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Träume als hervorragende Quelle für Dämonisches

Dreamsearcher

New member
Wie bereits das Thema eines berühmten Bildes aus den Capriccios von Francisco Goya verkündet "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer", ist der Traum eine hervorragende Quelle für die Untersuchung von Dämonen, Teufeln und anderen Plagegeistern, wenngleich Goya mit seinem Titel die Dämonen der Nacht bannen wollte.
Interessanterweise nimmt der Traum in der Volkskunde aber als Untersuchungsgegenstand keinen großen Raum ein. Offenbar scheut sich das Fach vor dieser schwer fassbaren Thematik, man überlässt das Unbewusste lieber der Psychologie, schließlich hat S. Freud diesen Bereich erst erschlossen.
Ich plädiere an dieser Stelle dafür dem Traum auch in der Volkskunde mehr Interesse zuzuwenden, denn kaum ein Bereich gibt so direkt Volksglauben oder Aberglauben preis (wenn ich mir hier durchaus der Problematik der beiden Begriffe bewusst bin). Inzwischen gibt es viele Anthologien, die Träume von berühmten Persönlichkeiten versammelt präsentieren. Trotz dem Mangel an Volkskundlern, die sich direkt mit dem Unbewussten befassen, es gibt auch Ausnahmen. Mir ist zum Beispiel bekannt, dass sich der amerikanische Wissenschaftler Donald Ward schon seit langem mit Angstträumen und ihrem Ursprung beschäftigt. Ich denke mir, dass der Inhalt von Träumen, speziell Angst- oder Albträumen (nach der neuen deutschen Rechtschreibung nach dem Nachtmahr benannt), hier in diesem Formum ein interessantes und vor allem ergiebiges Thema wäre. So will ich hier selbst den Anfang machen und auf ein interessantes Buch in diesem Zusammenhang verwiesen:
Jost Perfahl (Hg.): Träume, die Heimat der Seele. Dokumente aus zwei Jahrtausenden. München 1990.
Wie sehr die Beschäftigung mit einem Traum die wissenschaftliche Debatte beflügeln kann, beweist auch der Aufsatz des bekannten Querdenkers unter den Historikern Carlo Ginzburg (vgl. dazu sein Aufsatz in der Zeitschrift für Volkskunde "Freud, der Wolfsmann und die Werwölfe", 82 (1986), 189-199). Seine unorthodoxe Studie zog eine ganze Reihe hochinteressanter Kommentare zum Wolfsthema in dieser Zeitschrift nach sich.
Daneben möchte ich noch dafür plädieren, dass auch die eigenen Träume mehr analysiert werden. Es gibt kein besseres Feld um die eigenen Dämonen kennen zu lernen. Hätten Adolf Hitler oder Josef Stalin ein Traumtagebuch geführt, ich denke der dämonische Charakter dieser Diktatoren wäre für uns bis heute ein Stück leichter zu entschlüsseln.
 
Hallo Dreamsearcher,

ein durchaus interessantes Thema. Dennoch stimme ich Dir - beachte bitte, nach meiner subjektiven Meinung - nicht zu, daß in der Volkskunde der Traum kein Thema wäre. Im HDA ist das Thema Traum leider nicht mehr erschienen, da das Lexikon wegen des Krieges ganz schnell abgeschlossen werden musste. Dennoch wird in sehr vielen Lexikonartikeln auf den Traum eingegangen, etwa auf die mögliche weissagende Bedeutung. Auch die sog. "Traumbücher", mit Erklärungen zur Traumdeutung, sind längst vor Sigmund Freud verbreitet.

Besonders der Volkskundler Martin Scharfe setzt sich in seinem Werk massiv mit Freud auseinander, vergl. etwa sein Buch "Menschenwerk. Erkundungen über Kultur", S. 125 - 143. Und wie ich Scharfe kenne, würde er vermutlich recht laut husten, wenn Du Sigmund Freud ausschliesslich in die Psychologie drängst, das würde ja auch Freud selbst nicht gerne hören wollen...

