• Willkommen im SAGEN.at-Forum und SAGEN.at-Fotogalerie.
    Forum zu Themen der Volkskunde, Kulturgeschichte, Regionalgeschichte, Technikgeschichte und vielem mehr - Fotogalerie für Dokumentar-Fotografie bis Fotogeschichte.
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst Du eigene Beiträge verfassen und eigene Fotos veröffentlichen.

Der Panzergraben

far.a

Active member
Der Kampf in der Heimat

Nach dem Tod von Johann Lang, Altenmarkt 83 („Stern – Lang“) hat dessen Gattin Karoline dem Franz Urschler, Altenmarkt 24 („dem Großen“, jetzt Wohnsiedlung – Garage) einige Aufzeichnungen übergeben, nach denen dieser um 1967 eine Niederschrift verfasste.
Mit weiteren Ergänzungen verschiedener Zeitzeugen wurde dieses Schriftstück unter weitgehender Beibehaltung der Sprachausdrücke von Franz A. Rabl zusammengefasst.

Im Frühjahr 1944, als der dümmste unter den Faschisten am Endsieg zu zweifeln anfing und die stolze Deutsche Armee unter der Führung eines Gefreiten der österreichischen Armee, Adolf Hitler, von Stalingrad bis Budapest und Ostpreußen zurückgekämpft hatte, kam den Naziführern die Idee, auch an der steirischen Grenze einen Wall vom Wechsel bis an die Save zu bauen.
Die Dörfer und Städte sollten mit Panzergräben, Panzerfäusten und MG – Stellungen, Laufgräben und Bunkern gesichert werden, damit die russische Dampfwalze aufgehalten und dem Feind mit den neuen Waffen, wie man so sagte, der Garaus gemacht würde. Da aber schon der Atlantikwall nicht standhielt, so glaubte man auch nicht, dass der Ostwall, der auf der burgenländischen und ungarischen Grenze errichtet wurde, lange bestehen könnte.
Panzergraben und Wachdienst

