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Die pneumatische Post in Wien (Rohrpost), 1876

Die pneumatische Post in Wien (Rohrpost), Stich von August Stefan Kronstein (1850–1921) aus dem Jahr 1876.
1. Central-Expedition 2. Filiale 3. Betriebs-Dampfmaschine 4. Luftkessel 5. - 10. Expeditions- und Verschlussbüchsen. Pneumatische Rohre. Telegraf.

Die pneumatische Post in Wien

Zu den Einrichtungen einer Großstadt gehören heute nicht nur Lichtleitung, Wasserleitung, Eisenbahnen im Innern, elektrischer Telegraph, sondern auch pneumatische Post, oder wie man sich ausdrücken könnte, „Briefleitung“. Der elektrische Telegraph ist wortkarg; er benimmt sogar die Subjektivität der Meldenden, wenn diese nicht große Kosten machen wollen; er raubt sogar bereits zu viel Zeit, denn die Menge der Telegrammaufgeber drängt, und wenn einer viel Worte macht, verkürzt er alle Nachfolgenden betreffs der Geschwindigkeit.

Allein diesen letztbezeichneten Schwierigkeiten und Hemmnissen hilft mit einem Male die „pneumatische Post“ ab. Sie braucht den Weg über die Erde nicht, welchen wir wandeln, reiten oder fahren; ihre Röhren liegen ungehemmt unterirdisch, wie jene des Gases und des Wassers, und innerhalb dieser Röhren laufen, mit einer Geschwindigkeit von mindestens 20 Meter in der Sekunde, die Briefe in Büchsen eingeschlossen.

Das ganze System beruht förmlich auf dem Spielwerke der kleinen Kinder, welche in einem Federkiele Erbsen nach vorwärts oder rückwärts schnellen lassen. Was hiebei die Lippen vollbringen, indem sie Luft einsaugen oder vorwärts drängen, das besorgt im Centrale der pneumatischen Post und im Großen eine Dampfmaschine, welche „Vacuum-Reservoirs“ erzeugt, das heißt ihnen sämtliche Luft entzieht andererseits dagegen „Druckreservoirs“ füllt mit gepresster mehrfach verdichteter Luft.

Die Dampfmaschine, welche im Wiener Centrale arbeitet, hat 20 Pferdekraft. Auf den einzelnen Endstationen, Aufgabs- und Empfangspunkten steht ein Röhrenapparat, wie er im Bildchen 2 unseres Tableau sichtbar ist. Daselbst ist auch ein elektrischer Telegraph, welcher mit dem Centrale in Verbindung steht. Dieser gibt die Vermittlungssignale. Briefe können bis zu einem bestimmten Gewichte geschrieben werden und ein solches Expeditionsstück zahlt 4 Groschen (20 Kreuzer). Der befördernde Beamte legt von Viertel- zu Viertelstunde die Briefe in die Büchse, oder in mehrere. Diese zylindrische Büche passt genau in die innen glatten Röhren. Hinter eine Büchsenkolonne kommt noch eine Art Kolben, der durch Lederringe ganz fest an die Röhren schließt und empfängt direkt den Luftdruck aus den Dichtigkeitsreservoirs. Auf der Hauptstation arbeitet die Dampfmaschine direkt, in den Neben- oder Wechselstationen arbeiten die durch die Hauptmaschine mit Luft gefüllten oder entleerten Reservoirtonnen aus Eisen. Abgang und Ankunft wird hüben und drüben elektrisch telegrafiert. Auf der Ankunftsstation hat der Beamte Mittel, Luft einzulassen, und somit das Vorwärtseilen der Briefbüchsen zu hemmen. Auch sorgen Puffer und Bremsen dafür, dass kein heftiger, die Apparate schädigender Anstoß stattfinde.

(Fortsetzung der Beschreibung im Kommentar darunter!)
(Fortsetzung der Bildbeschreibung)

Das Wiener Telegrafen- und Pneumapost-Centrale befindet sich nächst dem Ringe und der Börse. Dies bedingt, dass im Inneren der Stadt und nächst der Hauptpost eine Art Nebenhauptstation sich befinde. In dieser werden die ankommenden Büchsen sortiert und je nach ihrer Bestimmung behalten oder nach einer der weiteren Stationen befördert. Es kann auch ein förmlicher Kreislauf stattfinden und ein Telegramm, welches die ganze Rundreise in der weitesten Peripherie des riesigen Wien zu machen hätte, würde diesen Weg in 15 Minuten zurücklegen.

