Ein ausnehmend schönes Kleindenkmal, diesmal mit ausführlicher Beschreibung:
Bemerkenswertes und seltenes Beispiel einer erhaltenen hölzernen frühbarocken Totenleuchte bei der
"Karnerwiese" nordöstl. von Muggendorf, hölzerner Schaft, Schindeldach und Kreuz, bez. 1699, hinterlegt von rezenter Schindelwand.
Die mit 1699 bezeichnete Lichtsäule, gänzlich aus Lindenholz geschnitzt, ist wohl das älteste erhaltene und am Originalort befindliche Kultmal aus Holz in weitem Umkreis. Es hatte die Funktion als Totenleuchte.
Nach Überlieferung sollen hier an der Stelle, benannt "Boan-Oed-Äcker" bis ins 18. Jahrhundert die ärmeren Muggendorfer begraben worden sein. Wegen der Trägerkosten kam nämlich eine Bestattung im 4 Gehstunden entfernten Furth, dem Pfarrort bis 1761 auf - für viele Bewohner unerschwingliche - 15 Gulden.
Eine Rarität der bäuerlichen Volkskunst.
(1960) In der Gegend von Pernitz-Muggendorf steht „Im Thal", an einer Weggabelung in der Nähe des „Kamerwirtes", ein eigentümlicher Lichtstock, aber den kurz berichtet werden soll.
Er lehnt sich in der Form ganz an die überall vorkommenden steinernen Tabernakelpfeiler an, ist aber aus Holz, und zwar aus Lärchenholz. Abgesehen vom Schindeldach und der Kreuzabdeckung ist er vom Pfeiler bis zur Kreuzspitze aus einem einzigen Stück herausgearbeitet. Die Gesamthöhe beträgt knapp drei Meter. Die Nische des Tabernakels ist nicht nach vorne geöffnet, sondern auch nach einer der beiden Seitenflächen; diese zweite Öffnung ist jetzt allerdings mit einem Brett vernagelt. An der Vorderseite des Tabernakels, heute durch ein hölzernes Blumenkisterl verdeckt, ist die Jahreszahl 1699 eingeschnitzt. Überhaupt ist das Tabernakel sehr sauber in Kerbschnitt-Technik verziert. Die Abbildungen versuchen, einen Eindruck des ursprünglichen Zustandes wiederzugeben.
Über die Entstehung des Lichtstockes gibt es zwei Berichte, die mir Frau Dr. Lisi Katzer und Herr Ernst Katzer mitteilten. Die eine Überlieferung sagt, dass unter dem Lichtstock Tote aus den Türkenkriegen begraben seien. Die andere Auffassung ist folgende: Die Muggendorfer waren früher nach Furth bei Weißenbach, Triestingtal, eingepfarrt, die Toten wurden auch dort begraben. Es war also ein Transport der Toten über die Berge zwischen Piesting- und Triestingtal nötig. Im Winter war dieser aber nicht möglich, so dass die Leichen an dieser Stelle provisorisch bestattet wurden.
Mag die eine oder die andere Auffassung richtig sein, so weisen doch beide Berichte auf eine ursprüngliche Verwendung als Totenleuchte hin. War es doch in früheren Zeiten üblich, auf Friedhöfen oder anderen Begräbnisstätten - so zum Beispiel bei Pestgräbern - einen Lichtstock aufzustellen, in dessen Nische ein Licht gestellt wurde. Später, als dieser Brauch abgekommen war, wurde das Licht meist durch Heiligenbilder ersetzt. Näheres darüber siehe Franz Hula, „Die Totenleuchten und Bildstöcke Österreichs", Wien 1948.
