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Der Kasten an der Enns bei Weyer

maex

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Der Kasten an der Enns

Die Enns als Transportweg ist seit Alters her bekannt. Floße und später Schiffe befuhren den Fluss, um Rohstoffe und Waren aller Art zu den Menschen und zu den Hammerwerken, Schmieden und den Märkten zu bringen.
Aufgrund des schwierigen und langwierigen Transportes dieser Waren, war es notwendig, entlang des Flusses Lagermöglichkeiten zu schaffen. Diese Stätten dienten den Flößern und Schiffsleuten auch als Rast und Labstellen. Eine solche Einrichtungen nannte man „Kasten“.
Einer dieser Kasten, wenn nicht sogar der Wichtigste entlang der Enns, befand sich in Kastenreith, unweit von Weyer, wo die nach Waidhofen abzweigende Straße zwei wichtige Industrieregionen, die oberösterreichische und die niederösterreichische Eisenwurzen, verband.

Über die genaue Zeit der Entstehung des Kastens an der Enns, gibt es leider keine näheren Urkunden. Das erste Mal wird er in einem Dokument aus dem Jahre 1373 genannt. Vor zahlreichen Zeugen wurde in dieser Urkunde gefertigt, dass das Roheisen (Rauheisen, Raheisen, Raweisen) von Innerberg (Eisenerz) her, mit Fuhrwerken nach Großreifling zu bringen sei und dann weiter mit Fößen zum Kasten. Dieser Vorgang sei von alters her so üblich, berichtet dieses Protokoll.
Somit ist anzunehmen, dass die Entstehung des Kastens spätestens zu Beginn des 14.Jahrhundert anzusetzen ist. Wahrscheinlicher aber ist, dass es viel früher den Kasten oder eine vergleichbare Einrichtung gab.

Hier am Kasten nahm nun das zu befördernde Gut zweierlei Wege. Ein Teil wurde weiterhin am Wasserweg zu den Enns abwärts gelegenen Hämmern, beziehungsweise nach Steyr verfrachtet, der andere Teil nahm den weitaus beschwerlicheren Landweg, wurde auf Fuhrwerke verladen und beschickte die Hammerwerke in Weyer, Gaflenz, Waidhofen und andere Orte der niederösterreichischen Eisenwurzen.

Im Jahre 1489 stoßen die Ungarn - unter König Matthias Corvinus - bis zur Enns vor und besetzen den "Kasten". Der Waffenstillstand bewirkte jedoch eine sofortige Räumung des Gebäudes und zum Schutz vor weiteren Inbesitznahmen dieses wichtigen Umschlagplatzes, wurde noch im selben Jahr eine Schanze errichtet.

Einige Jahr zuvor erließ der Garstner Abt, Thomas Rauscher (auch Rantsch) eine sogenannte „Ladstattordnung“, welche die Rechte und Pflichten des „Wirtes am Kasten“ über die Abfertigung und Lagerung der Waren regelte. Ebenso werden darin die Gebühren und Tarife der Floß und Schifffahrt für die verschiedenen Frachten sowie die Mautgebühren festgelegt.

Die nachstehende Ladstadtordnung stammt vom 1.10.1605, welche dem damaligen Wirten am Kasten, Georg Sutor , vom Garstner Abt Wilhelm, ausgestellt wurde und die Kosten für die beförderten Waren akribisch auflistet.

Aus dieser Ordnung ist auch ersichtlich, dass außer den Eisenwaren auch sogenannte „Venediger Güter“ (d.s. Öl, Südfrüchte, Süßweine, Fische), weiters Wein, Salz, Leder, Holz, Getreide und Krämerwaren befördert wurden.


