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Erinnerungen an schwere Zeiten

Babel

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Es gibt im deutschen Südwesten wohl kaum ein Kleinstadtmuseum, das nicht Gedenkblätter an frühere Notzeiten ausgestellt hat. Einige Beispiele habe ich schon früher in die Bildergalerie gestellt, wiederhole sie hier aber noch mal.

Das letzte Bild ("Schwere Zeit") ist das späteste Beispiel für ein solches Blatt, das ich kenne – es erinnert an den Ersten Weltkrieg. Zahllose Exemplare dagegen gibt es von 1816/17; damals wurden als Andenken auch die sogenannten Hungertaler hergestellt.

Da ich selbst aus einer "schweren Zeit" stamme, bin ich jedesmal verwundert über diese Andenken. Heute bewahrt man Erinnerungen an schöne Ereignisse auf, nicht aber solche an schlimme Zeiten. Die Erinnerungen des Jahres 1817 mögen noch als "schönes Ereignis" durchgehen – die Erleichterung über die neue Ernte nach einem Jahr, in dem es keine gegeben hatte. Aber nicht alle Blätter von 1816/17 nehmen Bezug auf das glückliche Ende; andere schildern nur das Elend, ebenso die von 1770/71 und die Collage aus dem Ersten Weltkrieg. Wer hätte sich nach 1945 Erinnerungen an das Unglück des Zweiten Weltkriegs eingerahmt und an die Wand gehängt? Ich weiß von niemandem und kann es mir von niemandem vorstellen. Da muß ein Mentalitätswandel stattgefunden haben ...

Wem fällt irgendwas dazu ein?
 

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Das ist eine interessante These, die Du hier vorstellst!

Bezüglich der Erinnerungsobjekte des 2. Weltkrieges meinst Du wohl explizit sachkulturelle Objekte?

Dennoch blieben nach meiner persönlichen Einschätzung - zweifellos in kleinerem Rahmen als in den vorigen Kriegen - sachkulturelle Gegenstände des 2. Weltkrieges auch als Schauobjekte erhalten. Es wurde dafür nach dem 2. Weltkrieg ua. auch der Begriff "Umnutzung" geprägt, also die Verwendung militärischer Gegenstände im zivilen Bereich. Zum Beispiel Kleider aus Fallschirmen usw.
Bei Interesse könnte ich dazu mehr Infos und Literaturhinweise bringen, ich habe mehrere Ausstellungskataloge zum Thema ziviler "Umnutzung" nach dem 2. Weltkrieg.

Zum Thema "Umnutzung" die wahre Erzählung "Der Eisenhändler" eines meiner Arbeitskollegen. Da ich persönlich die Erzählung recht spannend finde, muss diese mir mein Arbeitskollege ungefähr einmal jährlich zum wiederholten Male erzählen...

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Vielleicht waren diese Dinge oder Darstellungen auch nicht als Andenken in unserem heutigen Sinn gemeint, sondern als eine Art Chronik.
 
Bezüglich der Erinnerungsobjekte des 2. Weltkrieges meinst Du wohl explizit sachkulturelle Objekte?

Dennoch blieben nach meiner persönlichen Einschätzung - zweifellos in kleinerem Rahmen als in den vorigen Kriegen - sachkulturelle Gegenstände des 2. Weltkrieges auch als Schauobjekte erhalten.

Zum Thema "Umnutzung" ...
Ich meine regelrecht als Erinnerungsstücke Hergestelltes (Drucke, Bilder oder so etwas wie die Hungertaler), das man rahmte und im Haus entsprechend präsentierte. Daß Drucke hergestellt wurden (wie z. B. das Blatt aus dem Ersten Weltkrieg oder 1816/17-Drucke), zeigt, daß man mit einer Käuferschicht rechnete, die groß genug war, um den Arbeits- und Kostenaufwand zu rechtfertigen. Handgemalte und -geschriebene Blätter sind so schön, daß sie Ehrenplätze an der Wand verdienten. Dieses eigenartige Bedürfnis, Erinnerung an Schreckliches so schön zur Schau zu stellen, das meinte ich.

Sachkulturelle Objekte gab es natürlich massenhaft, z. B. Kriegsgefangenenarbeiten oder aus Geschützteilen hergestellte Gebrauchsgegenstände. Gewiß wurde manches davon zur Erinnerung aufgehoben, aber eher in dem Sinne, wie man Kinderarbeiten in der Familie aufhebt: Als etwas Selbstgemachtes, unter schwierigen Bedingungen Selbstgemachtes – aber kaum explizit als Andenken an die "schwere Zeit" selbst.

Das meiste, was damals entstand, fällt wohl tatsächlich unter den Begriff "Umnutzung": Man machte Kleider aus Fallschirmseide, weil andere Stoffe nicht zu bekommen waren, und schlachtete alles aus, woraus sich Wiederverwendbares gewinnen ließ. Deinen "Eisenhändler" gab es auch im Großen: Nach dem Krieg sagte man, reich werden könne einer nur als Schrotthändler. (Und in der Sowjetzone wurde der Slogan ausgegeben: "Aus Schrott wird Stahl, aus Stahl wird Brot.”)
 
Vielleicht waren diese Dinge oder Darstellungen auch nicht als Andenken in unserem heutigen Sinn gemeint, sondern als eine Art Chronik.
Das waren sie sicher auch. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese Funktion wohl wahrgenommen etwa durch die Bildbände, die die jeweilige Heimatstadt nach Bombenzerstörung abbildeten. Die entstanden allerdings erst Jahrzehnte nach dem Krieg, wenn die Erinnerung schon verblaßt war und man die Bilder mühsam aus Archiven und Privatbesitz zusammensuchen mußte.
 
Man machte Kleider aus Fallschirmseide, weil andere Stoffe nicht zu bekommen waren,

Daher stammt der Begriff "Ballonseide", den ich als Kind so oft gehört habe, auch für Mäntel, die sicher schon aus anderem Stoff gemacht waren, ich glaube, das betraf später sogar eigene Modelle oder ähnliche Stoffe, ist das möglich? Wie diese Seide ausgesehen (grau vermutlich) oder sich angefühlt hat, weiß ich nicht mehr.
 
Daher stammt der Begriff "Ballonseide", den ich als Kind so oft gehört habe, auch für Mäntel, die sicher schon aus anderem Stoff gemacht waren, ich glaube, das betraf später sogar eigene Modelle oder ähnliche Stoffe, ist das möglich? Wie diese Seide ausgesehen (grau vermutlich) oder sich angefühlt hat, weiß ich nicht mehr.
Da bin ich überfragt. Der Duden erklärt Ballonseide als "fester, wasserdichter Stoff für Ballons, Sportmäntel und dergleichen". Mir ist nur Fallschirmseide ein Begriff; die war weiß, leicht und schön. Hier sind Bilder von einem Kleid daraus.
 
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