Hula vermutet die Entstehung des volkstümlichen Tabernakelpfeilers - der beliebtesten Form der Totenleuchte - vom Holz her. Als Beweis führt er die zahlreichen auf den Stein übertragenen Werkformen des Holzes an, die immer wieder, besonders auf den älteren Formen, vorkommen. Ein ursprünglicher hölzerner Tabernakelpfeiler hat sich jedoch verständlicherweise nicht erhalten, und auch unser Lichtstock ist erst entstanden, als es schon seit gut 300 Jahren steinerne Formen im Lande gab. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass er von diesen beeinflusst wurde. Dennoch handelt es sich um keine plumpe Nachahmung, und besonders in der Art der Verzierung des Tabernakels zeigt sich ein durch und durch bodenständiger Gestaltungswille.
Noch in anderer Hinsicht ist die Entstehungszeit bemerkenswert. Wie Hula ausführt, geht mit dem Ausklingen der Gotik auch der Brauch der Totenleuchte zu Ende, ab 1600 werden kaum mehr Lichtstocke errichtet. An ihre Stelle tritt nun der Bildstock, der in seiner sinnenfreudigeren Art dem geänderten Zeitgeschmack besser entsprach. Wenn nun noch 1699 eine neue Totenleuchte errichtet wurde, weist dies darauf hin, daß die bäuerliche Bevölkerung dieser Gegend noch sehr zäh an den überlieferten Bräuchen festgehalten hat und der neue Geist nur sehr langsam durchgedrungen ist.
Leider ist der interessante Lichtstock schon recht morsch und er dürfte keine lange Lebensdauer mehr haben. Das ist schade, denn er wäre es wert, erhalten zu werden.
(1977) Die 1960 von Helmut Schöbitz beschriebene Totenleuchte hat In den Jahren seither ihr Aussehen stark geändert, doch wurde sie damit soweit Instandgesetzt, dass ihr Weiterbestehen für die nächste Zelt gesichert erscheint.
Auf den ersten Blick fällt das neue Schutzdach auf, mit welchem unsere Totenleuchte nun aussieht wie so manches Holzkreuz In unseren Alpengebieten. Dieses Dach sitzt auf einen starken neuen Schaft, an den auch der alte Schaft befestigt ist, der in der Erde bereits abgemorscht war. Der Lichtstock steht dadurch nun wieder gerade.
Sehr zum Vorteil hat sich das ehemalige Lichtgehäuse selbst entwickelt. Das Brett, mit dem die seitliche Öffnung zugenagelt war, wurde entfernt und das ungefüge Blumenkistel an der Vorderseite durch ein am Schaft angebrachtes Glas ersetzt, so dass die Jahreszahl 1699 nun ohne weiteres lesbar Ist. Das Gehäuse hat damit sein ursprungliches Aussehen wiedergewonnen.
Die ehemalige Totenleuchte hat im Laufe der Jahrhunderte Ihre Funktion gewandelt und ist zum Bildstock geworden. Eine sakrale Bedeutung ist aber bis auf den heutigen Tag lebendig geblieben, wie die fotografischen Abbildungen zeigen: In der Nische sind Heiligenbilder aufgestellt und im Glas befinden sich frische Blumen. Gerade diese aufrechterhaltene sakrale Funktion bietet die Erklärung dafür, daß die einheimische Bevölkerung weder Mühe noch Kosten scheut, um ein Denkmal wie dieses zu erhalten und wieder instand zu setzen.
Für nicht-österreichische Leser: Pernitz-Muggendorf liegt im niederösterreichischen Voralpengebiet, ungefähr 50 km südwestlich von Wien.
Quellen:
DEHIO-Handbuch Die Kunstdenkmäler Österreichs, Niederösterreich südl. der Donau, Teil 2 M-Z, Wien 2003
Informationstafel an der Lichtsäule
Aufsatz von Helmut Schöbitz in Unsere Heimat, Monatsblatt des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich und Wien, Jahrgang 31, 1960 Nummer 3/4
Helmut Schöbitz in "Das Kleindenkmal", wissenschaftliche Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Denkmalforschung e. V., Jahrgang 6 (1982), Nr. 18
Foto: H. Hartmann, 17. Juli 2009