Ladstadtordnung vom 1.10.1605


1. Für einen Saum Venediger Güter 6 kr.
2. Für einen Saum Salz 6 pf.
3. Für Marktwein vom Fassl 1 Mässl Wein als Bodenrecht, wenn sie den
Wein nicht anzapfen wollen dafür Geld
4. Für die Fertigung eines Floßes voll Wein nach Steyr ½ pfund pf.
5. Für ein Floß leerer Fässer 4 Schilling
6. Für Geschmiede (anm. verarbeitetes Eisen wie Messer, Dolche
Scheren, Beschläge usw.) in Lageln oder Fössern (Fässern) vom Zenten 2 pf.
7. Für ein Floß Eibenholz (anm. zur Fertigung für Bögen) ½ pfund pf.
8. Für ein Floß voller Scheiter 72 pf.
9. Für ein Wagen schwer Schleifsteine 72 pf.
10. Für 2 Stück Kloben (Eisen) 1 pf.
11. Für 1 Buschen Knitteln (zur Sensenerzeugung vorbereitetes Eisen) 2 pf.
12. Für 1 Zenten stachelne Bögen (anm. für Armbrüste) 2 pf.
13. Für 1 Fass Stacheln oder Zwiezeug zu 4 Zenten 2 kr.
14. Für Floß voll Inslet (anm. auch Inslicht, Insliecht, Unschlitt, ist ein zumeist
aus Tierresten und -fetten hergestellter Talg, der zur Seifen- und Kerzen- herstellung verwendet wurde.) ½ pfund pf.
15. Für 1 Buschen Hirschgestimb (Geweih) zu 1 Zenten 6 kr.
16. Für Krämerwaren, 1 Wagen schwer
mit 3 Rössen 48 pf.
mit 2 Rössen 16 pf.
Mit 1 Roß 8 kr.
Für Krämerwaren, was man auf den Rücken trägte 2 kr.
17. Juden, die auf dem Wasser nach Steyr fahren, mussten für
ihren Leib 3 pf. Und ihre Waren doppelt soviel wie andere geben.



Die Wirte und Postmeister am Kasten.

In der Chronik des Marktes Weyer werden zwischen 1470 und 1794 mehr als 20 Wirte am Kasten genannt. Die Wichtigsten sollen hier erwähnt werden.

Um das Jahr 1500 saßen die Forster, ein reiches Gewerkengeschlecht, am Kasten.

Der Kasten fiel zu Beginn des 16. Jahrhundert an das Kloster Garsten. Abt Ulrich verkaufte am 29. März 1512 das Gebäude mitsamt den dazugehörigen Liegenschaften mit Erbrecht an Wolfgang Salzmeister und seine Frau Sibilla.

1548 wird Sebastian Puechleuthner als Wirt genannt. Durch seine Frau erlangte er das Bürgerrecht von Weyer, da seine Angetraute von ihren Eltern die „Gennsleiten“, ein Gewerkenhaus mit Bürgerrecht, erbte.

Laut einem Vertrag aus 1594 sitzt ein gewisser Joachim Fuxjäger am Kasten. Dieser Kontrakt regelt die Instandhaltung des Treppelweges zwischen den Kasten und dem Frenzbach.

In der Zeit von 1602-1606 war Georg Sutor am Kasten. In diese Zeit fällt die oben erwähnte Ladstattordnung.

1638 kauft Tobias Fuchs den Kasten. Fuchs hatte eigene Schiffe, die er auch vermietete. Fuchs durfte auch Maut einnehmen und ihm wurde der Titel: „kaiserlicher Beiaufschlagnehmer“ verliehen.

Einer der wichtigsten Wirte am Kasten war Georg Pantz (um 1658). Diese alteingesessene weyrer Gewerkenfamilie war bereits 1450 Besitzer von Hammerwerken in St. Gallen und in der Frenz. Zu späteren Zeiten tritt diese Familie auch in anderen Ländern wie Sachsen, Ungarn und Oberitalien in Erscheinung.

Der Besitzer des Kastens von 1692 bis 1707, Adam Steiner, stiftete das Fresco des Schiffszuges auf der Fassade des Kastens aus dem Jahre 1699. Steiner war ein sehr vermögender Bürger, dessen Vermögen über 12000 Gulden betrug.

Adam Steiner folgte Sebastian Freindl, der ein noch größeres Vermögen anhäufte. Auch Freindl durfte sich „kaiserlicher Filialmauteinnehmer“ nennen.

1750 wird ein Urban Wedl als Schiffmeister am Kasten genannt. Wedl war auch der erste Postmeister am Kasten in Kastenreith.

