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Weihnachten, Rauhnächte

baru

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- so hat meine Mutter, Jg.1921, ein Kapitel in ihren schriftlichen Erinnerungen überschrieben. Sie lebt leider nicht mehr, und ich meine, sie hätte nichts dagegen, wenn ich euch hier an ihren Erinnerungen teilhaben lasse, Erinnerungen an die Jugendzeit im Oberpinzgau:

Weihnachten, Rauhnächte
Feste u. deren Bräuche, wie wir sie erleben durften​

Die Weihnachtszeit:

Die Natur hat sich zur Ruhe begeben.
Abgeerntet die Felder, so nun kann sie ihr weißes Tuch darüber breiten und die stillste Zeit im Jahr kommt auf uns zu.
Denkt man zurück an unsere Kind- u. Jugendzeit, so war sie wirklich die stillste Zeit. Im Gebirge dominierte der Winter, es gab im Vergleich zu jetzt mehr Schnee und Kälte. Und es gehörte einfach dazu, dass auf dem Weg zur „Rorate“ der Schnee unter den Füßen krachte; Stimmung für die Weihnachtszeit. Schön war dieser Gang, in Gedanken versunken über die Vorbereitung und Arbeit für die Weihnachtszeit.

Großmutter ordnete die Tage und alles geschah planmäßig; sie hielt viel vom Putzen und Saubermachen. An einem sonnenreichen Tag wurde z.B. die vordere Haus-Blockwand mit Laugenwasser geschrubbt, das waren etliche m², aber es lohnte sich die Mühe.
In der Holzhütte wurden sorgfältig die Stapel aufgerichtet, denn der große Ofen in der Stube brauchte nicht wenig Brennholz. Unsere Tante Regina sorgte dafür, dass alle Tage die große Kraxe gefüllt vorm Ofenloch stand. Sie war dann auch der „Heizer“, wobei sie an sehr kalten Tagen schon um 5 Uhr morgens das Feuer schürte.
Die Tätigkeit nebenzu war das Butterrühren; der Kübel war in der Wohnstube montiert, den abwechselnd Tante Nani u. Regina in Schwung brachten. 4 – 5 l Rahm in richtiger Temperatur gerührt, dauerte eine geraume Zeit, bis man durch ein Geräusch gefühlsmäßig feststellte, dass die Butter abfiel.
Die Knechte, die schon um 5 Uhr gefrühstückt hatten, lagen um den warmen Ofen u. warteten, bis das Tageslicht durch das Fenster kam.
Sie fuhren den Mist auf die Felder, brachten Holz für Brennholz ans Haus und von den umliegenden Heustadeln Heu in die Scheune.

Ein aufregender Tag war das Klotzenbrotbacken.
Am Vortag-Abend wurde der Backtrog mit dem Roggenmehl in der Küche aufgestellt, mit Germ ein sogenanntes „Dampfl“ eingerührt und über Nacht stand es dann in der warmen Küche. Rosinen, Zibeben, geschnittene Feigen, gedörrte Birnen (Klotzen) u. etwas Haselnüsse kamen in eine große Schüssel, mit etwas Schnaps oder Rum übergossen, sowie Zimt- und Nelkenpulver als Geschmacksbeigabe ließ man auch über Nacht stehen.
Am nächsten Morgen wurde der Brotteig geknetet. Ist der Teig gut aufgegangen, mischte man die Köstlichkeiten dazu, formte schöne Wecken, ließ nochmals aufgehen. Inzwischen heizte man den großen Ofen im Backhaus, den man dann sauber machte, die Glut ringsum beließ u. das Kletzenbrot einschoss. Bekam es eine schöne braune Farbe, nahm man das Brot aus dem Ofen u. bepinselte es mit Zuckerwasser. Jeder vom Gesinde bekam einen schönen Wecken, der erst am Hl. Abend angeschnitten wurde.

"Fack abstechen"
Zu den Weihnachtsfeiertagen gab es besseres Essen.
Sobald die Tage kälter geworden waren, wurde die Jahres-Sau geschlachtet. Es gab wieder verschiedene Arbeiten.
Der Metzger kam ins Haus, teilte das Schwein in nette Stücke, löste das Selchfleisch vom Knochen u. zerkleinerte dieselben, die dann in eine sogenannte „Sur“ kamen und für den Festtagstisch gebraten wurden.
Die größeren bratigen Stücke salzte man ein, würzte mit Knoblauch, Majoran und Pfeffer, gab die Stücke ins Surfass und beschwerte es.
Nach etlichen Wochen kamen sie dann in die Selchkammer. Ein größeres Schwein reichte für den ganzen Jahresbedarf einer 12 – 13köpfigen Familie.
War die Sau ziemlich fett, so wurde das Fett ausgelassen für den Schmalztopf. Die Grammeln verwendete man für den Weihnachtskuchen. Vom Blut wurden Blutwürste gemacht, von der Leber gab es gebackene Leberknödel.
Zum Selchen verwendete man halbtrockenes Wacholderholz, das entwickelte viel Rauch u. und gab guten Geschmack für das Fleisch.

Die Rauchnächte
Ein überlieferter Brauch ist das Rauchengehen.
In das Rauchfass – wir nahmen immer das alte Bügeleisen – wurde schöne, abgebrannte Glut aus dem Ofen eingefüllt; darüber streute man geweihten Weihrauch. Es duftete herrlich und wie mehr Rauch sich entwickelte, desto besser. Der Großknecht, begleitet von einem Kind, hatte die Aufgabe, in jeden Raum des Hauses zu rauchen. Mit Weihwasser zu sprengen war die Aufgabe der Begleitperson. Zu den Futterställen, sogar zu hochgelegenen, stapfte man im tiefen Schnee und brachte den geweihten Rauch zu den Tieren.

