiedenen alten Gewerbe zu finden. So ist der Zurichter bei den Köhlern der, der den Platz für den Meiler herrichtet und das Holz aufsetzt. Der Köhler selber überwacht den Vorgang über die Zeit.
Als allgemeines Betriebswort bezeichnet es den "fliegenden Maschinenmeister", der in der Lage ist das Gerät für die kommende Aufgabe vorzubereiten.

Ich selber kenne den "Einsteller" aus der Dreherei - kein Lehrberuf, aber entspräche genau dem "Zurichter" in alter Zeit. Der Einsteller stellt die Drehbank ein (Messer, Geschwindigkeit, Material etc) jedoch ein Dreher (oder eine Hilfskraft bei Automatendreherei) führt die Arbeit über die Zeit durch. Was heißt: dass dem entsprechend der "Zurichter" die Mühle vorbereitet = einstellt = zurichtet, aber der "Müller" den Mahlvorgang durchführt oder seine "Müllersburschen" anleitet.

Aus den alten Lexika:

zurichten (auch "vorbereiten"):

etwas für einen besonderen Zweck verwendbar machen, ähnlich einrichten und herrichten - wobei herrichten früher auch für reparieren stehen konnte.

Also wird die Deutung wohl richtig sein:

Die Person, welche eine Mühle für die zu verrichtende Arbeit vorbereitet bzw. einstellt

Einrichten (!) der Wasserzufuhr, Regelung (Stärke) des Wasserzulaufes, verschiedene Mahlgeschwindigkeiten, aber auch verschiedene Ausgangsprodukte bzw. Güte, Qualität und/oder Feinheit des Endprodukts können ja stark variieren und somit verschiedene "Einstellungen" erfordern. Auch die Reinigung kann zu diesen Tätigkeiten gehören, um ungewolltes Vermischen/Verunreinigen von Endprodukten zu vermeiden - jedoch würde ich Letzteres schon dem Müller oder seinen Müllersburschen zuordnen. Ansonsten noch Wartungsarbeiten an Lagern (Schmierung), Lederriemen (Transmission), Zu- und Abfuhrleitungen etc. etc.

Hinweis: in neueren Großbetrieben findet sich noch der "Mühlenbescheider" ... jener der Bescheid weiß, also der Obermüller oder Mühlenwerkführer, früher daher der oberste Mühlenbursche ....

Ich hoffe damit helfen zu können.

Liebe Grüße aus dem Mostviertel ins Ennstal :)

Norbert
"rüsten" wird in dem Zusammenhang auch verwendet, wenn Maschinen oder Anlagen für bestimmte Verfahren und Prozesse hergerichtet, eingerichtet, aufgebaut oder eben ausgerüstet werden. Um dies zu ermöglichen verwendet man Rüstzeug, Hilfsmittel und Werkzeuge aber auch Können und Wissen. Sogar der Altar einer Kirche wird vor der hl. Messe gerüstet.
 
Unter dem Handwerk „Mühlzu[a]richter“ versteht/verstand man einen Mühlenbauer, der diese errichtet und wartete. Bei uns in Oberbayern. z. T. auch als „Mühlarzt“ bezeichnet. Neudeutsch würde wohl die Berufsbezeichnung Anlagen-/Maschinenbauer am ehesten zutreffen. Tipp: STADLER, Mühlen – Sägen – Schmieden – Stampfen, S. 20 [PDF unter https://www.google.com/url?sa=t&rct...usg=AOvVaw2JoAa70LUpN-1mFEpCqE3-&opi=89978449 ] Es war durchaus ein Lehrberuf, s. https://www.bavarikon.de/object/bav:BSB-MDZ-00000BSB10343055?p=19&cq=Mühlzurichter&lang=de oder https://levrai.de/themen/windmuehlen/windmuehlen_technik/Muehlenbauer.htm
 
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