Auf das Postmeisteramt verzichtete im Jahr 1791 der nächste Wirt am Kasten, Leopold Stegmeier. Ihm waren die Bezüge zu gering. Stegmeier verunglückte am Kasten beim Einsturz eines Stadels tödlich. Noch im selben Jahr heiratete seine Witwe den Stephan Riegl, welcher die Poststelle wieder einführte.

Um 1800 verlegte man das Postamt vom Kasten in das Haus Nr. 21, wo es bis ins Jahr 1899 blieb. Stephan Riegl (Riegl, Rapl oder auch Ripl genannt) und seine Frau verkauften am 21 August 1809 (in einer anderen Urkunde der 15. August) den Kasten an die Innerberger Hauptgewerkschaft. Der Erlös: Hauptgebäude - 6000 Gulden, das Häusl Nr. 140 – 2000 Gulden, Grund samt Stadel - 2000 Gulden.

Laut Kaufvertrag vom 5.2.1823 veräußerte die Innerberger Hauptgewerkschaft den Kasten an Andreas Intra und seine Frau Regina. In diesem Vertrag wurde das unentgeltliche Aufhängen der Schiffseile unter den Schwibbögen des Hauptgebäudes für die Schiffe der Innerberger Hauptgewerkschaft gesichert. Andreas Intra starb im Jahr 1830. Bereits am 1. März des selben Jahres heiratete seine Witwe (Witib) eine gewissen Kök. Noch im selben Jahr, am 12. September verkauften die beiden das Nebenhäusl Nr. 140 an Mathias Erlthaler und seiner „Hausfrau“ Katherina.
Erlthaler verstarb im Jahre 1836 und Nr. 140 ging am 3. April 1856 an Johann und Barbara Greißner über.

Am 8.11.1858 wurde der Kasten an der Enns je zur Hälfte von Franz und Therese Koller gekauft. Wenige Jahre später begann der unaufhaltsame Abstieg des Kastens. Ursache dafür war die Eröffnung der Kronprinz Rudolf Bahn im Jahre 1869, die damals Kleinreifling erreichte. Transporte auf der Enns konnten mit der neuen Technik nicht mehr konkurrieren.

Ein Inserat in einer Regionalzeitung zeigte die „Flexibilisierung“ der Frächter, welche die Bedeutung der Eisenbahn damals erkannt haben.

J: NUDORFER, STYRER BOTE UND
SPEDITEUR, WEYER
Dank an Industrielle von Steyr und Umgebung für
Das bisher gewährte Vertrauen.
Übernehme jedwede Verfrachtung von und zu der
Neuen Eisenbahn.​

Ein ähnliches Inserat schaltete auch der Steirer Schiffmeister Mayr.

Die schwindende und schließlich vollkommende Bedeutungslosigkeit des Ennsflusses als Transportstraße bedeutet den Niedergang der Tavernen und damit auch des Kastens.
Am 19.März 1892 wurde die Mühlen und Schiffmeistergerechtigkeit am Kasten gelöscht. Die Ausschankgerechtigkeit wurde als Gewerbe eingetragen.

Ein Kaufvertrag vom 9.3.1906 weist Peter und Katherina Farnberger als Besitzer aus. Mit Kaufvertrag vom 4. Feber 1919 erwarb Rüdiger Josef WALTER den Kasten.

Im Jahr 1924 drohte das Gebäude durch einen Brand vernichtet zu werden. Am Dachboden war Feuer ausgebrochen. Nur durch den raschen Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr Weyer und der Dreherschen Feuerwehr und Mithilfe einer neu angekauften Motorspritze, konnte der Schaden begrenzt werden.

Die schlechte wirtschaftliche Lage der Zwischenkriegszeit brachte einen Ausgleich mit sich. (28. Jänner 1935). Ein Konkurs konnte durch den Verkauf von Grundstücken, die zum Kasten gehörten, verhindert werden.

Durch einen Beschluß vom 10. Juni 1936 erhielt am 10.Juni 1938 Frau Rosa Ehrlich das Eigentumsrecht. Durch einen Tauschvertrag vom 18. März 1951 wurde Theresia Pucher Besitzerin des Kastens.

