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Der Sphinx vom Nahetal Ein fantastisch-mythisches Märchen aus der Vorzeit

odin

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Der Sphinx vom Nahetal

Ein fantastisch-mythisches Märchen aus der Vorzeit​

Es war in einer Zeit, als das heutige Nahetal noch völlig wild, menschenleer und verwunschen vor sich hin träumte. Die rauen Felsen und Bergwände, die sich hinter der heutigen Ortslage von Kirn-Sulzbach flussaufwärts verengen, besaßen noch ihre ganze Ursprünglichkeit. In den grünen Einsamkeiten der Bergwälder zwitscherten sommers nur die Vögel, und im Winter lag dichter Schnee auf den rotbraunen Steinhalden, den keine menschliche Spur je zerstörte. Um diese Zeit also war es, in der auch noch der große Felsenkopf an den nördlichen Talwänden fast unbeschadet mit wachsamen Augen über den Talgrund spähte; da, wo die Wasser des wilden Flusses rauschend und im Sonnenlicht glitzernd über erratische Felsgerölle tosten.

Im Gegensatz zu heute besaß das eindrucksvolle Felsenmonument auch noch seine beiden Pfoten, die von unbekannter Hand aus zwei natürlichen Felsenriffen plastisch herausgearbeitet waren. Diese zogen sich direkt von der Figur den Hang herab, und an ihren beiden Enden bildeten sie tatsächlich zwei mächtige Tatzen, die, wie bei einem Raubtier, mit eingezogen Krallen still und schüt-zend vor ihm ruhten. Oberhalb der riesigen Pranken erhob sich steil und stolz der majestätische Steinschädel. Ein ernstes, strenges Antlitz schaute unter einer haubenförmigen Kopfbedeckung hervor, die das Gesicht nach links und rechts begrenzte und dort fast bis zur Kinnpartie reichte. Diese heute völlig fremd wirkende Kopfbedeckung beschattete mit ihrem unteren Rand besonders die Augenpartie des steinernen Gesichts. Doch wenn trotzdem das helle Licht der Sonne in die beiden etwas melancholisch wirkenden Augen traf, blitzte es in ihnen auf, denn die unbekannten Steinmetze hatten zwei große Kristalle als Pupillen eingesetzt. Diese sogen die Energie der Erde, der Sonne und des Mondes auf und leiteten sie über unbekannte Kanäle in die Tiefe des Berges... Es waren aber keine Besucher von einem fremden Stern, die dies alles geschaffen hatten. Es war schier uraltes Menschenwerk, das hier nach den planetaren Kataklysmen, die vor über zehntausend Jahren das alte Reich Atlantis untergehen ließen, von einer der wenigen Gruppen Überlebender auf dem damals noch jungfräulichen Kontinent installiert wurde. Und auch nur ab und an - in hundert Jahren vielleicht einmal - kam einer ihrer Wartungs-trupps, um diese Anlage zu überprüfen. Aber selbst dieser beschränkte sich darauf, die beiden wertvollen Kristalle auf ihre Funktion und Unversehrtheit zu kontrollieren. Alles andere verlief wartungsfrei in der Tiefe des Monuments. Doch wenn die Herbst- und Winterstürme über das Land zogen, mit Frost, Eis und Tauwasser und im Sommer die heißen Sonnenstrahlen den dunklen Stein aufheizten, arbeiteten diese Naturkräfte unmerklich an dem Felsgebilde. Dennoch blieben ihm noch lange Jahrtausende, seine Aufgabe zu erfüllen. Es schützte nämlich das Tal mit dem Umland und gab seinen Erbauern Nachricht, wenn später einmal unbekannte Eindringlinge in den Gebieten auftauchen sollten.

