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Trinkrituale/Trinkbräuche

In dem bekannten Nordtiroler Krippendorf "Thaur" bekommt man einen Schnaps beim "Krippele-schauen-gehen". Dies wäre nichts außergewöhnliches, nur sagt man beim Anstoßen nicht "Wohl bekomms", sondern "Gloria"!
Das "Schnapserl" oder auch "Gloriawasser" genannt, gibt es natürlich nicht (!) wenn man Krippen in Kirchen besichtigen geht - eh klar...

krippe_thaur.jpg

Vorweihnachtliche Krippe mit der Verkündigunsszene in Thaur, Unterinntal
die Hirten tragen Tiroler Tracht
© Berit Mrugalska, 26. November 2005

Berit
 
Zuletzt bearbeitet:
"Nastrovje" oder [tschäistja] in Rußland

Oh, Berit, kannst du Russisch? :smi_klats

Bin ich hoffentlich erlaubt, eine kleine Korrektur zu machen?

„Nasdorowje“ heißt etwas anderes – beim Verlassen des Tisches z.B. oder wenn man sich vom Gastgeber verabschiedet und sich bei ihm für das gute Essen bedankt, sagt man „Spasibo“ (Danke), als übliche Antwort hört man nämlich „Nasdorowje“. Das soll bedeuten – „bitte sehr, es (das Essen) soll euch Gesundheit bringen“.

Beim Anstoßen sagt man „Nasche sdorowje!“ (auf unsere Gesundheit) oder „Wasche sdorowje!“ (auf Ihre Gesundheit), bei uns gibt es aber wirklich viele Varianten, ich würde da keine allgemein gültige nennen, denn ich weiß einfach nicht...

Am Anfang wird gewöhnlich noch „Auf das Treffen“ getrunken.

Und man darf bei uns keinesfalls das Glas auf den Tisch stellen, nachdem man damit schon angestoßen hat. Man muss gleich trinken, oder dann wieder anstoßen.

Und man darf auch nichts im Glas bleiben lassen. Man sagt – diese gebliebenen Weintropfen im Glas sind die Tränen, also muss dieser Mensch bald weinen, ihm wird etwas Trauriges passieren. Das ist ein reiner Aberglaube, aber man hält sich an diese Regel.

Und - sehr wichtig! - beim Anstoßen soll die Frau mit einem Mann zuletzt anstoßen, das soll ihr dann Geld bringen :verdaecht Glaube zwar nicht daran, aber...

Kann vielleicht mir bitte noch jemand in ein paar Wörtern erklären, was ein "Sturm-Trinken" bedeutet???


Liebe Grüße,
Oksana
 
Hallo Oksana!
Wenn der Traubensaft zu gären begonnen hat, ist er, bevor er zu fertigem Wein wird, noch trüb, noch etwas süß, aber schon recht alkoholhältig.
Diesen Zustand nennt man "Sturm" weil er noch gärt, also stürmt.
Vielenen schmeckt et ausgezeichnet, obwohl sein Einfluss auf die Verdauung :rcain: äusserst unangenehm sein kann. Oft sind auch "Haarwurzelschmerzen" eine Folge dieses Getränkes. "Sturm-Trinken" in diesem Zusammenhang gibt es gottseidank nicht. Sehr wohl aber kann man den Sturm trinken.
Ist der Wein einmal fertig (üblicherweise zu Martini am 11. November) so heißt er bei uns "Heuriger", also Wein von diesjähriger Ernte.
Aber das ist eine andere Geschichte ....
 
Hallo Gavial,

vielen Dank, dass Du Oksana's Frage nach dem "Sturm" beantwortet hast! (Ich hatte gehofft, dass Du als 'Experte der Küche' hier kompetent Stellung nimmst!)

Dennoch bereiten mir die "Haarwurzelschmerzen" Sorgen!
Wird Oksana dieses Wort im Deutsch-Russisch-Lexikon finden?

"Wer Sturm sät, wird Wind ernten", oder wie geht das? Und Ihr trinkt das Zeug auch noch? :rolleyes:

Wolfgang (SAGEN.at)
 
"Haarwurzelschmerzen" ist eine freundliche Umschreibung von Kopfweh.