Zu Hitler: ich erinnere mich vor sehr langer Zeit ein Buch von Alice Miller, "Am Anfang war Erziehung" gelesen zu haben, worin sie sehr wohl dokumentierte Träume von ihm analysiert. Diese Träume waren auch grausam und krank.

Zu Donald J. Ward muss ich Dir leider sehr Trauriges mitteilen:
16. März 1930 - 16. September 2004.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
AW: Träume als hervorragende Quelle für Dämonisches I

Die Beschäftigung mit Sigmund Freud und seinem Hauptwerk "Die Traumdeutung" direkt als "Traumforschung" zu bezeichnen, kann ich nicht ganz gelten lassen. Zwar ist Martin Scharfe als Volkskundler dafür bekannt, dass er grundsätzlich schon viele Randthemen für das Fach erschlossen hat (vgl. beispielsweise: Martin Scharfe: Wegzeiger. Zur Kulturgeschichte des Verirrens und Wegfindens. Marburg 1998), aber eine Analyse von Freuds Werk kann nicht für eine systematische Untersuchung von Träumen in der Kulturgeschichte des Menschen stehen. Nach wie vor ist die Antwort ausständig, welcher Volkskundler sich der Thematik eingehend gewidmet hat (einmal ausgenommen Donald Ward, dessen Tod mich sehr bestürzt hat, da ich seine einnehmende Persönlichkeit selbst erlebt habe).
Es gibt meines Wissens zur Traumthematik inzwischen jedoch zwei Untersuchungen, die den sehr interessanten Bereich Kulturgeschichte des Traums behandeln.
In diesem Zusammenhang möchte ich verweisen auf eine sehr interessante Zusammenstellung über Träume in der Kulturgeschichte, die vor allem den englischsprachigen Raum betrifft:
Peter Burke: Die Kulturgeschichte der Träume. Kapitel II. In: Ders.: Eleganz und Haltung. Die Vielfalt der Kulturgeschichte. Über Selbstbeherrschung, Schabernack, Zensur, den Karneval von Rio und andere menschliche Gewohnheiten. Berlin 1998 (Titel der engl. Originalausgabe "Varieties of Cultural History", Cambridge 1997), 37-62. Sowie als Versuch einer ersten Kulturgeschichte des umfangreichen Themas im deutschsprachigen Raum:
Peter-Andre Alt: Der Schlaf der Vernunft. Literatur und Traum in der Kulturgeschichte der Neuzeit. München 2002.
Besonders interessant ist auch eine Untersuchung aus der Psychologie. Aniela Jaffé, eine langjährige Mitarbeiterin von C. G. Jung, hat dabei den Inhalt von 1500 Briefen untersucht, die einer Zeitung von den Lesern zur Thematik Übersinnliches zugesandt worden sind (vgl. dazu: Dies.: Geistererscheinungen und Vorzeichen. Mit einem Vorwort von C. G. Jung. 3. Aufl. Freiburg / Basel / Wien 1997).
Im HdA kommt der Traum als Stichwort zwar vor, jedoch wird auf die Nachträge verwiesen. Dort wurde offenbar auf diesen Nachtrag vergessen, jedenfalls konnte ich die betreffende Spalte nicht finden. Auch der Alptraum (jetzt Albtraum) fehlt, obwohl dem Alp (jetzt Alb) mehrere Spalten gewidmet sind. Erst im Register findet sich der Traum unter den Stichworten, wobei er aber immer nur marginal unter anderen Themen behandelt wird.
Wie sehr der Traum und die Vision vor allem die Literatur beeinflusst hat, beweist für den den deutschen Raum sehr schön die folgende Publikation:
Winfried Freund: Deutsche Phantastik. Die phantastische deutsche Literatur von Goethe bis zur Gegenwart. München 1999.
Unter anderem behandelt Freund Aggressionsphantasien und Alpträume von Brecht, Kästner und H. C. Artmann oder Visionen von der Agonie und Apokalypse von A. Kubin, G. Meyrink oder L. Perutz. Sogar der "dämonischen Leinwand" (also dem frühen phantastischen Film in Deutschland) und dessen Botschaften widmet der Autor noch einige Seiten.
So muss ich resümierend wiederum beklagen, dass der Traum in volkskundlichen Untersuchungen nur einen geringen Platz einnimmt. Dass Volkskundler gar selbst ihre Träume oder jene von Studenten gesammelt hätten, ist mir bis dato überhaupt nicht bekannt.
So stelle ich hier in diesem Forum noch einmal die Frage:
Gibt es fundierte Untersuchungen zum Traum in unserem Fach? Wenn nein, stelle ich die Gegenfrage, warum nicht?
 
