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Lieblingsgedichte

Nach längerer Zeit habe ich wieder etwas Neues gefunden.
Neu im wahren Sinne des Wortes.
Es handelt sich um ein Gedicht von Sebastian 23, einem
Slampoeten und Comedian.


Zeit für Lyrik

Bäume sind Büsche auf Balken.
Schrauben sind Nägel mit Falten.
Zugfahren ist Fließen auf Gleisen.
Flüsse sind Meere auf Reisen.

Träume sind Schlaf mit Ideen,
Igel Kakteen, die gehen.
Fenster sind gläserne Mauern,
Und Berge Wellen, die dauern.

Pogen ist Tanzen mit Prügeln.
Kamele sind Pferde mit Hügeln.
Regen sind Wolken, die wenden,
Regeln Vorschläge, die gelten.

Netze sind Tücher mit Löchern.
Pfaue sind Vögel mit Fächern.
Biere sind Räusche in Bechern.
Schnecken sind Schlangen mit Dächern.

Säulen sind Bäume aus Steinen.
Tische sind Böden auf Beinen.
Schuhe sind Mützen für Füße,
Kekse kleine Brote mit Süße.

Beine sind Arme zum Laufen.
Mauern sind sehr gerade Haufen.
Sekunden sind Stunden, die rennen.
Eier sind werdende Hennen.

Koma ist Amok im Spiegel.
Kakteen sind fußkranke Igel.
Schränke sind Häuser für Sachen,
Und Weinen ist trauriges Lachen.
 
:sensationell: :smi_klats Gibt´s von dem noch mehr zu lesen? Man bekommt Lust, ein bisschen mehr von seiner Bilderwelt im Kopf zu erfahren.
 
Und wieder einmal hat mich Reinhard Mey zur Entdeckung eines, für mich,
noch ungehobenen Schatzes geführt.
Er zitiert dieses Gedicht in seinen Liedern "Dunkler Rum" und "Poor old Germany" und ich hätte es schon vor vielen Jahren entdecken können.
Aber man ist nicht immer klug.


Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland
Theodor Fontane

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit

Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: »Junge, willste 'ne Beer?«
Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn.«

So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.

Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen »Jesus meine Zuversicht«,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
»He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?«

So klagten die Kinder. Das war nicht recht -
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er tat,
Als um eine Birn' ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gingen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab, Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet's wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her,
So flüstert's im Baume: »Willste 'ne Beer?«
Und kommt ein Mädel, so flüstert's: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew' di 'ne Birn.«

So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.​
 
Sehr berührend! Ich konnte mit diesen Textstellen nichts anfangen, weil ich das Gedicht nicht kannte - sie haben mir gefallen, weil sie so "sagenhaft" klangen.

Das Gedicht war vermutlich auch eines seiner Lieblings... und das hat sich auch seit 37 Jahren (Album "Jahreszeiten") nicht geändert: hier spricht immer noch alles wie die Mickey Mouse :(
 
(zu Valéry)


Weder Tag noch Nacht,
Weder Stein noch Stern...

Das Äußerste und
das Schwerste ist,

Nicht-da-sein
denken zu müssen.

Wie soll ein Bewußtsein
zu sterben lernen,

sich schicken in seinen
Gegensatz?


Ernst Meister
 
Ich hab immer noch Ernst Meisters unnachahmliche Stimme im Ohr, dass er auch geschrieben hat, wusste ich nicht.
Oder handelt es sich um einen anderen E. M.?
 
Vielen Dank, die werde ich mir archivieren, gefallen mir sehr gut, kannte ihn nicht!
Es sind doch verschiedene Künstler, beide auf ihre Art Genies.
 
Ernst Meister (ohne s, das war ein "Fall": E. Meisters Stimme ;) ) war ein Schauspieler, der viel rezitierte und Sprecher von Dokumentationsreihen im sehr jungen Fernsehen war, z. B.: Der Fenstergucker.
 
