• Willkommen im SAGEN.at-Forum und SAGEN.at-Fotogalerie.
    Forum zu Themen der Volkskunde, Kulturgeschichte, Regionalgeschichte, Technikgeschichte und vielem mehr - Fotogalerie für Dokumentar-Fotografie bis Fotogeschichte.
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst Du eigene Beiträge verfassen und eigene Fotos veröffentlichen.

Die Wannenkapelle – Geschichte einer kleinen Wallfahrtsstätte

Babel

Active member
Die Kapelle auf dem Wannenberg ist ein kleines Volksheiligtum, etwa 30 km südöstlich von Ulm oberhalb des Dorfes Meßhofen gelegen. Ihr Ursprung geht in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurück.

Der Abt des nahegelegenen Prämonstratenserklosters Roggenburg berichtete einem Mitbruder vor seinem Tod (1677): Als die Mönche vor den feindlichen (evangelischen!) Schweden flohen, sei er allein zurückgeblieben, habe sich aber um seiner Sicherheit willen als Bauer verkleidet. Das habe ihm jedoch nichts geholfen: Die Schweden erhängten ihn an einer Eiche auf dem nahegelegenen Wannenberg. Maria bewahrte ihn davor, vom Strick erdrosselt zu werden – so lange, bis einer der Schweden zurückkam und ihn abschnitt. Der Nachfolger des Abts ließ an dem bezeichneten Ort eine kleine Kapelle errichten. Ein 1845 entstandenes Deckenfresko im Chor der heutigen Kapelle stellt das Wunder dar.

Je schlechter die Zeiten, desto häufiger die Wunder ...
Sehr viele deutsche Wallfahrtsorte verdanken ihren Ursprung dem 30jährigen Krieg. In der bayerischen Oberpfalz gibt es Wallfahrtsorte, deren Entstehen auf Wunder während der Hussiteneinfälle (ab 1418) zurückgeht. In dem östlichen Landesteilen von Österreich scheinen Wunder in den Türkenkriegen Anlaß zu Wallfahrten gegeben haben.
 

Anhänge

  • 0 Deckenbild.jpg
    0 Deckenbild.jpg
    263 KB · Aufrufe: 10
Zuletzt bearbeitet:
Das Maria-Hilf-Bild im Altar ist eine von Konrad Huber (1752-1830) geschaffene Kopie des berühmten Innsbrucker Cranach-Bildes. Es wurde 1793 in feierlicher Prozession, angeführt vom Abt des Klosters Roggenburg, in die Wannenkapelle gebracht, die damals noch ein kleiner offener Bau war. Der Pfarrer von Meßhofen, der über das Ereignis berichtet, schreibt auch: „Immer befinden sich dort Pilgrime. Meßhofen wallfahrtet öfters dorthin in Procession.”

Die reichsunmittelbare Abtei Roggenburg verfügte über riesige Ländereien und die entsprechenden Einkünfte. Sie ließ in ihren Dörfern repräsentative Kirchen errichten. Die prachtvollste darunter ist die Wallfahrtskirche in Schießen; selbstverständlich betreuten und förderten die Prämonstratenser die Schießener Wallfahrt.

1802 wurde die Abtei im Zuge der Säkularisation aufgelöst. Die Wallfahrt nach Schießen hörte auf. Der Wannenberg aber wurde weiter von Gläubigen und Bittstellern besucht. Vermutlich stünde heute auch dort eine prächtige Wallfahrtskirche, hätte das Kloster mit seinen üppigen Einkünften weiter bestanden. So aber konnte nur durch Kollekten in Meßhofen und den umliegenden Dörfern die Größe der Kapelle dem wachsenden Bedarf angepaßt werden. 1845 wurde das offene Kapellchen (Bild 2) durch einen geschlossenen Bau ersetzt, den das Wallfahrtsbüchlein (Bild 3) zeigt.
 