Dieser Rauchgang wiederholte sich dreimal, am Vorabend, also hl. Abend, dann am Vorabend zu Neujahr, also Silvester, zum letzten Mal am Vorabend zu hl. drei Königen; an diesem Tag schrieb man mit Kreide deren Namen an die Haustür
19 K + M + B mit der jeweiligen Jahreszahl.
Das „Rauchengehen“ war für uns Kinder eine freudige Zeit.


Hl. Abend
Mit der großen Familie am Bauernhof wurde der Rosenkranz gebetet.
Wir knieten um die großen Bänke in der Wohnstube, Mutter und Vater am großen Esstisch, sowie die kleinen Kinder durften am großen Tisch sitzen.
am Tisch stand eine Kerze u. Großmutter betete den Rosenkranz vor. Er war manchmal ziemlich lang – aber es war Weihnacht, innere Freude und Wärme durchströmte uns; wir waren glücklich, dies alles zu erleben.

„Dann kam das Christkind“
Ein schöner Lichterbaum u. ganz bescheidene Geschenke, davon zehrten wir das ganze Jahr.
Zur Mitternachts-Messe gingen alle Angehörigen des Hauses, nur der junge Bauer blieb daheim u. hütete Haus u. Hof.
Nach dem Kirchgang schlotterte man vor Kälte, da tat dann die heiße Fleischbrühe, die mir gemeinsam aus einer Schüssel aßen, sehr gut.
 
Mit Ehrfurcht verneige ich mich vor der Autorin - Ein wunderschöner Text.
 
Ich schließe mich der Meinung von Harry an - wunderbar.
Man fühlt sich richtig in weihnachtliche Stimmung versetzt.
Ich kenne das Wort "Klotzenbrot" eher als "Kletzenbrot". Wahrscheinlich ist die Bezeichnung regional verschieden.
Amüsant finde ich die Passage "teilte das Schwein in nette Stücke".
LG far.a
 
Danke!
Das
harry:Mit Ehrfurcht verneige ich mich vor der Autorin - Ein wunderschöner Text.
far.a:Ich schließe mich der Meinung von Harry an - wunderbar.
berührt mich sehr.
Meine Mutter war eine stille, sehr starke Frau, der das Schicksal nichts geschenkt hat. Sie würde sich sehr über eure Worte gefreut haben.


Ich kenne das Wort "Klotzenbrot" eher als "Kletzenbrot". Wahrscheinlich ist die Bezeichnung regional verschieden.
Wir sagen eigentlich "Klåznbråt"
(Beim Wort "Braten" geht der Laut für das a dafür eher in Richtung o .Die unergründlichen Feinheiten des Dialekts....
Amüsant finde ich die Passage "teilte das Schwein in nette Stücke".
"nett" ist in diesem Zusammenhang als handlich (bzw. "gfiarig") zu verstehen.
 
Ein wirklich sehr berührender Text, der die Stimmung sehr schön trifft - und unübertreffbar persönlich formuliert.

Und auch ganz persönlich: Ich freue mich über das jetzt gerade empfundene Gefühl, dieser Frau einst begegnen zu wollen ....

Norbert
 
cerambyx schrieb:
Ein wirklich sehr berührender Text, der die Stimmung sehr schön trifft - und unübertreffbar persönlich formuliert.
Und auch ganz persönlich: Ich freue mich über das jetzt gerade empfundene Gefühl, dieser Frau einst begegnen zu wollen ....
Norbert
Ich mein, die Mama liest da eh mit und so wird sie sich auf die dereinstige Begegnung jetzt schon freuen. :)

Da möcht ich noch eine kleine Begebenheit aus meiner Kinderzeit, die ich auch auf diesem Bauernhof verbringen durfte,anfügen:
Meine Mutter war 1947 mit 3 kleinen Kindern Witwe geworden und weil das kleine Gütl, von dem mein Vater stammte, noch nicht an ihn "übergeben" war, musste sie wieder "weichen". Sie fand in ihrem Heimathaus Unterschlupf und wir Kinder wuchsen dort auf.
Den Rosenkranz am Hl. Abend (bei uns eigentlich "Bachötåg" - Bachltag genannt) mussten wir natürlich mitbeten, einschließlich aller "Kraxentråger", das sind Gesätzchen, die der Vorbeter nach eigenem Gutdünken formuliert, meistens mit Bitte oder Dank verbunden.
Abgeschlossen wurde der Rosenkranz mit einer langen Heiligen-Litanei. Das "Bitt für uns" klang wie "Bipfrinn" - und wir Kinder wussten nichts damit anzufangen.
Bis auf meinen kleinen Bruder, 3 oder 4 Jahre alt, von dem konnte man plötzlich vernehmen:".... Epfö, ... Epfö, ...Bian, ... Bian, ..." (Apfel, Birn)
Die vorbetende Urgroßmutter überhörte es zuerst wohlwollend, aber als ein paar Nachbeter zu kudern (leise lachen) begannen, brachte sie ihn auf ihre liebevolle Art zum Schweigen: Sie nahm ihn auf den Schoß und legte den Zeigefinger zuerst auf ihren und danach auf seinen Mund . Nach dem Rosenkranz erklärte sie ihm, dass "sich das nicht gehört" und das Christkindl keine Freud damit hätte.

Und heute noch denke ich allein bei dem Wort "Litanei" an diesen Hl. Abend...
 
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