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Wanderungen durchs Ammerland und die friesische Wehde

Nicobär

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Das Ammerland ist ein früher Grenzregion zwischen der ehemaligen Grafschaft bzw. Großherzogtum Oldenburg und Ostfriesland. Anders als der ostfriesische Raum mit seinen Bauernrepubliken und seiner konfessionellen Vielfalt - die Zugehörigkeit zur katholischen, evangelisch-lutherischen und den verschiedenen evangelisch-reformierten Kirchen wechselt hier fast von Dorf zu Dorf - war das Gebiet der Grafschaft Oldenburg bereits seit dem Mittelalter unter geschlossener landesherrschaftlich-feudaler Kontrolle und nach der Reformation geschlossen protestantisch.

Vor allem im Zeitalter der mittelalterlichen Fehden war der gesamte Raum - heute eine in Deutschland einzigartige von Rhodedendren und Gartenbaubetrieben geprägte Parklandschaft - durch eine Vielzahl sogenannter 'Grenzfesten' geprägt - in der Regel handelte es sich dabei um sogenannte 'Turmhügelburgen' oder 'Motten', einfacher Wehranlagen, bestehende aus auf Hügeln errichteter einfacher Bauten, die von einem Graben sowie Palisadenzäunen umgegeben waren und die dem Schutz vor räuberischen Überfällen aus der ostfriesischen Region dienten oder von denen aus ihrerseits Raubzüge in die benachbarten ostfriesischen Gebiete durchgeführt wurden. Noch heute finden sich im Raum zwischen Westerstede-Ocholt im Süden und dem ehemaligen, im 17. Jahrhundert zugedeichten 'Schwarzen Brack' - einer ehemaligen, bis weit nach Südwesten reichenden Bucht des Jadebusens - im Norden zahlreiche Orts- und Flurnamen, die auf diese Grenzfesten hinweisen: Dringenburg, Leuchtenburg, Neuenburg, Friedeburg.

Über viele dieser Burgplätze erzählt man sich heute noch sagenhafte Geschichten, die von Raubzügen, Prinzessinnen, vor allem aber von ungeheuren Schätzen berichten, die an den Burgplätzen vergraben sein sollen - wie etwa von der Dingenburg bei Wiefielstede oder dem Burgplatz Mansingen, zwischen Westerstede und Ocholt gelegen.

Diese Schatzsagen haben dabei stets eines gemeinsam: die Schätze müssen unter völligem Schweigen gehoben werden und werden oft vom Teufel bewacht, der mit allerlei Tricks die Schatzgräber zum Reden zu verleiten versucht. So taucht oft zunächst ein wilder Reiter auf, der in jagendem Gallopp an der Burgstelle vorbei rast und dem nach einiger Zeit ein Wagen folgt, der von Schnecken, Küken oder Enten gezogen wird und auf dem eine Gestalt sitzt, die die Schatzsucher fragt, ob sie den Reiter wohl noch einholen könne. Allein der Anblick des seltsamen Gefährts für dann dazu, dass einer der Gräber seinen Mund nicht halten kann und der fast schon gehobene Schatz mit gewaltigem Poltern wieder in der Tiefe verschwindet (Sagen hierzu: "Der Burgschatz von Mansingen" oder "Die Dringenburg und ihre Schätze".

Vor allem diese Sagen haben vor allem im 19. Jahrhundert immer wieder Schatzsucher angezogen; im 20. Jahrhundert kam es dann zu professionellen archäologoschen Grabungen, die außer den oft wenigen Resten der Gebäude 'nur' mittelalterliche Scherben sowie Reste von Waffen an den Tag brachten - aus archäologischer und landeskundlicher Sicht Schätze von herausragendem Wert, liefern sie doch einen Einblick in das Leben in solchen ehemaligen Grenzburgen - pekuniär gesehen war der Wert der Schätze jedoch weniger wert.

Überhaupt kann man heute davon ausgehen, dass zu keiner Zeit große Schätze an Gold und Edelsteinen bei den Raubzügen erbeutet wurden, trieb doch weniger die Habgier die Burgbesatzungen und die ortsansässige Bevölkerung dazu, sondern eher die pure wirtschaftliche Not, insbesondere nach Mißernten und Naturkatastrophen.

Es gibt aber auch den schaurigen Neuenburger Urwald - ein 'echter' Urwald, der sich bereits seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht mehr in forstwirtschaftlicher Nutzung steht und dessen Entstehung in der Ortssage darauf zurück geführt wird, dass zwei alte Jungfern ihr Land an die Oldenburger Grafen verpachtet hatten und den Pachtvertrag nicht mehr verlängern wollten. Die Oldenburger Grafen erbaten sich aber noch eine letzte Ernte, sähten jedoch kein Getreide, sondern Eicheln. Ein Besuch dieses heutigen westlich von Varel am Jadebusen gelegenen Naturschutzgebietes, einem beeindruckenden Wald am Meer, lohnt sich auf jeden Fall.

Ebenso lohnenswert ist ein Besuch des Schloßparkes von Rastede, an dem bis ins 18. Jahrhundert das Marienkloster der Benediktiner stand und das Grablege des Oldenburger Herrscherhauses war. Der Sage gab es dort im Mittelalter eine Marienerscheinung, bei der Maria vom Altar herab stieg und einem als Schinder verrufenen Oldenburger Grafen das Herrschaftsinsignium, einem um den Hals getragenen Edelstein, zerstörte und ihn in geistige Umnachtung stürzte, so dass er zwei Wochen nach der Erscheinung starb.

Und es gibt das Zwischenahner Meer - einem vermutlich als Erdfall entstandenen großen See, das der Sage nach dadurch entstand, dass der Teufel den Bau der Oldenburger Lambertikirche verhindern wollte und aus lauter Wut bei Bad Zwischenahn große Erdmassen aus dem Boden riss, um die Stadt Oldenburg mit ihrer Kirche darunter zu begraben, was ihm jedoch nicht gelang, weil rechtzeitig der Hahn krähte und die Sonne auf ging und er alles fallen lassen musste, so dass der Wildenloh, ein Wald- und Hügelgebiet entstand.
 
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