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Bahnhof ohne Eisenbahn

SAGEN.at

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Die Bahn bringt den Aufschwung! Bringt wirtschaftliche Belegung, Umsatz und Wohlstand! Was also tut einer, der von solchem Aufschwung als erster profitieren will und seiner Zeit voraus ist?

Er baut einen Bahnhof - auch wenn es noch keine Bahnlinie gibt.

Und so wurde vor rund 100 Jahren an der Abzweigung Oswaldgraben-Gallmannsegg ein schmuckes, zweistöckiges, weststeirisches Bahnhofsgebäude errichtet. Das Haus steht heute noch - aber Eisenbahn fährt immer noch keine durchs Kainachtal. Seit 1890 wird die "Kainachtal-Bahn", die von Voitsberg über Kainach und den Oswaldgraben weiter nach Knittelfeld führen soll, diskutiert.
(zitiert aus: Ernst Lasnik, Glück auf! Glück ab! Die Ära des Braunen Goldes, Hart-Purgstall 2004, S. 538 - 541)

Viele kennen vermutlich das Motiv "Bahnhof ohne Eisenbahn" auch aus dem wohl bekanntesten Western "Spiel mir das Lied vom Tod" ("Once Upon a Time in the West"), Sergio Leone, I/USA 1968.

Aber wer kennt weitere Bahnhöfe ohne Eisenbahn?

Wolfgang (SAGEN.at)
 
es sollte da ein bahnhofsgebäude in huben in osttirol geben. der fall liegt ähnlich: ein investor erbaute das gebäude (auch vor 100 jahren?) in der vorannahme, dass über kurz oder lang eine eisenbahnlinie durchs iseltal führen würde. die bahn fährt heute ebensowenig durchs iseltal als durchs kainachtal, aber auch dieses gebäude steht noch.

zumindest habe ich diesen sachverhalt in erinnerung und bilde mir ein, schon vor dem gebäude gestanden zu sein. leider ergab eine google-recherche (ja, ich weiß, wolfgang, google ist nicht allwissend... ;) ) kein ergebnis - auf nachfrage bei zwei osttirolerinnen wissen diese davon aber auch nichts. einen hinweis fand ich im gästebuch der gemeinde ainet:

"Und irgendwann in 100 Jahren wird es dann wohl auch mal eine U-Bahn von Matrei nach lienz geben. Da hat dann der Bahnhof in Huben auch wieder einen Sinn..." (Admin: externer Link existiert nicht mehr) (kommentar von wunu am 19. Januar 2006)

beim nächsten heimaturlaub im mölltal werde ich selbstverständlich einen lokalaugenschein vornehmen! :D
 
Auch die Eisenbahnliteratur zu Tiroler Bahnen bringt leider keinen Hinweis, hier ist es so, dass Bahnen und Bahnprojekte (deren es übrigens noch einige mehr gab) erst aufgezählt werden, wenn Bahngleise oder Gleisanlagen, Tunnels etc gebaut wurden.

So gesehen ist die vorliegende Fragestellung "Bahnhof ohne Eisenbahn" auch eine ganz schön schwierige Sache... :confused:

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Also es gibt Hinweise, dass in Huben im Iseltal ein Bahnhof ohne Eisenbahn errichtet wurde:

Im Buch "Matrei in Osttirol, Ein Gemeindebuch zum 700-Jahr-Jubiläum der ersten Erwähnung als Markt 1280 - 1980" von Michael Forcher, Matrei 1980, heißt es auf S. 187:

"Zwar hatte der Bau der Drautal- und Pustertalbahn in den Jahren 1870/71 Osttirol mit der großen Welt verbunden, doch war selbst 40 Jahre später die Verbindung ins Iseltal äußerst schlecht. Aus dem in den achziger Jahren geforderten und auch schon projektierten Bau einer Bahnlinie über den Felbertauern war nichts geworden, weil sich die Kärtner und Salzburger mit ihrem Bahnprojekt Mallnitz-Gastein durchgesetzt hatten. Und als in den Jahren nach 1900 eine Lokalbahn von Lienz nach Matrei (mit Normal- oder Schmalspur) zur Debatte stand, gediehen die Vorarbeiten (Projektierung, Trassierung, Aktienzeichnung, behördliche Genehmigung) zwar rasch, doch bis zur Verwirklichung reichte es wieder nicht."