Kaum war im Herbst 1944 die Winterfrucht angebaut und die Rüben nach Hause gebracht, um über den Winter das Futter zu haben, ahnte man schon, was im Winter kommen würde, denn der Russe drängte die deutschen Truppen unaufhörlich zurück. Er war schon an der Theiß und Donau.
Nun wurde auch der Stellungsbau um Altenmarkt begonnen. Ein Panzergraben musste 200 m unterhalb des Schröttenwaldes („Pumperwaldls“), der hier zur Straße reichte, Richtung Altenmarkt errichtet werden. Besitzer der Gründe waren Fabian und Neubauer. Der Panzergraben hatte eine Breite von 10 m. Die Stirnseite gegen Graz wurde mit armdicken Pfählen verstärkt, die man aus dem Schröttenwald holte, der dem Malteser Orden gehört. Diese Pfähle wurden senkrecht mit schweren Hämmern in die Erde geschlagen, und dann mit Reisig und mit etwas Draht verflochten.
Aber Draht war schon Mangelware, weil die Wehrmacht diesen zur Stacheldrahterzeugung brauchte.
Der hintere Teil des Panzergrabens wurde schräg ausgeglichen. Er war fast 2m tief. Man glaubte, der Panzer würde hineinfahren und drin bei der steilen Stirnwand stecken bleiben, aber das glaubte der Dümmste nicht. Der Panzergraben hatte eine Länge von ca. 350 m. Zu dieser Arbeit wurden neben den Altenmarktern und Speltenbachern auch Leute aus dem Banat (aus „Liebling“) herangezogen, die vor den anrückenden Russen mit Sack und Pack geflüchtet waren. Alle mussten mitarbeiten, auch Frauen bis 60 Jahre. Sogar jene Frauen, die in die Tabakfabrik (nach Fürstenfeld) gingen, mussten zu Haus bleiben und schanzen. Sie erhielten ihren Lohn weiter und den Lohn der Schanzarbeit erhielten sie auch. Nebenbei gab es noch etliche Brotkarten für Schwerarbeit und Zigaretten. Denn auch da herrschte arger Mangel. Gearbeitet wurde von 8 Uhr bis ½ 12 und von 1 Uhr bis 5 Uhr. Eine halbe Stunde brauchte man um zum Panzergraben zu gehen und ½ Stunde nach Haus. Daheim waren höchstens eine Person und Kinder, die das Vieh fütterten und kochten. Es blieb nicht viel Zeit, um das Mittagessen einzunehmen. Erst am Abend wurde es gemütlicher, denn es war den ganzen Tag über nur mehr ein Hasten und Rennen. Frauen, denen unwohl war, durften einige Tage zu Hause bleiben. So ging es den ganzen Winter durch. Viele wurden schon unwillig bei der Arbeit und sagten: Heute tun wir nicht viel, aber morgen, morgen, geht es an die Arbeit. So wurde schon sabotiert, und es fielen auch harte Worte gegen das Regime, weil man sah, dass alles nutzlos war.
Da ging der Witz in der Runde: „Wie lange braucht der Russe bis er darüber kommt?“ Die Antwort: „60 Minuten zum Lachen und 1 Minute, um ihn zu überwinden“.
Überdies überflogen amerikanische Flieger die Stellung. Und so oft man ihr Kommen hörte, wurde ausgesetzt und nach Hause gegangen, damit der Panzergraben nicht verraten wurde. Das Oberkommando hatte der Lehrer B. aus Altenmarkt. Die Flüchtlinge aus dem Banat musste man absondern, denn sie waren noch fest in dem Glauben, der Krieg könne noch gewonnen werden und sie könnten noch einmal in ihre Heimat zurückkehren.
Neben dem Wald war ein Wassergraben. Der behinderte den Bau des Panzergrabens. Es musste die Feuerspritze (Feuerwehrpumpe) eingesetzt werden, die aber bald einfror und außer Dienst gestellt werden musste. Denn es gab kein warmes Wasser zum Auftauen (ob da auch schon Sabotage am Werk war?).
Außerdem mussten nach Weihnachten auch schon die Brücken bewacht werden, welche schon vom Pionier Rauscher aus Speltenbach zum Sprengen hergerichtet worden waren. Für die Wachmannschaft bei der Langen Brücke war das Wachzimmer beim Haus Dampf Nr. 36. Sechs Männer, die abwechselnd 2 Stunden Dienst versahen, 2 Stunden Bereitschaft hatten und 2 Stunden schlafen konnten. Der Dienst war etwas besser als der Schanzdienst. Wenn es beim Schanzen schlechtes Wetter gab, rückten die Frauen auch mit Hosen zur Arbeit an, denn der Kittel war umständlich bei der kotigen Erdarbeit und dem Dreck.
Da gab es dann manchen Ulk, und so ging es immer langsamer mit dem Panzergraben. Eine Frau, die öfter lange für ihr „Geschäft“ im Latrinenhäuschen brauchte, wurde zusammen mit dem Häuschen versetzt.
Der Volkssturm übernahm die Brückenwachen bei der Langen Brücke in Altenmarkt und bei der Feistritzbrücke in Großwilfersdorf. Auch hatte der Volkssturm eine Küche in der Birchbauer Mühle eingerichtet. Koch war Mader Josef Nr. 83. Er kochte gut. Meistens gab es Gulasch, das er prima herzurichten verstand, obwohl es schon an vielem mangelte. Was er dazu brauchte, konnte er nur in Altenmarkt organisieren.
In Großwilfersdorf mussten die Wachen das Essen von zuhause mitnehmen, das war nicht so angenehm.
Dort war die Wache im Haus des Schneidermeisters Heinrich untergebracht. Zu Mittag war Wachablöse, auch hier versahen 6 Mann ihren Dienst. Das Wachzimmer wurde geheizt und verdunkelt. Die Großwilfersdorfer gingen noch fleißig in die Weingärten und brachten den Wachmannschaften oft Wein und Schnaps. Deswegen gab es oft trotz der schlechten Lage manchmal auch eine gehobene Stimmung.
Und so ging es fort, bis die Leuchtraketen schon von St. Gotthart und Heiligenkreuz heraufleuchteten. Man musste noch immer zur Wache gehen. Fürsorglich wurde daheim schon der Wagen für die Flucht gepackt, um dann rasch in den Wald fahren zu können.
Als es dann so weit war, wurde es ganz still beim Stellungsbau. Die Banater packten ihre Wagen und fuhren weg. Soldaten aus Nürnberg waren im Haus Nr. 17 einquartiert. Diese hatten sich schon abgesetzt, weil sie glaubten, dass bei ihnen der Feind früher komme. Sie packten und fuhren nach Weiz.
Nun standen die Ortsbewohner wieder allein wie eh und je da. Jeder war seines Glückes Schmied.
Eines Tages ging auf dem Brunnacker ein Fiseler Storch (Flugzeug) nieder. Nun musste man wieder in den Wald, um Fichten zu holen und das Flugzeug zu tarnen. Wir staunten: Er flog vom Brunnacker auf und setzte sich im Garten Fabian Nr. 64 wieder nieder. Er war gelenkig wie ein Vogel.
Der Pilot erzählte, wie es an der Front aussieht. Der Russe stand schon am Plattensee. Das war mehr keine Entfernung. Die deutschen Truppen waren kaum aus der Zange herausgekommen, die die Russen um sie gelegt hatten
Man arbeitete, weil man sonst nichts zu tun wusste und damit die Zeit verging, denn alles hatte mehr keinen Sinn. Die Schanzarbiet beaufsichtigte Baumeister Domweber aus Fürstenfeld. Er kam öfter, um Werkzeug zu bringen. Aus der Betonstraße mussten 12 Löcher 50 cm im Quadrat und 150 cm tief gestemmt werden. In diese Löcher wurden Baumstämme mit 50 cm Durchmesser einbetoniert. Auch er sah, dass dies alles ein Unsinn war, wie er sich er sich gegenüber dem Urschler Ferdl, Altenmarkt Nr. 112, äußerte. Er sinnierte, wie er es uns wohl weiter ergehen werde. Im 1. Weltkrieg hatten wir 10 000 Kronen für einen Schilling hergeben müssen und jetzt wird es noch schlechter werden, wenn der Krieg vorbei ist. Verspielt ist er auf jeden Fall.
Als die Löcher gestemmt waren, wurden in letzter Minute die Stämme einbetoniert. Das war der letzte Akt. Denn es löste sich schon alles auf, es gab mehr keine Ordnung. Der Panzergraben wurde nicht fertig. Die Brückenwache blieb noch auf ihrem Posten. Nun wurden zur Verteidigung Panzerfäuste ins Dorf geliefert. Sie waren im Haus Nr. 15 (Trummer) untergebracht. Josef Moser, Altenmarkt 61, hantierte mit einer im Zimmer herum, ohne dass der Kopf aufgesetzt war (die Treibladung war scharf). Sie ging los und demolierte das Zimmer. Auch beschädigte sie das Haus Nr.73.
Bald war der Russe schon in Königsdorf, später in Rudersdorf und beschoss Fürstenfeld.
Als der Russe am 8. Mai den Siegesmarsch antrat, fand er auch den Panzergraben. Er lachte nicht einmal, er fuhr einfach darüber hinweg. Die Baumstämme wurden mit der Säge abgeschnitten und das Projekt „Panzergraben“ war erledigt. Den Panzergraben mussten einheimische Nazi wieder zumachen.
„Viel Aufregung für die Katz!“
 
