Elfie
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Eine kleine Geschichte aus dem niederösterreichischen Mostviertel der 1950er Jahre, zum 5. Dezember passend:
In Lisas Kindheit gab es keine Zeit.
Als die Tage kürzer wurden und das Wetter immer öfter ein Spielen im Garten verhinderte, weil es kalten Regen und bald schon den ersten Schnee gab, kam statt der Adventzeit die Mutter mit einem großen Reisigkranz. Der wurde mit Schokoengerln, Windringerln und Schnappsflascherln geschmückt, auch Lametta kam darauf und vier Kerzen.
Vater plazierte ihn auf den Haken an der Decke und jeden Sonntag wurde eine Kerze mehr angezündet.
Später kam statt der Weihnachtszeit das Christkind.
Zuvor aber, solange der Kranz da oben hing, gab es noch einige geheimnisvolle Vorgänge und an einem bestimmten Abend war Spannung angesagt: der Nikolo kommt.
Weiß gekleidet mit Mütze, Bart und Stab und einem Gefährten, der weniger beliebt war.
Auf diese Weise schuf man Ordnung: der Bischof für die Guten, der Teufel für die Bösen und die Kinder glaubten es.
Tage zuvor schon wurde liebevoll drauf hin gewiesen: „ nau woat nur, waunst net brav bist, hoit di da Krampas“.
Die langen Abende, die Enge der großelterlichen Küche, zu wenig Platz für Bewegung – da war brav sein ein Kunststück.
Ein guter Grund also, den Teufel auf den Plan zu rufen. Und wirklich: eines abends bedrohliches Kettenrasseln vorm Fenster.
Auch schlagen an die Schuppentür.
„Der Dodl haut mas Dirl zaum“ brummte Großvater in Richtung Großmutter. Trotz des Herzklopfens hörte Lisa das.
Warum Großeltern an die Schwerhörigkeit kleiner Kinder glauben, bleibt ein Geheimnis, jedenfalls wußte Lisa, dass es extra aufzupassen galt, wenn einer von ihnen in bestimmter Weise seine Stimme absenkte und sich dem Ohr des anderen näherte.
Auf diese Art schnappte sie auch eines langen Abends Großvaters Worte auf: „Host eh in Scherza Naz gsogt, er soi auf d´Nocht mit da Kedn kuma?“
Nachdem Zeit aber keine kindergerechte Kategorie ist, fehlte Lisa der Zusammenhang.
Auch die Eltern fielen einmal aus dem Rahmen der perfekten Inszenierung, als der Nikolo mit einem ganz besonders ungestümen Krampus daherkam.
Der Bischof besah sich einige Schulhefte, stellte ein paar Fragen, verlangte ein kurzes Gebet und beschäftigte so das Kind, das schon sehnsüchtig auf sein Sackerl wartete.
Trotzdem entging ihm nicht, dass es der Krampus auf den Vater abgesehen hatte. Er tat ganz wild mit seiner Rute, schlug den armen Mann sogar, der auf der Couch zwar jedesmal die Beine anzog und die Arme schützend vors Gesicht hielt, dabei aber verhalten lachte.
Das muss den Teufel ja ärgern, dachte Lisa.
Plötzlich machte die Mutter, die bis dahin neben ihr beim Nikolo gestanden war, einen Schritt auf die beiden zu und zischte: „Heast, hau ma net de Möwen o!“
Auch dem Vater wurde es zu bunt und im gleichen Tonfall sagte er: „Jetz schleich di mit den Bledsinn!“
In diesem Moment bekam Lisa ihr Sackerl und war selig.
Als die beiden Gäste die Wohnung verließen – der eine würdigen Schrittes, der andere grölend springend, war das Gehörte längst vergessen.
Als später schon leichte Zweifel an der Echtheit dieser Gestalten auf kam, verhalf ein Ereignis zur endgültigen Klarheit:
Die Wohnungsnachbarin, Frau Beranek, erzählte der Mutter, dass heute der Krampus kommt, weil der Franzi gar so schlimm ist.
Dieser war dabei und gab sich furchtlos: „Den reiß i de Loava owa, den reiß i in Schwoaf aus!“
Am Abend Gepolter im Vorhaus. Lisa und die Eltern schauten vorsichtig vor die Tür.
Nikolo und sein Begleiter gingen in die Nachbarwohnung und Lisa folgte ihnen in sicherem Abstand, bis sie in die beranek´sche Wohnung sehen konnte. Franzi saß auf dem Schoß der Mutter und sagte unentwegt mit schreckensweiten Augen: „Vataunsa derdubist, Vataunsa derdubist, Vataunsa . . .“
Irgendwie gönnte sie dem frechen Buben seine Angst, doch sie hatte zuvor, als sie den beiden gefolgt war, die Ohren und den Hals hinter den Masken gesehen.
Das war das Ende einer Illusion.