Denn noch weiter flussaufwärts lag ein Berg, der in seinem Inneren eine hohe Konzentration wertvollster Minerale und Edelsteine enthielt. Seine innere Zusammensetzung war höchst selten für den Kontinent und stellte zugleich einen mächtigen magischen Platz dar, den die Kolonie der Überlebenden mit ihrem uralten Wissen zu nutzen verstand. Auch in den weiten weglosen Wäldern, die erst später den heute aber wieder fast vergessenen Namen Winterhauch trugen und weiter nach Westen zu, hatten sie in weiter Runde um diesen Gipfel Orte geschaffen, die ihnen dienstbar waren. Doch besonders der Edelsteinberg barg in seinem Inneren Energien, wie sie in der Natur nur selten in solcher Art und Stärke vorkamen. Und diese fruchteten und gaben den ehemaligen Atlantern um ihre neue Heimat weiträumig eine weitere positi-ve Ausstrahlung. Die magischen Kräfte, die dem Edel-steinberg innewohnten, verstanden sie zu verstärken und zu fokussierten. Was in ihrer alten Heimat geschehen war, sollte sich hier nicht wiederholen. Doch waren sie nicht allein auf dem alten Kontinent ...

Irgendwann kam es zum ersten Kontakt mit einheimischen Urbewohnern des Erdteils. Es war an einem Berg, den man heute den Donnersberg nennt, wo die Überle-benden zu ihrer Zeit eines der großen, viereckigen Erdbauwerke anlegten. Man würde dieses Tausende Jahre später von der Wissenschaft irrtümlich als „Keltenschanze“ bezeichnen, doch sollte es keineswegs den so ge-nannten Kelten zugeschrieben werden. Denn auch diese Anlagen entsprangen einem höheren, alten Wissen, das von dem untergegangenen Kontinent herrührte. Die später so rätselhaften Erdschanzen dienten nämlich der Wet-terberuhigung. Stürme und Orkane, die vom Atlantik verheerend über den Kontinent zogen, wurden von ihnen abgeschwächt und fast zum Erliegen gebracht, denn ihr innerer Aufbau in Verbindung mit unterirdischen Wasseradern bewirkte, dass sie bis hoch in die Atmosphäre eine bestimmte Art Wellen sandten, die Wetterfronten zerstörten und so in ihrer einstigen Masse einen gigantischen Schutzschild gegen den Atlantik darstellten.

Und so kam es, dass die Kolonisatoren eines Tages hier auf eine Gruppe von Ureinwohnern trafen, die ihr geheimnisvolles Tun heimlich beobachtet hatten und nun aus Wald und Fels hervortraten. Mit Wehr und Schild bewaffnet kamen sie auf die Fremden zu, um ihren Gau vor den Eindringlingen zu schützen. Rufe erklangen, böse Worte fielen, und die Waffen wurden geschüttelt. Dumpf dröhnten die Trommeln, und im Dickicht versteckte Krie-ger begannen sich im Rücken der Fremden anzuschleichen. Noch immer schrieen sie einander zu. Doch verstanden die vermeintlichen Gegner einander nicht; ihre Sprachen waren gar zu verschieden. Nur die Priester der beiden Gruppen konnten in letzter Sekunde eine verderbliche Auseinandersetzung verhindern. Sie legten einen Bannkreis, in dem plötzlich alle Aggressionen und auf-brausenden Gefühle abflauten. Der Stammesleute der Thurer, wie sich die Einheimischen seit alters her nannten, zogen sich schließlich zurück. In ihren Wäldern und felsigen Bergen verbreitet sich aber in Windeseile die Sage von den unheimlichen Fremden, die, nur wenige an der Zahl, über einen mächtigen Zauber verfügten. Und die Thurer beteten von Stund an zu ihren alten Göttern, sie vor Ungemach durch die Fremdlinge zu schützen. Sie sandten auch immer wieder geheime Späher aus, die die Atlanter im Auge behielten. Doch konnten die nichts Nachteiliges berichten. Nur ein regelmäßiger Erdwall war auf dem breiten Bergrücken entstanden, den die Thurer zu Ehren ihrer obersten Gottheit Donarsberg nannten. Doch von den Erbauern des seltsamen Gebildes war bald keine Spur mehr zu finden. Auch im Nahetal hatten die Atlanter ihr Werk inzwischen gänzlich vollendet. Das seltsame Steinhaupt erhob sich trutzig auf seinen beiden felsigen Tatzenarmen, die sich mit ihren breiten Pfoten im Schutt des schrägen Steilhanges unverrückbar festzu-klammern schienen. Und die kristallenen Augen spähten wachsam über den wilden Fluss ins Tal, wo auf der gegenüberliegenden Seite ein markanter Felsen aufragte, mit dem die Gestalt in heimlicher, kraftvoller Verbindung stand. Das Aggregat, das die Atlanter auch in seiner Tiefe versenkten, war für immer gut verborgen. Den langen Kern der mächtigen Hohlbohrung hatten die Baumeister wieder genau in den rötlichen Felsengrund eingepasst, so dass keine Spur jemals die Manipulation, die hier einst stattfand, verraten würde. Und so konnten die Thurer, deren nördliche Grenzen ihres Stammesgebiet im späte-ren Nahetal lagen, auch dann und wann blitzende Strahlen aus den merkwürdigen Augen beobachten, wie sie in Bruchteilen von Sekunden hinüber zum Felsen züngelten. Es war eine Art technischer Abgleich und Test der ge-heimnisvollen Anlage, die sich im Felsenhaupt verbarg. Doch dies konnten sie natürlich nicht wissen. Und auch die späteren Nachfahren der Thurer kamen niemals auf die Idee, mehr als nur einen merkwürdigen Felsenkopf zu sehen, wenn sie ihn überhaupt noch als solchen erkannten. Denn die Zeiten gingen auch am Werk der Atlanter nicht spurlos vorüber.