Anhänge

  • 1 Altar.jpg
    1 Altar.jpg
    193,1 KB · Aufrufe: 13
  • 2 Gebetszettel, vor1845.jpg
    2 Gebetszettel, vor1845.jpg
    178,8 KB · Aufrufe: 11
  • 3 Wallfahrtsbüchlein,1853.jpg
    3 Wallfahrtsbüchlein,1853.jpg
    206 KB · Aufrufe: 13
Kleine Gipsreliefs, die in den 20er/30er Jahren des 20. Jahrhunderts in der nächsten Kreisstadt als Wallfahrtsandenken angefertigt wurden, sind getreue Abbildungen des Deckengemäldes in der Wannenkapelle: Sie zeigen das Ursprungswunder, die Errettung des Priesters im 30jährigen Krieg durch Maria. Das ist bemerkenswert: Die Abtei Roggenburg hatte ja offenbar mit dem Maria-Hilf-Bild der aufstrebenden Wallfahrt ein "Gnadenbild" stiften wollen – aber das gläubige Volk hing nun mal an seinem Wunder.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs tat Maria noch einmal ein Wunder: Sie rettete die umliegenden Orte vor der Zerstörung. Das Votivbild zeigt naturgetreu die Dörfer, die Türme des Klosters Roggenburg und die Kapelle.

Bild 4 zeigt das Innere der heutigen Kirche nach mehrmaligen Erweiterungen. Allerdings verändert das Fotoobjektiv etwas den Charakter des Raumes, der in Wirklichkeit kleiner wirkt. Der heutige Altar – siehe das Detailfoto oben – entstand erst um 1940; ihm sieht man besonders an, daß kein finanzkräftiges Kloster mehr da war, um hochbezahlte Künstler zu beschäftigen ...

Seit 1982 ist Roggenburg wieder von Prämonstratensern bewohnt, die auch die Betreuung der Wallfahrt auf den Wannenberg übernommen haben. Es gibt von Mai bis Oktober regelmäßige Messen, Rosenkranzandachten, Beichtgelegenheit. In den Ecken der Kapelle hängen einfache Votivgaben und Bittzettelchen. Und trotz der isolierten Lage im Wald trifft man fast immer einzelne Beter in der Kapelle.
 

Anhänge

  • 4 Wannenkapelle1.jpg
    4 Wannenkapelle1.jpg
    157,4 KB · Aufrufe: 8
  • 5 Wannenkapelle2.jpg
    5 Wannenkapelle2.jpg
    174,1 KB · Aufrufe: 8
  • 7 Votivbild.jpg
    7 Votivbild.jpg
    194 KB · Aufrufe: 8
  • 6 Kapelle,heute.jpg
    6 Kapelle,heute.jpg
    178,1 KB · Aufrufe: 11
  • 8 Wannenkapelle.jpg
    8 Wannenkapelle.jpg
    138,2 KB · Aufrufe: 12
Das ist alles sehr interessant. Bei uns war es so das sich besonders das Einsiedlerwesen im Dreissigjährigen Krieg entwickelt hat. War das bei euch ähnlich?

Dieser Krieg hat ja bei uns besonders lange gedauert. Und ist deshalb in der Kunst überall präsent. Hier Jacques Callot.
Da ich einiges aus eurer Region übersetzt habe, weiß ich das mit den Einsiedlern – von Deutschland ist es mir nicht bekannt, was natürlich nichts besagt ... Es ist eigentlich naheliegend, da sich ständig Leute in die Wälder flüchten mußten.

Danke für den Link! Schön, daß die französische Callot-Site nicht (wie das deutsche Wiki) nur das eine Bild bringt, das ständig irgendwo abgebildet wird, sondern auch die andern, und daß sie vergrößerbar sind. Ich habe sie zwar in einem Taschenbuch, aber da sind sie halt nicht so gut anzuschauen, und die meisten Leute kennen wahrscheinlich nur das übliche Bild (Galgenbaum).
 