Hallo Dreamsearcher,

Die Beschäftigung mit Sigmund Freud und seinem Hauptwerk "Die Traumdeutung" direkt als "Traumforschung" zu bezeichnen, kann ich nicht ganz gelten lassen.

Wer hat das gesagt? Ich habe das ganz sicher nicht gesagt!
Ich habe gesagt, daß Sigmund Freud sich sicher nicht als "der große" Psychoanalytiker gesehen hat und zudem auch gar nicht sein wollte. Sigmund Freud hat sich auch als Literat und Schriftsteller gesehen und sein größter Wunsch war es, in der Literatur anerkannt zu werden. Seine größte diesbezügliche Freude war es, als er 1930 den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt für sein literarisches Werk erhalten hat.

Bezüglich dem Fehlen des Stichwortes "Traum" im HdA verweise ich Dich auf das Vorwort von Christoph Daxelmüller zur Faksimile-Ausgabe:
Es wurde wegen dem Weltkrieg immer eiliger das Lexikon in Druck zu bringen. Also wollte man jene Artikel die noch fehlten, im Nachtragsband herausbringen, damit konnten die ersten Bände schon gedruckt werden. Nur ein ganz kleiner Teil konnte dann eben im Nachtragsband noch erscheinen, weil das Lexikon dann in den Verkauf musste. Daxelmüller bringt eine Liste jener Artikel, die es nicht geschafft haben. Ist überhaupt ein Wunder, wie die das zu der Zeit dann doch noch geschafft haben, so ein Riesen-Lexikon mitten im Krieg zu produzieren?

So muss ich resümierend wiederum beklagen, dass der Traum in volkskundlichen Untersuchungen nur einen geringen Platz einnimmt.

Ich glaube, Deine These stimmt so formuliert nicht. Ich würde eher sagen, daß die Volkskunde bzw. Europäische Ethnologie ein dermassen grosses Forschungsgebiet ist, zudem in der Ausbildung an den Universitäten vielfach eingestellt wurde (vgl. Innsbruck), daß man sich für so ein Randthema sehr schwer die Zeit nehmen kann, mehrere Jahre psychoanalytische Ausbildung zu nehmen, um dann noch immer nicht profund genug untersuchen zu können.

Zudem gibt es meines Wissens exzellent gute Volkskundler, die zudem exzellente Psychoanalytiker sind!

Ich bringe nur mal zwei, die ich mal selbst kennengelernt habe: Bernd Rieken in Wien ist Psychoanalytiker und Prof. f. Europäische Ethnologie in Wien. Sein Buch "Arachne und ihre Schwestern - Eine Motivgeschichte der Spinne von den "Naturvölkermärchen" bis zu den "Urban Legends"" ist sehr empfehlenswert (solange man sich nicht vor Spinnen ekelt...;-)

Gotthilf Isler ist ebenso Psychoanalytiker und Europäischer Ethnologe. Er beschäftigt sich sehr viel mit Traumdeutung. (vgl "Die Sennenpuppe").

Wolfgang (SAGEN.at)
 
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