Im o.ö. Kulturbericht Nr. 3 vom 20. Jänner 1950 schreibt Dr. Heinrich Seidel:
„Der heutige Besitzer (des Kastens) hat alle Mühe, um das durch Jahre unterbrochene Wirtsgewerbe wieder in Gang zu bringen, die Innenräume zu einer guten Tourismusherberge auszugestalten.“

Nachfolgend eine genaue Beschreibung des Gebäudes durch Dr. Seidel:

„Trotz der verwinkelten Anlage seines Baues macht der Kasten einen durchaus harmonischen Eindruck. Wo die Eisenstraße, von Kleinreifling kommend, bis auf wenige Meter über Normalwasserstand an die Enns herantritt, und der Fluss eine kleine, als Anlegeplatz (Lände) für Flöße und Zillen bequeme Schotterbank angeschwemmt hat, blickt die Hauptfront des Kastens gegen Sonnenuntergang. Mit seiner Rückfront lehnt sich der Kasten gegen einen
Abfall der Niederterrassenflucht, sodass seine Hinterfenster nur eine Steilwiese sehen, die Vorderfront aber reichlich 2 Stock gegen die Eisenstraße abfällt. Das schwere, einstöckige, durch ein gewaltiges, schwach abgewalmtes Schindeldach beschirmte Hauptgebäude zeigt an der Süd- und Westseite je einen erkerartigen Anbau. Dem südlichen Anbau, hart benachbart, steht eine Art Auszughäusl mit Stadel. An dem westlichen Anbau schließt sich, etwas vorspringend, ein langgestrecktes Bauwerk an. gleichlaufend mit Straße und Fluss. Dann folgt ein nochmaliger Vorsprung eines Holzbaues, der mit 4 Steinbögen gegen die Straße abgestützt ist. So entsteht eine vielfach gewinkelte Front, die aber durch die vollkommen einheitliche Abschrägung der Schindeldächer harmonisch zusammengefasst wird. Sehr eigenartig ist der Umstand, dass eine kleine Abzweigung der Eisenstraße den westlichen Anbau durch ein Steintor unterfährt und sich erst hinter den Nebenbauten wieder mit dem unteren Straßenarm vereinigt. Ein vielgewählter Ausweg, wenn Hochwasser den unteren Eisenstraßenteil überrinnt. Bis zu welchen Höchstmaß dies seit 400 Jahren der Fall war, melden die Hochwassermarken an der Außenseite des Steintores“



Laut Kaufvertrag vom 13.Juni 1961 wird die Ennskraftwerke AG (heute Ennskraft) als Besitzer des Kastens an der Enns ausgewiesen. Der Kasten wurde renoviert und das Ennsmuseum in dem Gebäude untergebracht. Die Eröffnung erfolgte am 8. Juni 1974. Dieses Heimatmuseum ist eine Einrichtung, die Jahr für Jahr zahlreiche Besucher anzieht und sie in die Geheimnisse des Kastens an der Enns einweiht.


Quellen:
Josef Ganslmayr: Chronik des Marktes Weyer
Ernst Neweklowsky: Eisenschifffahrt auf der Enns
Alfred Hofmann: Wirtschaftsgeschichte von OÖ
Valentin Preuenhueber: Annales Styrenses
Hans Pirchegger : Das steirische Eisenwesen
Richard Kutschera: Scheibmaschinen Manuskripr-Der Kasten an der Enns
Kajetan Franz v. Leitner: Väterländische Reise von Grätz über Eisenerz nach Steyr
Wilhelm Lemoch: Weyer im Wandel der Zeit
Georg Grüll: Der Markt Weyer und sein Archiv
Georg Grüll: Aus Heimatland; Beiträge zur Geschichte des Kastens an der Enns
Anton von Pantz: Die Innerberger Hauptgewerkschaft
Ennskraftwerke AG: Sonderdruck „700 Jahre Flößerei auf der Enns“
Anton Rolleder: Heimatkunde von Steyr
Josef Ofner: Die erste Anlage des Roß uns Schiffweges von Steyr bis Haimbach bei Altenmarkt
 

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