Manchmal tut man sich allerdings auch mit seiner eigenen Muttersprache schwer:
Als ich vor einiger Zeit in deutschen Landen einen G'spritzten bestellte musste ich der verständnislos:nixweiss: dreinblickenden Kellnerin erklären, dass das halb Weißwein und halb Mineralwasser sei. Da klärten sich ihre Blicke und sie antwortete : "Ach, 'ne Weinschorle woll'n se!" ich Depp i
 
"Haarwurzelschmerzen" ist eine freundliche Umschreibung von Kopfweh.
Uuups, da wäre ich NIE daraufgekommen! :kopfkratz

Ich erlebe "Haarwurzelschmerzen" beim Genuß heftiger Pfefferoni mit 1/2 cm hoch belegtem Knoblauchbrot, welche ich gegen zu nahe kommende Vampire (= Vampirinnen) - selten aber doch - einnehme :smi_ersch

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Hallo gavial!

Vielen Dank fuer deine Erklaerung:)
Wiedermal etwas Neues:)

"Kopfwurzelschmerzen" - einfach genial und sehr lustig, das werde ich mir unbedingt merken.

"Gespritzt" kenne ich auch. Fuer uns ist es aber voellig fremd, Wein (oder auch Saft) mit Mineralwasser zu vermischen.
Daher aber finde ich eine tolle Idee, ein Mischgetraenk aus Bier und Limonade zu machen. Von Radler war ich begeistert, laesst sich viel angenehmer trinken (klar, ist auch eine persoehnliche Sache des Geschmacks). Und hier haette ich vielleicht noch eine kleine, sogar winzige Frage, aus reiner Neugier: Ich moechte sehr gerne wissen, was fuer ein Kraut in den Almdudler kommt? Das konnte ich niergendwo herausfinden, auch auf der Seite vom Hersteller nicht. Oder ist es ein grosses Geheimnis, das streng gehalten wird?

Liebe Gruesse
Oksana
 
Hallo Oksana,

die genaue Zusammensetzung wird glaub ich geheim gehalten. Letztes Jahr mischte ich wild zusammen... und fand, dass ein wenig Giersch im Grundansatz die Limonade almdudlerischer macht... Schafgarbe war noch dabei und bissi Gundelrebe, viel Melisse... macht auf jeden Fall Spaß, zu experimentieren

Grüße von Lisa
 
Ich kannte den Erfinder dieser Limonade, Herrn Klein persönlich. Das Rezept vom Almdudler hält die Familie streng geheim. Nicht einmal im Ansatz war zu erfragen, was da drinnen ist. Die Antwort lautete immer "viele Kräuter";)
Für mich schmeckt's etwa so, wie verfeinertes Ginger-Ale.
 
Na servas!

Da is ja einiges zam gekommen! :)
Danke für die Beiträge!!!

In meinen Lokalen ist mir das "Klopfer"-Ritual aufgefallen. Wenn's kleine Jägermeisterflaschen gibt, wird mit denen zuerst fleißig am Tisch geklopft (hört sich nur gut an wenns mehrere sind. Deshalb wird immer gleich eine größere menge bestellt) und dann "geext".
 
Zuletzt bearbeitet:
Trinktradition und Sitten im Osten sind unter einander sehr ähnlich. Nur im Gegensatz zu Russland, wo man auf die Liebe trinkt, der dritte Trinkspruch in der Ukraine und Weißrussland gilt den Frauen. Der wird immer von einem Mann vorgetragen. Alle Männer stehen dabei auf und trinken auf Ex, Frauen bleiben sitzen. Aus den Zeiten, als Menschen noch mit einem Stock auf die Wanderung gingen oder auf einem Pferd unterwegs waren, stammen Trinksprüche „Na possoschok!“ (possoschok = Wanderstock) oder „Na konja“ (konj = Pferd) „Auf’s Pferd!“. Damit verkündet man die letzte Trinkrunde bevor man geht. Allerdings bei russischer Gastfreundschaft hilft das nicht immer. ;o)
In Georgien sind Trinksitten noch viel umfangreicher und strenger. Man sagt, dass die erste Weinrebe zusammen mit den ersten Menschen in Georgien erschien. Es gibt auch archäologische Ausgrabungen, die diese These bestätigen. Zum Beispiel es wurden unter anderem Kerne eines kultivierten Weins gefunden, die aus dem Jahr 8000 vor Christi stammen. Der ersten Wein in Georgien wurde vermutlich im 3 - 2. Jahrtausend v. Ch. hergestellt. Das beweisen archäologische Ausgrabungen von Weingefäßen und Weinpressen aus Stein, die aus dieser Zeit stammten.
Wein spielt eine besondere Rolle für Georgier, man verehrt diese Pflanze und die kostbaren Tropfen aus Weintrauben. Laut Legende als heilige Nino nach Georgien kam, hielt sie in ihren Händen ein Kreuz aus Weinreben, die mit ihren Haaren verbunden waren.
Fast jede Familie hat ihren eigenen Hauswein. Und natürlich bei jeder Feier gibt es Wein, als Hauptdarsteller. In der Sowjetzeit kam zwar auch Wodka dazu, aber dieses Getränk spielte eine untergeordnete Rolle. Georgien trinken dann lieber Tschatscha, Synonym dazu ist italienischer Grappa.

