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Es war einmal...

Rudolf_K

Member
Hallo alle zusammen,

ich habe grade diesen Artikel hier gelesen:

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,746568,00.html

in Kürze: es geht um das Aussterben der einheimischen Bevölkerung in Venedig, die Umweltgefahren, den Massentourismus. Mich hat das Traurig gemacht, ich war vor 5 Jahren auch auf Abschlussfahrt in Venedig, was mich begeistert hat waren die kleinen Straßen abseits, eben weil sie was ganz anderes waren als das was ich hier aus Deutschland kenne. Ich finde es auch immer wieder spannend in ausländischen Supermärkten einzukaufen, eben weil es da Sachen gibt, die wir hier nicht haben.
Aber wodrauf ich hinaus will: ich finde, dass es ein massives Sterben von lokaler Kultur und Tradition gibt. Es sind nicht die Migrantenströme aus der Dritten Welt die europäische Kulturen verwässern, nein, das gab es schon immer und viele dieser Leute würden auch lieber in ihrer Heimat bleiben, wenn sie da eine Chance hätten.
Es ist die Bildung einer globalen Monokultur, diktiert von kommerziellen Interessen, die die Welt zu einem Dorf macht: egal in welcher Stadt man ist, es gibt doch nur die ewig selben dämlichen Ketten: IKEA, H&M, Mc Donalds und Starbucks etc. Aber auch andere Aspekte ändern sich: Traditionen werden einfach nur noch als Geschäftsmodell genutzt: auch hier in Frankfurt finden sich zig asiatisch orientierte Geschäfte in der Altstadt, die jeden Bezug zum Ursprünglichen verloren haben. Von Asiaten, für asiatische Touristen in asaiatischen Sprachen, da spielt es keine Rolle, dass ein schweizer Armeemesser oder die russische Steckpuppe kein Stück etwas mit der Geschichte der Krönungsstadt der deutschen Kaiser zutun hat. Das soll nicht rassitisch gemeint sein, war nur ein Beispiel, anders rum ist es anderswo genauso.
Jedes kleine Kaff in meiner Heimatregion meint ein Oktoberfest feiern zu müssen, wobei es natürlich der Geck ist in Lederhosen und Dirndl aufzulaufen. Niemand käme auf die Idee mit dem traditionellen Nordhessischen Leinenkittel zur Kirmes zu gehen, so wie es "unsere Kultur" war vor 100 Jahren. Fast jede touristisch interesannte Innenstadt sieht doch in Europa mittlerweile aus wie eine weichgespühlte Farce dessen was mal der Reiz dieser Metropolen war, die alleinstellungsmerkmal der Alltagskultur dieser Orte geht bzw. ist verloren. Aber die Leute interesiert es nicht, sie wollen was sehen, Spass haben. Traditionen sind ein Livestilprodukt geworden. Man möchte in die Ferne, aber die soll bitte so sein wie zuhause auch, mit Chai-Latte, Visakarte und einer Sprache die man versteht.
Aber auch abseits des Tourismus verliert die Welt an Kontour: wie sollen auch Traditionen, eigene Kulturen und Soziale Netzwerke bestehen, wenn es heute für viele Menschen selbstverständlich ist, dass sie heute hier, morgen in Spanien und in zwei Jahren in China arbeiten sollen. Ist es das was eine Zukunft sein soll? Wie soll man gescheit Kinder bei soetwas kriegen und großziehen? Wie sollen solche Kinder eine eigene Identität haben, ihre Wurzlen finden? Demokratie lebt von Vielfalt, aber leider stirbt diese immer mehr aus, finde ich. Ach ja, und das global Village mit Internet und Flughafen hat die störenden Teile der Welt fast schon abgehängt, aber vllt wird das bald wieder für den Massentourismus wieder interesant, wenn man sein schweizer Messer im Elendsviertel irgendwo in Westafrika kaufen kann um sich mal anzugucken, wie man ohne Technik leben kann....

Das wars von mir, was haltet ihr davon?
 
Lange könnte ich zu diesem Thema schreiben, liegt es mir doch sehr am Herzen. In einer Jugend besuchte ich immer wieder zwei Städte. Die eine war Venedig. Dort wohnten gute Freunde und wir waren bei ihnen zu Gast. Wir lernten nicht Gondel und Restaurant kennen, sondern Vaporetto und Fischmarkt. Ebenso erging es mir in einem kleinen, verschlafenen Städtchen an der Mittelmeerküste. Wir waren dort die einzigen Fremden und ich musste ein paar Brocken der Sprache lernen, um einkaufen zu können. Heute will ich diesen Ort nicht mehr besuchen - Antalya.
Auch bei uns im Land findet man immer wieder den Einheitsbrei als Folge der globalen Verdörflichung. Häufig muss ich etwa die Serviererin ersuchen, zu übersetzen, wenn sie mich fragt, ob ich Sahne zum Kaffee (mit kurzem e am Schluss) möchte. Wer kennt noch "Schlag" oder "Schlagrahm". :(
Einen Fortschritt sehe ich jedoch: Früher waren in österreichischen Fremdenverkehrsorten die Preise oft in Deutschen Mark ausgepreist. Heute findet man ausschließlich die österreichische Währung: den Euro :)
 
Dieses Thema regt sehr zur Diskussionen an. Auch ich könnte lange darüber schreiben. Ich versuche jedoch mich kurz zu fassen:
Es stimmt, dass die regionalen Kulturen immer mehr wegfallen und nicht mehr erhalten werden. Gerade in den Ländern Mitteleuropas fällt es mir besonders auf.
Jeder weis zwar, dass Fisch an die Nordsee gehört, die Industrie im Ruhrgebiet ihren Platz hat und Lederhosen aus Bayern stammen. Aber mittlerweile kann man Fisch aus der Nord- und Ostsee auch in Bayern, Österreich und der Schweiz kaufen und das sogar oft noch billiger als an der Nordsee selbst.
Alle regionalen Eigenschaften vermischen sich immer mehr und man muss gar nicht mehr an die Nordsee in den Urlaub fahren, um beispielsweise einen guten Fisch frisch aus dem Meer zu genießen.
Auf der einen Seite kann so etwas zwecks Globalisierung auch praktisch sein. Aber schade finde ich, dass sich sich Traditionen und Eigenschaften bestimmter orte quasi "auflösen" und somit auch ein großes Stück der Kulturen verloren geht. und genau das sollte doch eigentlich nicht sein.
Alte, kulturelle Dörfer, Städte oder Inseln werdn durch die vielen Touristenattraktionen völlig kaputt gemacht und entsprechen somit nicht mehr ihrem Ursprung. Und ganu dieser Ursprung ist bzw. war es doch der die beliebten Urlaubsregionen so interessant für uns alle gemacht hat.
Einen solchen Zerfall der Kulturen finde ich sehr schade.
 
Es waren einmal gute Würstchenbuden mit einheimischen Produkten.
Es waren einmal kleine nette Beisl`n,wo das Leben noch lebenswert war.
Es waren einmal nette Greißlerläden, wie der von Tante Emma.
Es waren einmal Markttage,wo man sich noch wohl fühlte und viele Bekannte antraf.
Es waren einmal Viehmärkte, wo der Handschlag noch etwas Wert war.
Es war einmal.
Man könnte endlos weiter schreiben.
Ich sehne mich nach dieser Zeit zurück.
Aber es war einmal.
 
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