Eines meiner Lieblingsgedichte ist dieses von Rainer Maria Rilke. Besonders die Alliterationen zu Beginn haben es mir (bei lautem Lesen!) angetan.

ADVENT
Es treibt der Wind im Winterwalde
die Flockenherde wie ein Hirt,
und manche Tanne ahnt, wie balde
sie fromm und lichterheilig wird,
und lauscht hinaus, den weißen Wegen
streckt sie die Zweige hin, bereit -
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.
 

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Wunderschön, danke :).
War auch eines meiner Lieblinge, als ich noch viel Gedichte las. Die Erinnerungen und Gefühle waren jetzt gleich wieder da :smi_blume
 
Weihnachtslied

Vom Himmel in die tiefsten Klüfte
Ein milder Stern herniederlacht,
Vom Tannenwalde steigen Düfte
Und hauchen durch die Winterlüfte,
Und kerzenhelle wird die Nacht.

Mir ist das Herz so froh erschrocken,
Das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken
Mich lieblich, heimatlich verlocken
In märchenstille Herrlichkeit.

Ein frommer Zauber hält mich wieder,
Anbetend, staunend muß ich stehn,
Es sinkt auf meine Augenlider
Ein goldner Kindertraum hernieder,
Ich fühl;s, ein Wunder ist geschehn.

Theodor Storm

Mit vielen Grüßen von Ulrike!
 
Mit diesem Gedicht möchte ich allen eine schöne Weihnachtszeit
und viel Glück und Gesundheit im neuen Jahr wünschen:


Wahre Geschenke
Walter Müller

Bald schließen die Märkte, die Christkindlläden;
Ist alles gekauft und mit Sternen geschmückt;
Mit Silberpapier und mit goldenen Fäden,
Der Gabentisch – Freunde – ist prächtig bestückt.

Wir wollen uns freuen mit kindlichen Seelen
An Engelsgesängen und Wachslichterspiel;
Und sollt zur Bescherung noch irgendwas fehlen,
ich wüsste Geschenke, die kosten nicht viel.

Zum Beispiel ein Lächeln, wenn dir eins fehlt
und wenn dich die Angst und die Traurigkeit quält;
Ein einfaches Lächeln in düsterer Nacht
das dich irgendwie wieder mutiger macht
und dich wieder lächeln lässt – hoffentlich
Ein Lächeln, das wär‘ mein Geschenk für dich.

Und wenn dir dein Stern aus dem Schneehimmel fällt
und fühlst du dich fremd und allein auf der Welt
Dann will ich bei dir sein – mit all meiner Kraft
Und glaub mir, zu zweit wird so manches geschafft
Du kannst mir vertrauen und bauen auf mich.
Die Treue – das wär mein Geschenk für dich.

Wenn dir was gelingt aber keiner ist hier sich mit dir zu freu’n
Du – ich freu mich mit dir und teil deine Sorgen, die großen, die kleinen
Und dann wenn du weinst, werd ich mit dir weinen
Bin an deiner Seite, lass dich nicht im Stich
Die Freundschaft , das wär mein Geschenk für dich.

Bald schließen die Märkte, die Christkindlläden;
Ist alles gekauft und mit Sternen geschmückt;
Mit Silberpapier und mit goldenen Fäden,
Der Gabentisch – Freunde – ist prächtig bestückt.

Wir woll’n uns erfreuen und lachen und singen
Mit leuchtenden Augen zum Wachslichterspiel
Das Christkind könn’t heuer Geschenke bringen
Die bringen vielleicht eure Herzen zum klingen
Und halten für lange und kosten nicht viel.
 
Danke für das Gedicht und deine Wünsche!

Dir ebenfalls Frohe Weihnachten, erholsame Feiertage und ein gutes und erfolgreiches Neues Jahr mit Glück und Gesundheit.
 
Danke für dieses besonders schöne und mir bisher unbekannte Gedicht!
Ein schönes Weihnachtsfest und alle guten Wünsche für das neue Jahr: Ulrike
 
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