Lisa schwieg noch lange. Sie wußte: würde sie es der Mutter sagen, kämen die beiden nie wieder.
In Lisas Kindheit gab es keine Zeit.
Als die Tage kürzer wurden und das Wetter immer öfter ein Spielen im Garten verhinderte, weil es kalten Regen und bald schon den ersten Schnee gab, kam statt der Adventzeit die Mutter mit einem großen Reisigkranz. Der wurde mit Schokoengerln, Windringerln und Schnappsflascherln geschmückt, auch Lametta kam darauf und vier Kerzen.
Vater plazierte ihn auf den Haken an der Decke und jeden Sonntag wurde eine Kerze mehr angezündet.
Später kam statt der Weihnachtszeit das Christkind.
Zuvor aber, solange der Kranz da oben hing, gab es noch einige geheimnisvolle Vorgänge und an einem bestimmten Abend war Spannung angesagt: der Nikolo kommt.
Weiß gekleidet mit Mütze, Bart und Stab und einem Gefährten, der weniger beliebt war.
Auf diese Weise schuf man Ordnung: der Bischof für die Guten, der Teufel für die Bösen und die Kinder glaubten es.
Tage zuvor schon wurde liebevoll drauf hin gewiesen: „ nau woat nur, waunst net brav bist, hoit di da Krampas“.
Die langen Abende, die Enge der großelterlichen Küche, zu wenig Platz für Bewegung – da war brav sein ein Kunststück.
Ein guter Grund also, den Teufel auf den Plan zu rufen. Und wirklich: eines abends bedrohliches Kettenrasseln vorm Fenster.
Auch schlagen an die Schuppentür.
„Der Dodl haut mas Dirl zaum“ brummte Großvater in Richtung Großmutter. Trotz des Herzklopfens hörte Lisa das.
Warum Großeltern an die Schwerhörigkeit kleiner Kinder glauben, bleibt ein Geheimnis, jedenfalls wußte Lisa, dass es extra aufzupassen galt, wenn einer von ihnen in bestimmter Weise seine Stimme absenkte und sich dem Ohr des anderen näherte.
Auf diese Art schnappte sie auch eines langen Abends Großvaters Worte auf: „Host eh in Scherza Naz gsogt, er soi auf d´Nocht mit da Kedn kuma?“
Nachdem Zeit aber keine kindergerechte Kategorie ist, fehlte Lisa der Zusammenhang.
Auch die Eltern fielen einmal aus dem Rahmen der perfekten Inszenierung, als der Nikolo mit einem ganz besonders ungestümen Krampus daherkam.
Der Bischof besah sich einige Schulhefte, stellte ein paar Fragen, verlangte ein kurzes Gebet und beschäftigte so das Kind, das schon sehnsüchtig auf sein Sackerl wartete.
Trotzdem entging ihm nicht, dass es der Krampus auf den Vater abgesehen hatte. Er tat ganz wild mit seiner Rute, schlug den armen Mann sogar, der auf der Couch zwar jedesmal die Beine anzog und die Arme schützend vors Gesicht hielt, dabei aber verhalten lachte.
Das muss den Teufel ja ärgern, dachte Lisa.
Plötzlich machte die Mutter, die bis dahin neben ihr beim Nikolo gestanden war, einen Schritt auf die beiden zu und zischte: „Heast, hau ma net de Möwen o!“
Auch dem Vater wurde es zu bunt und im gleichen Tonfall sagte er: „Jetz schleich di mit den Bledsinn!“
In diesem Moment bekam Lisa ihr Sackerl und war selig.
Als die beiden Gäste die Wohnung verließen – der eine würdigen Schrittes, der andere grölend springend, war das Gehörte längst vergessen.
Als später schon leichte Zweifel an der Echtheit dieser Gestalten auf kam, verhalf ein Ereignis zur endgültigen Klarheit:
Die Wohnungsnachbarin, Frau Beranek, erzählte der Mutter, dass heute der Krampus kommt, weil der Franzi gar so schlimm ist.
Dieser war dabei und gab sich furchtlos: „Den reiß i de Loava owa, den reiß i in Schwoaf aus!“
Am Abend Gepolter im Vorhaus. Lisa und die Eltern schauten vorsichtig vor die Tür.
Nikolo und sein Begleiter gingen in die Nachbarwohnung und Lisa folgte ihnen in sicherem Abstand, bis sie in die beranek´sche Wohnung sehen konnte. Franzi saß auf dem Schoß der Mutter und sagte unentwegt mit schreckensweiten Augen: „Vataunsa derdubist, Vataunsa derdubist, Vataunsa . . .“
Irgendwie gönnte sie dem frechen Buben seine Angst, doch sie hatte zuvor, als sie den beiden gefolgt war, die Ohren und den Hals hinter den Masken gesehen.
Das war das Ende einer Illusion.
Lisa schwieg noch lange. Sie wußte: würde sie es der Mutter sagen, kämen die beiden nie wieder.