Im Laufe von Jahrhunderten hat das georgische Volk einmalige Regeln und Rituale der Gastfreundschaft entwickelt, die die Beziehung zwischen dem Gastgeber und dem Gast regelt, so genannte „stumarmaspindzloba“ (in georg. Sprache „stumari“ - Gast, „maspindzeli“ - Gastgeber). Gast für einen Georgier ist „Abgesandter des Gottes“. Deswegen tischt man für ihn nur das Beste, auch die besten Weine.
In Tiflis auf einem Berg über die Stadt steht ein Denkmal „Mutter Georgien“. In einer Hand hält sie ein Schwert, der gegen Feinde gerichtet wird, und in der anderen - ein Gefäß mit Wein als Symbol der Gastfreundschaft.
Grusija Matj.jpg Vachtang-Gorgasali.jpg

Unten gegenüber der Mutter Georgien am Ufer des Flusses Kura steht ein Denkmal dem georgischen Zaren und Gründer der Stadt, Wachtang Gorgassali. Er sitzt auf dem Pferd und hält ein Arm hoch. Georgien lächeln manchmal und sagen: „Mutter Georgien bittet Gorgassali ein Glas Wein. Darauf hebt Gorgassali sein rechtes Arm hoch und sagt: ‚ Darf nicht, bin am Steuer!’“ Hinter dem Denkmal befindet sich Stadtteil Awlabar, wo die meisten Einwohner Armenier sind. Darüber gibt es auch ein Scherz. Gorgassali hebt sein Arm hoch und sagt: „Stopp Georgier, weiter beginnt Armenien!“.
Entschuldigung, ich habe mich von dem Hauptthema „Trinksitten“ ablenken lassen.

Laut georgischen Volksliedern und Poesie zählt Gastfreundschaft sogar höher als Mut. Allerdings gab es auch Benimmregel auch für einen Gast. Ein Gast kommt nie ohne ein Geschenk, in den alten Zeiten musste Gast seine Waffen an der Tür abnehmen und dem Ältesten der Familie übergeben. Das war ein Zeichen des Vertrauens und Achtung den Gastgebern gegenüber. In der georgischen Volklore misst man auch Ehre des Gastes über die Dauer seines Besuches. Man sagte „besser dann nach Hause zu gehen, so lange der Gastgeber dich bittet zu bleiben“. Über Gäste, die ein zu langes Sitzfleisch entwickelten und die Gastfreundschaft der Gastgeber über Gebühr strapaziert haben, sagt man im Volksmund folgendes:
„Gast, morgens bist du Gold,
abends wirst du Silber,
wenn du aber länger bleibst,
wertloses Kupfer ist dein Preis“
Bei jeder Tafelrunde gibt es einen Tamada, so nennt man eine ausgesuchte Person, die für Ordnung, Anhalten von Tischregeln und für Trinksprüche zuständig ist. Von seiner Weißheit und seiner rhetorischen Begabung hängt eine gelungene Feier ab. Wenn ein Gast am Tisch sich mit „alaverdy“ meldet, gibt ihm der Tamada Erlaubnis, seinen Trinkspruch fortzusetzen bzw. einen neuen zu sagen. Immer wird auf den Frieden getrunken, auf die Gäste und ihr Wohl, auf die Eltern, die Toten, die Kinder, die Freundschaft und die Liebe, die "den Tisch verschönernden" Frauen, die Mütter, wichtige Ereignisse im Leben Anwesender, auf alle Freunde, die nicht dabei sein können. Zwischen den Trinksprüchen darf man kein alkoholisches Getränk zu sich nehmen. Es werden aber nicht nur ernsthafte, sondern auch witzige und humorvolle Trinksprüche hoch geschätzt.

Ein paar Beispiele:

Schota Rustaweli (ein georgischer Dichter) hat gesagt: „Das, was du versteckt hast, geht verloren. Was du weg gibst - ist auch deins!“ Lasst uns einander das Beste geben - Wärme unserer Seelen! Auf euch alle, liebe Freunde!