Die zu Tage liegenden Röhren in den Aufgabsstationen sehen sich sehr hübsch an. Sie sind aus glänzendem und blank gehaltenem Messing. Mit ihren nach aufwärtsgebogenen Enden gleichen sie einigermaßen riesigen Trombons oder Bombardons. Die unterirdischen Röhren haben 6 Meter Innenraum und der Luftdruck wie die Reibung erhitzen sie zeitweise so, dass Wasser zur Abkühlung in sie eingelassen werden muss. Dieses Wasser wird dann durch das natürliche Gefälle hinausgedrängt oder auch ein ordentlicher Luftstrom fegt es orkanartig aus den Räumen, in denen es nichts mehr zu tun hat. Dass diese Röhren keine scharfen Biegungen haben dürfen, versteht sich von selbst. Seit dem 1. März 1875 hat die Expedition in dieser Weise begonnen und das verzweigte Institut mit all‘ seinen Apparaten arbeitet ohne dass eine Störung vorgekommen oder zu erwarten. Auch direkte Korrespondenz ist möglich. Hat erst Jedermann sein Briefleitungsrohr, wie seinen elektrischen Telegraf, seine Wasserleitungsmündung und seine Gasausströmungsapparate, dann sind wir der „vollkommenen“ Welt um einen großen Schritt näher.

Der Frauendienst ist bei der pneumatischen Post, wie bei Telegraf- und Eisenbahndienst zugelassen, und mit Fingerfertigkeit geht namentlich die Briefexpedition durch Frauenhände vor sich, eine nicht zu unterschätzende Praxis. (S.)

Holz-Stich von August Stefan Kronstein (1850–1921) aus dem Jahr 1876 in unbekannter Zeitung, Textbeschreibung von der Rückseite.

Abmessungen: 32 x 24 cm

© Bildarchiv SAGEN.at
 
Zur Rohrpost in Wien vergleiche auch:

Briefmarke 150 Jahre Rohrpost 2025:



Rohrpost Correspondenz-Karte:


Vom Dachboden - Pneumatische Expressbeförderung:
 
Das ist ein wirklich hervorragendes Blatt, das Du uns hier präsentierst.
Die bildnerische sowie die journalistischen Ausführungen zu dieser technischen Neuerung sind für diese Zeit ungewöhnlich. Mich würde interessieren, ob Du die Repro von einer zeitgenössischen Vorlage gefertigt hast. Das Blatt wäre ein schönes Beispiel zum Thema Holzschnitt. Eine derartig feine Arbeit habe ich noch selten gesehen.
 
Interessante Dokumentation.
Am Flughafen Wien gab es bis zu der Zeit als e-Mail etabliert wurde (etwa 1990er Jahre) noch mehrere Rohrpostsysteme. Eines betrieb die AUA für Ticketabschnitte, Passagierlisten etc. und eines wurde von der Flugsicherung betrieben.
 
@Saargeist : ich arbeite grundsätzlich fast ausnahmslos nur mit Originalen. Dieses Stück habe ich mir gekauft, da mich die postalische Rohrpost technisch interessiert und mir deren Existenz in Wien bis vor einiger Zeit unbekannt war. Die bekanntesten postalischen Rohrpostsysteme sind etwa in München und London, wobei London zusätzlich noch einen Postzug als U-Bahn hat, der eine bekannte Touristenattraktion ist.

Drucktechnisch habe ich einmal gelesen, dass der Druckstock zwischen den Zeitungen und Zeitschriften weitergegeben wurde, was man ja bei manchen Drucken nachvollziehen kann. Die Drucke selbst sind nicht allzu teuer, da es wenig Sammler gibt und das Angebot recht groß ist.

@harry: auch wenn die postalische Rohrpost heute keine Bedeutung mehr hat, ist Rohrpost nach wie vor von immenser Bedeutung. Vor allem in Kliniken, wenn Gewebeproben vom OP-Tisch direkt in die Pathologie oder Blutproben (etwa von der Unfall-Abteilung) blitzschnell ins Labor zur Bestimmung müssen, ist Rohrpost unverzichtbar. Aber auch sonst wäre der Betrieb einer Klinik ohne Rohrpost kaum möglich (zB Klinik Innsbruck: 50 km Rohrpost). Auch im Finanzwesen und in der Industrie ist Rohrpost heute weit verbreitet. Ein Blick in eine Suchmaschine unter dem Stichwort "Rohrpost" zeigt, wie viele Anbieter es heute gibt.
 

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Historische Stiche
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Rohrpost_Wien_1876.jpg
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Abmessungen
2000px x 1477px

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