Mörtelweiber
Zu den heute untergegangenen Berufen zählt wohl auch der des Mörtelweibes. Diese rührten den Mörtel an und schleppten diesen in schweren Kübeln oder Tragen zu den Maurern hinauf, oft in den 5.oder 6.Stock hinauf.
„In der Baubranche waren seit Ende des 19.Jahrhunderts viele Frauen als Bauhelferinnen tätig. Als „Mörtelweiber“ mischten und transportierten sie Mörtel, Steine und andere Baustoffe auf den Baustellen, als Arbeiterinnen waren sie in Ziegeleien, Kokereien, Bergwerken und mit anderen schweren und gefährlichen Arbeiten beschäftigt. Überlange Arbeitszeiten, schwere körperliche Belastung und geringe Löhne führten zur Verelendung und Gesundheitsschäden von erwerbstätigen Frauen, denen die Regierung mit Beschäftigungsverboten beizukommen suchte. Besondere Frauenarbeitsschutzvorschriften waren erstmals in der Gewerbeordnung von 1878 enthalten. In der Folgezeit wurden dann auf dieser Grundlage für einzelne Gewerbezweige generelle Beschäftigungsverbote für Frauen erlassen. Die Novelle der Gewerbeordnung von 1912 untersagte Gewerbetreibenden u.a., Arbeiterinnen zum Transport von Materialien auf Bauten aller Art zu verwenden.“ (Quelle und mehr zur Geschichte des Beschäftigungsverbots für Frauen im Bauhauptgewerbe:
http://www.buhev.de/2017/01/bauhandwerkerinnen_2.html)
In dem Buch „Die Münchnerin" (Hrsg. Korbinian Lechner, Stuttgart 1940) wird diese Schwerstarbeit anschaulich beschrieben:
„Sie war noch eine junge Frau, als sie mit ihrem Mann und zwei Kindern nach München kam und in eine der alten Auer „Herbergen“ – an denen oft mehrere Familien und hie und da auch „der Magischdrad“ Besitzrecht haben – zog. Gleich am nächsten Morgen suchte sie sich eine Arbeit, auf irgendeinem Bau.
„Polier, hast koa Arbat für mi?“
“Kannst Mörtl tragen?“
„Ja.“
„Zieglschutzn aa und Radischneiden?“
„Ja.“
„Guat, nacha fangs an, vo mir aus. Brauchst an Schuß?“.
„Ja, i tat scho‘ bittn drum.“
Sie bekam, wie jede andere „Mörtlschuxn“ zwei Mark Vorschuss – oder ganz genau gesagt, ihren vollen Tageslohn in Höhe von zwei Mark gleich im voraus ausbezahlt, so dass auch an den Zahltagen keine große Rechnerei mehr notwendig war. Ja, und dann wurde sie eben in eine Mörteltrage eingespannt und brachte nun täglich zusammen mit einer anderen Frau, zehn Stunden lang auf höher und höher wachsenden Treppen den im Akkord arbeitenden Maurern eine Ladung Mörtel nach der anderen. Diese armeausrenkende Arbeit wurde hie und da von einer fingerzerfleischenden unterbrochen, vom Ziegelschlutzen, denn die rauhen Steine, die oft über eine ganze Kette von Leuten weitergeworfen wurden, zerrissen in Kürze auch einen mit Leder besetzten Handschuh.(…) Es war nicht bloß so der Brauch, dass die Mörtelweiber barfuß in Holzpantoffeln gingen, sondern eben ein eisernes Gebot der Sparsamkeit.“
Im 12.Bezirk in Wien gibt es ein Denkmal, das an die Mörtelweiber und Ziegelschupferinnen erinnert, die Ende des 19. Jahrhundert bis nach der Jahrhundertwende für die Errichtung der Gemeindebauten schwerste körperliche Arbeit für einen Hungerlohn geleistet haben.
Als Zuträgerinnen („Zuaracherinnen“) verdienten diese Frauen zwar ihr eigenes Geld, aber viel war das nicht. Laut Kollektivvertrag aus dem Jahr 1932 bekam eine Mörtelfrau in der Stunde 0,88 Schilling und damit ein Drittel weniger als ein Mann für die gleiche Arbeit. (Quelle:
https://burgenland.orf.at/v2/tv/stories/2632067/index.html).
In München (und gewiss auch in anderen Städten) war das nicht anders:
„1900: Der durchschnittliche Stundenlohn für eine Speisträgerin, ein sogenanntes Mörtelweib, liegt bei 22 Pfennige. Ein männlicher Mörtelträger erhält für die gleiche Arbeit 50 Pfennige in der Stunde. Die Mörtelweiber arbeiten im Akkord und bilden zu je Zweien eine Partie, die in einer Trage den Mörtel, auch Speis genannt, zu den Maurern hinaufbringen. Besonders in den Bauboom-Jahren vor der Jahrhundertwende sind die Mörtelweiber in ihren dicken, unförmigen und langen Röcken, ihren kalkzerfressenen Blusen und den straff gebundenen Kopftüchern, aus dem Münchner Stadtbild nicht wegzudenken. Den robusten und anspruchslosen Frauen und Mädchen, die für Hungerlöhne Fronarbeit leisten, ist der Aufbau Münchens in der Gründerzeit zu verdanken. Der Arbeitstag dieser Frauen beginnt um sechs Uhr früh; dabei befindet sich die Baustelle oft in der entgegengesetzten Richtung, irgendwo in Schwabing oder in Nymphenburg, was erstmals einen - zum Teil - mehrstündigen Fußmarsch - schon vor Arbeitsbeginn – bedeutet.“ (Quelle:
https://hartbrunner.de/stadtfuehrungen/l_geschichte.php?fuehrung=17)