Doch bis dahin erfüllte die Anlage ihre Aufgabe gewissenhaft und wirkungsvoll. Solange die Atlanter die Bodenschätze in der Region bargen und weitere geheimnis-volle Bauten auf den Bergen errichteten, kam kein anderer in das geschützte Tal und seine Umgebung. Den ganz und gar wunderbaren Steinkopf beobachten die Thurer und ihre Nachbarn daher nur aus respektvoller Entfer-nung. Sie hatten inzwischen seine Wirkung festgestellt, wenn man sich ihm bis auf eine bestimmte Distanz nä-herte. Neugierige Krieger und Priester wollten die Felsengestalt natürlich gern erforschen. Besonders hatten es ihnen die blitzenden Kristallaugen angetan. Doch es ge-lang niemals, sich der sphinxartigen Gestalt zu nähern, denn eine unheimliche Kraft herrschte in diesem Talbereich und auf seinen Höhen, die ein Näherkommen einfach unmöglich machte.

Viele Hunderte von Jahren wohnten die Nachkommen der Atlanter in geschützten Tälern und Wäldern. Sie verbanden sich jedoch über die Zeiten hinweg mit der Urbevölkerung und wussten schließlich selbst kaum noch etwas vom Geheimnis des Felsenhauptes. Als sein eigentlicher Zweck erfüllt war, war auch die Kultur der Einwanderer so weit vermischt worden, dass nur noch wenige einge-weihte Schamanen seine ursprüngliche Herkunft und Funktion kannten. Die Priester der alten Stämme warnten immer wieder, dennoch geriet das alte Wissen mit ihrem Tod allmählich in Vergessenheit. Und einmal geschah es, dass sie diese Informationen bewusst nicht mehr weiter-gaben und sie mit in ihre unbekannten Gräber nahmen. Aber der letzte der atlantischen Schamanen geriet dann doch in höchste Hoffnungslosigkeit über den Untergang. Und er gab seiner Verzweiflung verhängnisvoll Ausdruck, bevor er in die Unendlichkeit einging. Zutiefst erzürnt ließ er die damals noch vorhandenen Kristallaugen grelle Blitze der Vernichtung in die Nacht des Tales schleudern. Und sie fanden dann auch bis hinauf zu den Bergkuppen ihre Ziele, wo die letzten Kräfte der Anlage ganze Burgwälle zerstörten und die Mauern unter den glühend-tödlichen Strahlen förmlich aufschmolzen. Chaos und Verwüstung herrschten. Kein Leben regt sich hier mehr, als die Morgensonne auf die ehemals blühenden Ringburgen schien. Sogar die ausgebauten, breiten Fahrwege zwischen ihnen waren als solche nicht mehr zu erkennen, und die duftenden Blumenrabatten an den mit rötlichem Fels kunstvoll gestalteten Quellen und Wasserbecken zeigten sich als wüste, qualmende Steinhaufen. Lange Zeiten kam daraufhin kein Mensch mehr in das Tal. Die unerklärbaren Schrecken der völligen Vernichtung sorg-ten dafür, dass es mit einem strengen Tabu belegt wurde. Die Thurer befragten oft ihre Runenstäbe und Steine. Aber auch diese vermochten nur zu sagen, dass sich et-was Gewaltiges zutrug. Die drei Nornen der Vergangen-heit, Gegenwart und Zukunft, die an ihrem Brunnen Urd in der Anderswelt saßen und spannen, verhießen zuerst düster weiteren Verfall und Untergang. Dies aber geschähe zum Schutz des einzigartigen Felsgebildes, munkelten sie dann. So soll das steinerne Monument wenigstens als tiefmagischer Platz für eine ferne Zukunft erhalten bleiben, ließen sie schließlich über ihre Elfen die He-xen und Zauberer auf der Erde hoffnungsvoll wissen.