Im Buch "Matrei in Osttirol. Eine Wanderung von der Kienburg bis zum Großvenediger" von Tobias Trost und Alexander Brugger, Wien 2005, finden sich die vier angehängten historischen Postkarten, die einen Bahnhof als Spekulationsbauobjekt durchaus realistisch erscheinen lassen. Zudem wird der Hubenwirt Sebastian Taferner als ideenreich und innovativ beschrieben:

- Gasthaus Taferner in Huben um 1900. Im Vordergrund der Hubenwirt Sebastian Taferner mit seiner Familie

- Gasthaus Taferner mit Postwagen und Pferdekutschen

- Gasthaus zur Hube, um 1899

- Huben im Iseltal, Tirol

- Gasthaus zur Post, Huben. Haltestelle der Postwagen Lienz - Windisch-Matrei


Wolfgang (SAGEN.at)
 

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ein neuer literaturfund belegt nun den bahnhofsbau in huben. für den hinweis danke ich frau jesacher vom gemeindeamt matrei/osttirol!
die idee eines eisenbahnprojekts durchs iseltal entstand wie im vorigen beitrag erwähnt in den 1880er jahren.

Eine Eisenbahn, die nie gebaut wurde, Auszug aus:
ANNA WALDECK: OSTTIROLER G'SCHICHTEN. Das Landl zwischen den Ländern. Lienz 1993:


Am 21. Mai 1898 wird berichtet, daß Zivilingenieur Otto Seeger aus München die projektierte Trasse besichtigen und im Lauf des Monats Juni die Vorarbeiten für dieselbe in Angriff nehmen wird. »Und«, so schrieb man hoffnungsvoll, »sollte das Projekt tatsächlich verwirklicht werden, so wäre die Einführung der elektrischen Beleuchtung in Lienz sehr nahe gerückt«! Am 3. Juni 1900 fand in Anwesenheit von Vertretern sämtlicher Gemeinden des Iseltales in der Veranda vom Gasthof Fisch eine Besprechung über die Erbauung einer Bahn durch das Iseltal statt. […] Es wurden Anträge beschlossen, der Bahn näher zu treten. Ein […] Komitee sollte die Bahnpläne vorantreiben. Zur Begleichung eventueller Kosten standen vorläufig eine Spende der Sparkasse von 2000 Kronen zur Verfügung. Weitere Kosten wollte man mit Beiträgen der Gemeinden und mit Spenden decken. In der Praxis waren aber nur wenige Gemeinden bereit, sich an den Projektierungskosten zu beteiligen. Deshalb konnte das Komitee vorläufig über Ein- und Ausfuhrverhältnisse des Iseltales sammeln. […]

Der Kommissionär für die Iseltalbahn, Ing. Riedl, legte Gemeinden und dem Komitee ein Offert der Projektfassung vor. Darüber wurde am 20. Oktober 1900 beraten. Die Bevölkerung war vom Straßenbau nicht sonderlich begeistert. Sie befürchtete viele Abgaben und wenig Vorteile. Es könnte nicht damit gerechnet werden, daß Straße und Bahn zugleich finanziert werden. Straße oder Bahn, die Frage zog sich durch die Jahre, Hoffnungen und Befürchtungen wechselten, Reden wurden gehalten, geschehen ist nichts. Zweifel wurden geäußert, ob von den zuständigen Stellen überhaupt jemals im Ernst an diese Bahn- und Straßenprojekte gedacht worden war. Nachdem es entschieden war, daß die Tauerntalbahn durch das Iseltal bestimmt nicht mehr gebaut werden würde, reduzierten die Iseltaler ihre berechtigten Wünsche auf den Bau einer Eisenbahn von Lienz nach Matrei mit einer Fortsetzung nach Prägraten, getreu dem Spruch: »Besser den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach!« […]

Sebastian Taferner, der kluge und vorausschauende Wirt in Huben, nahm großen Anteil an den Bahnbauplänen. Er zweifelte nicht daran, daß dieses vernünftige, wichtige und notwendige Anliegen auch durchgeführt wird. Er lief den Ereignissen voraus und baute in Huben, direkt gegenüber seinem Gasthaus, den Bahnhof in Eigeninitiative. Der Bau wurde im Rücken mit einer 1 1/2 Meter dicken Mauer gegen die Felswand abgestützt und der Eingang zum Tunnel durch den Berg nach Matrei fixiert. Diese Aktion stellte sich als etwas voreilig heraus. In den Hubener Bahnhof fuhr nie eine Eisenbahn ein. Das langgestreckte Gebäude mitten im Dorf ist eine Dokumentation bitterer Enttäuschung. Nach mehreren Versuchen, es irgendwie nutzbringend zu verwerten, altert es schon lange vor sich hin. Die Mauern sind feucht, das Dach desolat, es fehlt an sanitären Einrichtungen und anderem. Der »Bahnhof« steht als gemauerte Erinnerung an bürokratisches Unvermögen in der k. u. k. Zeit und auch noch lange danach. […]

bahnhof_huben.jpg


bahnhofsgebäude in huben, foto aus: waldeck 1993, 52.
 