Da ich einiges aus eurer Region übersetzt habe, weiß ich das mit den Einsiedlern – von Deutschland ist es mir nicht bekannt, was natürlich nichts besagt ... Es ist eigentlich naheliegend, da sich ständig Leute in die Wälder flüchten mußten.

Danke für den Link! Schön, daß die französische Callot-Site nicht (wie das deutsche Wiki) nur das eine Bild bringt, das ständig irgendwo abgebildet wird, sondern auch die andern, und daß sie vergrößerbar sind. Ich habe sie zwar in einem Taschenbuch, aber da sind sie halt nicht so gut anzuschauen, und die meisten Leute kennen wahrscheinlich nur das übliche Bild (Galgenbaum).

Das hier dürfte das bekannteste sein


https://fr.wikipedia.org/wiki/Jacques_Callot#mediaviewer/Fichier:Callot_Burlesque_Violinist.jpg

Callot und Georges de la Tour sind die besten Lothringer Maler

https://de.wikipedia.org/wiki/Georges_de_La_Tour
 
Diese Burg, die meinen Vorfahren gehöhrt hat, wurde von den Schweden zerstörtund 1652 wieder aufgebaut
Das hätte ich wissen sollen! Ich war immer wieder in dieser deutsch-luxemburgisch-französischen Ecke, erinnere mich an Koenigsmacker, Rodemack, Remich, Sierck-les-Bains, Luxemburg natürlich und Thionville, auf deutscher Seite Perl, Palzem, Saarburg, Merzig ... Allerdings ist das ziemlich lange her, 80er und frühe 90er Jahre, als ich in Aachen wohnte. Jetzt, von Süddeutschland aus, ist es mir zu weit weg – so gern ich diese Region hatte.

Ja, die Schweden – die Evangelischen verehren Gustav Adolf als eine Art Heiligen. Ich bin evangelisch aufgewachsen und wurde in einer Gustav-Adolf-Kirche (in Nürnberg) konfirmiert. Und im Ulmer Münster (jetzt wohne ich in Ulm) steht er seit dem 19. Jahrhundert auf einer der Konsolen, von der die Bilderstürmer 1531 die katholischen Heiligen runtergerissen haben.
 
Das hätte ich wissen sollen! Ich war immer wieder in dieser deutsch-luxemburgisch-französischen Ecke, erinnere mich an Koenigsmacker, Rodemack, Remich, Sierck-les-Bains, Luxemburg natürlich und Thionville, auf deutscher Seite Perl, Palzem, Saarburg, Merzig ... Allerdings ist das ziemlich lange her, 80er und frühe 90er Jahre, als ich in Aachen wohnte. Jetzt, von Süddeutschland aus, ist es mir zu weit weg – so gern ich diese Region hatte.

Ja, die Schweden – die Evangelischen verehren Gustav Adolf als eine Art Heiligen. Ich bin evangelisch aufgewachsen und wurde in einer Gustav-Adolf-Kirche (in Nürnberg) konfirmiert. Und im Ulmer Münster (jetzt wohne ich in Ulm) steht er seit dem 19. Jahrhundert auf einer der Konsolen, von der die Bilderstürmer 1531 die katholischen Heiligen runtergerissen haben.

Ja genau. Ich stamme tatsächlich aus dieser Ecke.

Der dreissigjährige Krieg heißt zwar bei uns immer noch Schwedenkrich

aber dem Gustav Adolph haben wir verziehen.-:)
 
@ Wolfgang: Wunschgemäß zwei Bilder vom Äußeren der Wannenkapelle. An einer Seite hat man eine hölzerne "Veranda" errichtet; hier liest der Pfarrer die Messe an den Wallfahrtstagen, weil die Kapelle bei weitem nicht alle Anwesenden faßt.
 

Anhänge

  • Wannenkapelle.jpg
    Wannenkapelle.jpg
    137,1 KB · Aufrufe: 10
  • Wannenkapelle1.jpg
    Wannenkapelle1.jpg
    176,2 KB · Aufrufe: 9
Zurück
Oben