Das Felsenhaupt indes verwitterte zunehmend. Bis zur Unkenntlichkeit wurde es von Wind und Wetter verformt, und sogar die linke Steinpranke löste sich ganz und gar zu Schutt auf. Die einstige Herrlichkeit seines Anblickes, den anscheinend niemand zu irgendeiner Zeit auf Bilder gebannt hatte, ging dahin. Doch seine magischen Kräfte versanken nur in einen tiefen Schlaf. Die einmaligen, blauen Kristallaugen lösten sich noch am Morgen nach der Vernichtung aus ihren tiefen, steinernen Höhlungen und kollerten hinab in den Schutt der Hänge, wo sie bald für immer unter Gestein und Sand versanken. Sie ruhen nun wohl noch immer an seinem Fuße - kein Mensch hat sie jedenfalls wieder erblickt.

Wiederum gingen die Zeiten dahin. Da kamen in einer eiskalten Winternacht Feen und Elfen wispernd aus den Wäldern hervor und trieben ihre geisterhaften Reigen am Ufer des wilden Gewässers. Im silbernen Mondlicht hüll-ten sie das Tal am Felsenkopf in blitzendes Sternengefunkel und machten sich emsig am Ufer zu schaffen.

Dort suchten und hoben sie die lange verschollenen Augenkristalle des alten Monuments und verzauberten sie mit magischen Sprüchen zu Edelsteinen, die sie dann im Flussbett ausstreuten. Tief versanken sie im Wasser zwi-schen Geröll und Sand, wo die Menschen sie erst viel später ab und an entdeckten. Aber den hier gefundenen Karfunkelsteinen sagten jene bald ganz besondere Kräfte nach... Der Weg zum Felsenkopf war jetzt schon lange wieder frei. Jedermann konnte zu ihm gehen. Nur wildes Wasser und das mit Gestrüpp bestandene Geröll steiler Halden bildeten noch eine Art Schutz, des noch immer mystischen Males. Doch auch da, wo früher innerhalb ringförmiger Wallburgen heilige Feuer in wohnlichen Stätten loderten, herrschten Dornenhecken und Verfall bis zur Unkenntlichkeit. Nur über diesen oder jenen seltsam glasigen Stein auf dem Berggipfel des heutigen Bremerbergs wundert sich manch einsamer Wanderer. Doch niemand weiß, und es bleibt für immer rätselhaft, wie sich hier dieses sonderbare Geröll vor endlosen Zeiten gebildet haben mochte. Das Felsenhaupt aber trohnt für immer schweigend über dem malerischen Flusstal und wirft seinen mächtigen Schatten ins Licht der untergehenden Sonne. Bei hellem Vollmond ist es jedoch manchmal, als schwinge sein Spiegelbild über dem Was-ser. Der uralte Steinkoloss zeigt sich plötzlich in einstiger Schönheit. Und selbst seine nachtblauen Kristallaugen schimmern und glitzern dann wieder rätselhaft in den Wellen der Nahe ...

Alle Rechte beim Autor (c) - Fotos vom Felsenkopf in der Galerie von odin
 
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