Nacht. Klarer Himmel. Sterne. Leichte Briese. Er und sie. Er sagt „Ja“. Sie antwortet „Nein“.
Jahre vergingen… Nacht. Klarer Himmel. Sterne. Leichte Briese. Und wieder er und sie. Sie sagt „Ja“… Aber es war zu spät.
Lasst uns darauf trinken, dass alles im Leben rechtzeitig geschehen möchte!

Sitzen im Paradies Seelen der Verstorbenen an einem Tisch. Sie unterhalten sich, essen und trinken. Plötzlich fällt ein Krug eines Verstorbenen runter, aber es ist kein Wein da drin, er ist leer. "Auf der Erde haben mich alle vergessen“- sagt er traurig.
Lasst uns darauf trinken, dass die Krüge unserer Verstorbenen nie leer bleiben!

Ein ganz gefährlicher Trinkspruch (nicht für schwache Nerven):
Freunde, lasst uns darauf trinken, dass wir alle ermordet werden!
Und nicht einfach ermordet, sondern erstochen!
Und möge das erst in 100 Jahren geschehen!
Und man möge uns aus Eifersucht erstechen!
Und möge diese Eifersucht begründet sein!!! :smi_prost

Ein paar andere Trinksprüche habe ich noch parat. Falls Interesse besteht, kann ich einige Trinksprüche dazu beisteuern.

Trapesa_Niko_Pirosmani.jpg Georgischer Maler Niko Pirossmani
 
Folker schrieb:
Gerne! :) Immer her damit!

Ein alter Mann steht in seinem Garten. Das Leben ist so wunderschön! Der Alte stöhnt laut auf und wendet sich an den lieben Gott:
- Lieber Gott, lass mich nur noch etwas länger leben!
- Wie lange möchtest du bloß leben, fragt Gott.
- So lange, wie Blätter an meinem Apfelbaum sind.
- Das ist viel zu viel.
- Dann so lange, wie Äpfel an meinem Apfelbaum hängen.
- Das ist auch zu viel. Ich gebe dir aber so viele Jahre zu leben, wie du Freunde hast.
Der Alte atmet tief ein und sagt traurig:
- Ich habe keinen einzigen Freund...
Lasst uns auf unsere Freunde trinken und mögen wir mehr Freunde haben, als Blätter an einem Apfelbaum!
:smi_prost
 
Zum Thema fiel mir heuer noch eine Begebenheit ein: Familienurlaub im
Sauerland, mit uns in der Privatpension ein lustiger gemischter Club etwas
älterer Leute. Jeden Abend saßen sie zusammen und sangen: Hermann Löns -
es brennt die Heide, Hermann Löns - die Heide brennt: Löschen. Die Wacholder-
Schnäpschen-Runden folgten. Wir verfolgten es erheitert, unser noch kleiner
Sohn eher verwundert.
Anm. (Quelle : Meyers Lexikon): Hermann Löns, 1866 - 1914. Dt. Schriftsteller
"Mein grünes Buch" "Mein braunes Buch" "Was da kreucht u. fleucht"
"Mümmelmann" Geprägt von der Heimatliebe zur Lüneburger Heide,
auch dem Volkslied verpflichteter Lyriker, volkstüml. Romane aus d.
Welt niedersächs. Bauern.
Viele Grüße aus Westfalen! Ulrike
 
Hallo Ulrike,

ich erlaube mir an dieser Stelle anzumerken, dass Hermann Löns auch sehr kritisch betrachtet werden muss.

Zitat von Hans-Albrecht Koch über Löns:

"Banalste Gedichte, von denen einige durch Vertonung überlebt haben, und Provinzprosa, die der Blut-und-Boden-Literatur zumindest vorgearbeitet hat und für die der Ausdruck Kitsch noch ein Euphemismus ist: nicht viel anders wird wohl jeder, der über einigen literarischen Geschmack verfügt, das Werk von Hermann Löns charakterisieren."

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Hallo Wolfgang, Du hast natürlich Recht! Mein Mann und ich amüsieren uns
auch eher darüber, die ältere Generation sieht dies natürlich anders!
Ich erinnere mich an die Zeit der Heimatfilme im Kino, die in der
Lüneburger Heide spielten. Es gibt aber auch Bergfilme und
Ganghofer Romane, die jüngere Leute nicht mehr ansprechen.
Ich habe nur das Lexikon zitiert, nicht jeder kennt H. Löns. Die Bewertung
überlasse ich gerne den Fachleuten. Thema war ja der Trinkspruch, den wir
als Westfalen von der Ruhr nicht kannten! Es soll außerdem Lieder von Löns
geben, die praktisch zu Volksliedern geworden sind. Kenne mich damit aber nicht aus. Es grüßt herzlich Ulrike!
 
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