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Das Gold im Grabawasserfall (von meinem Vater erzählt)

dietli

New member
"Vorausschicken muß ich, daß Graba bestimmt nichts mit graben zu tun hat, daß die Deutung "Sand, Geschiebe, Schutt" zu bezweifeln ist und schon eher ein Zusammenhang mit Grawand, einer in den Alpen öfter vorkommenden Ortsbezeichnung, das aber wiederum nichts mit Wand zu tun hat, besteht. Grawand dürfte aus weit vorrömischer Zeit stammen.
Vor vielen Jahrhunderten fanden sich fünf junge Burschen auf der Grabaalm zusammen. Dort hatte sich nämlich ein Venedigermanndl eingenistet, was ein Anzeichen dafür ist, daß in der Nähe eine Goldader zu finden war. Die Burschen wollten dem Venedigermanndl auflauern und ihm das Gold streitig machen; wenn sie aber erwachten oder auch wachten, das Manndl hatte sich bereits mäuschenstill davon geschlichen. Der Wasserfall rauschte so laut, die Hammerschläge im Stollen waren übertönt, sie fanden nicht den versteckten Stolleneingang des kleinen Glodsuchers.
Also mussten sie selbst einen Stollen ansetzen, gleich neben dem Wasserfall, und bald waren sie mit Fleiß tief in den Berg eingedrungen. Das Gestein war wahrlich hart zu spalten.
Einer der fünf Burschen schaute der fleißigen und sauberen Dirn, die auf der Alm aushalf, gar zu gern nach, unterhielt sich mit ihr, und beim Abendessen, wenn es Mehlmuß gab, leitete er das darauf schwimmende Schmalz zu ihr hinüber. Er spürte, daß ihn die Dirn auch gern sah und ihn wohl leiden mochte. Aber sooft er auch drum herum redete -in die Kammer ließ sie ihn nicht. Sie blieb standhaft -das waren noch Zeiten!
An einem Abend kamen die Burschen aufgeregt von der Arbeit zurück. Im Berg, vor Ort, waren sie auf ein Loch gestoßen, aus dem ein eisiger Wind blies und ihre Talglichter auslöschte. Im Dunkeln sahen sie zwei glühende Augen und ein grausiges Gebrüll hallte ihnen entgegen:"Gold meiniges! Nit deiniges! Megsch es habn, bisch begrabn!"
Da schlotterten alle wohl in den Knien. Seine Angst einzugestehen, hatte aber auch keiner den Mut. Sollten sie jetzt aufgeben? Wo das Gold vor ihnen liegen musste? Und Angst vor dem Manndl haben? Als sie den Stollen verließen, versprachen sie sich in die Hand: Wir machen weiter! Morgen holen wir uns das Gold! Aber ganz wohl war keinem zu Mute. Beim Abendbrot ging das Gerede weiter hin und her.
Die gute Dirn hatte zugehört und hatte Angst, ihren lieben Buben zu verlieren. Mit einem Venedigermanndl ist nicht zu spaßen. Sie war verzagt und dachte hin und her. Und als die Burschen auf den Heuboden zum Schlafen stiegen, da hatte sie einen roten Kopf, stupfte ihren Buben und flüsterte: "Kommst no a bissl zu mir-?"
Das Dirndl wollte, daß er am Morgen verschlief und die anderen ohne ihn in den Stollen einsteigen sollten. Denen hatte sie ganz erfolglos auch zugeredet. Und wirklich, der Bub wachte erst auf, als draußen ein Unwetter tobte, ein furchtbares Getöse anhub. Er sprang auf und schrie, er habe sein Wort gebrochen, und er rannte ins Unwetter hinaus -aber kam nicht weit. Der Steg über den tobenden Bach war weggerissen, Felsbrocken sausten durch den Wasserfall bis knapp vor seine Füße, und der Wasserfall hatte seinen Lauf geändert, er ergoss sich über den Stolleneingang. Wer da drinnen im Stollen war, der war jämmerlich ertrunken.
Der Senner, der mir als 19-jährigem Bergsteiger und Mitarbeiter am Bau des kleinen Wasserkraftwerkes bei der Sulzenauer Hütte diese Geschichte mit noch vielen Ausschmückungen erzählt hat, meinte am Schluß: "Sigscht, a bravs Madl sogt Na - lei wenns um Leben und Tod geat, nochar - woasch eh...!"
Wer heute die Grabaalm und die märchenhaft schöne Sulzenau besucht, wird leicht erkennen, daß ein mächtiger Bergsturz tatsächlich irgendwann den Lauf des Wasserfalls verändert haben muß. Vor wenigen Jahren hat man unterhalb der Grabaalm in einer tauenden Lawine einen Holztrog gefunden, so einen, wie er für die Goldbrünndln verwendet wird. Nicht weit davon liegt der Goldschrofen. In einer geognostischen Landkarte von Blaas ist nahe der Sulzenau das Zeichen für Gold, mit einem Fragezeichen versehen, eingetragen. Und doch scheint mir fraglich, ob in diesem Gebiet je Gold gefunden worden ist.
Es gibt Abende, an welchen die Sonne im Gischt und in den Felsen des Grabafalls spielt, daß man staunend vor diesem golden scheinenden Naturwunder steht."
 
Hallo Dietli,

eine tolle Erzählung - Danke für's Mitteilen!

Eine Frage dazu:
kannst Du diese Erzählung noch ein bischen besser örtlich zuordnen?
Ist das die Sulzenau-Alm im Stubaital, Tirol?
(bei der ich vor vielen Jahren selber schon ziemlich erfolgreich Gold gewaschen habe!)

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Bravo, Dietli!
Eine wunderbare Erzählung. Damit erwacht jenes Gebiet aus einem tiefen (dornröschen-)Schlaf.
Wenn man mit solchen Geschichten angereichert durch das eigene Land spaziert, so spürt man, dass auch im eigenen Gebiet "Geschichte und Geschichterln" sind bzw. sein können. Dies ermuntert wieder einen wie mich, sich auf die Socken zu machen und zu recherchieren!!!
lg far.a
 
Ich möcht mich dem Lob anschließen und anmerken, dass noch so viele gedruckte und gesammelte und digitalisierte Sagen verblassen neben dem Reiz einer aktuell erzählten, die von Ausdruck, Mundart und Lebensumgebung geprägt ist!
Was uns andererseits aber nicht abhalten sollte, weiterzusammeln, zu digitalisieren ;-)
Aber wir alle sollten jede Gelegenheit wahrnehmen, Sagen auch mündlich weiterzuerzählen und uns nicht nur auf professionelle Märchenerzähler verlassen! Auch die haben nur begrenzte Kapazitäten ...

Bravo Dietli und weiter so!

Norbert aus'm Steyrtal
 
Bin ganz gerührt über das Lob zu dieser Geschichte! Es ging mir darum, meinem Vater, der mit brennendem Herzen Tiroler war und der am 10.10. seinen 101. Geburtstag gehabt hätte, ein Minidenkmal zu setzen. Übrigens ist er noch bis in seine späten 70er in den Stubaier Höhen herum gekraxelt, um nach Stollen und anderen Überresten mittelalterlicher Erzförderung zu suchen. Die Frage nach einer genaueren Lokalisierung verstehe ich nicht. Es ist der Wasserfall gemeint, der sich bei der Grabaalm befindet. Von dort steigt man zur Sulzenauer Hütte auf.
 
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