Eine interessante Schilderung.
Man kann nur hoffen, dass nicht auch noch das ganze Dorf zerstört wurde.
Nur zwei Beispiele aus Brandenburg. Da wurde das uckermärkische Stadtchen Schwedt zur Festung "erklärt" - 95 % der Stadt gingen in Schutt und Asche auf. Dann noch die Schlacht auf den Seelower Höhen (http://www.gedenkstaette-seelower-hoehen.de/) - auch diese Panzergräben konnten die Sowjetarmee nicht aufhalten.
Dresdner
 
Die Front ist zwischen dem Dorf Altenmarkt und der Stadt Fürstenfeld (Entfernung ca. 1-2 km) von etwa Mitte April 1945 bis zum Kriegsende am 8 . Mai verblieben. Fürstenfeld war schon länger in russischer Hand. Was die Bevölkerung in diesen Tagen an Angst, seelischem, körperlichem und wirtschaftlichem Leid ertragen mußte, erzählen Betoffene nur spärlich oder überhaupt nicht. Dazu muss gesagt werden, dass nicht nur die heranziehenden Besatzungsmächte, sondern auch die eigenen (deutschen) Truppen ihre noch verbliebene, mit Waffen erzwungene Gewalt ausübten.
Dies soll bitte nicht so verstanden werden, alte Gräben wieder aufzuwerfen, sondern uns Gegenwärtigen an jene Zeit der Not erinnern, damit in Zukunft so etwas nicht passieren sollte. Wie sieht es aber jetzt aus: Wieder Kriege, wieder muss die zivile Bevölkerung für radikale und politisch extreme Ziele büßen.
far.a
 
Zurück
Oben