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Zuletzt bearbeitet:
wenn anna waldeck in einer ihrer osttiroler g'schichten, die zwischen 1985 und 1991 im osttiroler boten erstabgedruckt wurden, davon spricht, dass der bahnhof in huben eine "dokumentation bitterer enttäuschung" sei, so ist der gebäudekomplex heute eine dokumentation gelungener revitalisierung! karl steiner hat bereits 1992 seine bäckerei darin eingerichtet - und sorgte wohl für die sanierung. zusätzlich sind wohl wohnungen neu eingerichtet worden. das wegkreuz wurde versetzt und erneuert; das linke drittel des gebäudes wartet noch auf erneuerung.

huben_bhf2.jpg


huben_bhf3.jpg


huben_bhf.jpg


das gegenüberliegende ehemalige wirtshaus von sebastian taferner hat sich in über 100 jahren baulich zwar weiterentwickelt, leider ist es gegenwärtig geschlossen.

huben_gh_taferner.jpg


© claudia ruppitsch, 25.07.2008
 
Zuletzt bearbeitet:
Oberhalb von Meiringen (Berner Oberland), etwa auf halber Strecke zum Brünig, befindet sich ein gut gebautes Haus aus Stein. Als ich um 2005 Jahren einigen Ortskennern und Lokalhistoriker vorbeigewandert bin, wurde erzählt, dass dieses aus um 1880 herum gebaut worden war.
Seit ca. 1850 gab es Pläne, das Berner Oberland von Luzern aus via Obwalden/Brünigpass bahntechnisch zu erschliessen. Als die Projekte ab 1872 konkreter wurden, soll jemand (aus Meiringen?) dieses Haus mitten im Wald gebaut haben, da er annahm, dass die Brünigbahn hier vorbeikomme, und er dann exklusiv eine "Villa" mit Bahnanschluss (Haltestelle) habe. Nun, die Brünigbahn nahm 1888 ihren Betrieb auf, aber dank der Zahnstangensystems konnte das Trasse an einem anderem Ort geführt werden, und der Besitzer blieb auf seiner "Villa" mitten im Wald sitzen.
 
Aber wer kennt weitere Bahnhöfe ohne Eisenbahn?

Da gibt es einiges in Österreich ;)

- Die Pferdebahnhöfe entlang der ehemaligen Pferdeeisenbahn Linz - Budweis (z.B. Lend)
- Die Bahnhöfe der ehemaligen SKGLB: Thalgau, Aigen Vogelhub, St. Wolfgang, St. Gilgen, etc.)
- Die Bahnhöfe der Steyrtalbahn (Molln, etc.)
- Bahnhof Bad Hall

Die Liste ist nahezu unendlich fortsetzbar, einfach mal einen Eisenbahnatlas nehmen und nach stillgelegten Bahnlinien suchen, da findet man einiges in Östereich.

MFG Dachstein
 
Ups.... Na dann wird die Sache interessant. Mir sind zwar in Slzkammergut einige Trassenteile (nach Literatur (Aschauer)) bekannt, welche nie eine Bahnschwelle gesehen haben, aber Hochbauten, sind mir ad hoc keine bekannt.

MFG Dachstein
 
Danke claru,
das Gebäude der Bäckerei Steiner ist die Lösung.
Bei einem Besuch gestern im Heizhaus im Bahnhof Lienz hat uns ein pensionierter Eisenbahner und Vereinsmitglied eine Karte der im 19. Jh. geplanten Bahnlinien in Osttirol gezeigt. In dem Zusammenhang berichtete er über den Hubener, der bereits bei der Planung der Bahn mit dem Bau eines Bahnhofs begann.
Interessant noch die Information eines Einheimischen, dass an dem Gebäude selbst noch bis zum Um- und Ausbau Anfang der 90er Jahre Gleise gelegen haben.
Danke auch für die Fotos. Wir waren heute gleich mal dort und haben uns umgesehen.
Herzliche Grüße aus Osttirol!
 
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