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Sütterlin-Schrift

Babel

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Das sind zwei Seiten aus einem alten Schulheft. Am 6. Mai 1903 schreibt die Schülerin (6. Schuljahr), was sie im Unterricht über die alten Germanen gelernt hat.

Wer kann das noch lesen? Wer kann es noch schreiben? Hat es noch jemand in der Schule gelernt? Oder wo bzw. von wem sonst?
 

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Ich musste (durfte) diese Schrift in der Schule noch lernen. Leider ist sie inzwischen, wie die Fraktur, ausgerottet, da man sie nach dem Krieg mit gewissen politischen Ansichten verknüpfte. Was kann denn da die Schrift dafür?
Ich halte die Sütterlin oder deutsche Schreibschrift, wie sie bei uns genannt wurde, für die typische Schrift underer Sprache. Auch wenn manche Regeln das Schreiben erschweren, pflege ich sie immer noch dann und wann. :autor:

In der Beilage ist eines meiner Schriftblätter zu sehen, auch wenn es an das der Schülerin aus Neuburg an der K(ammel?) nicht heranreicht. Ich habe auch nie einen "Römischen Einser" dafür bekommen :)
 

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Ich musste (durfte) diese Schrift in der Schule noch lernen. Leider ist sie inzwischen, wie die Fraktur, ausgerottet, da man sie nach dem Krieg mit gewissen politischen Ansichten verknüpfte. Was kann denn da die Schrift dafür?
Ich halte die Sütterlin oder deutsche Schreibschrift, wie sie bei uns genannt wurde, für die typische Schrift underer Sprache. Auch wenn manche Regeln das Schreiben erschweren, pflege ich sie immer noch dann und wann. :autor:

In der Beilage ist eines meiner Schriftblätter zu sehen, auch wenn es an das der Schülerin aus Neuburg an der K(ammel?) nicht heranreicht. Ich habe auch nie einen "Römischen Einser" dafür bekommen :)

Na, das ist doch wunderschön geschrieben! :smiley_da

Wir haben sie in der Schule nicht mehr gelernt. Ich habe sie "privat" gelernt, weil ich sie schön fand: Ich sah diese Schrift bei meinem Vater, der sie auch nur "privat" benutzte, da sie ja offiziell bereits abgeschafft war. Meine Mutter (Jahrgang 1911), die sie ja in der Schule noch als die "normale" Schrift gelernt haben muß, konnte sie in den 50er, 60er Jahren kaum noch lesen. Ich kann sie noch genauso gut schreiben wie die lateinische Schrift – wenn man davon absieht, daß ich kaum noch mit der Hand schreibe und Notizen in Lebenslagen ohne Computer (unterwegs etc.) eher in Steno mache.

Meine erste Arbeitsstelle hatte ich 1962 bei der Ulmer Stadtverwaltung. Ich wurde gefragt, ob ich möglicherweise diese altmodische Schrift noch lesen könnte. Als ich es bejahte, bekam ich ein dickes Papierbündel vorgelegt – ich solle das in Maschinenschrift übertragen. Es war der Prüfbericht über die Arbeit des Standesamtes; ein Beamter im Ruhestand hatte sie angefertigt, und sie lag da schon seit zwei Jahren, ohne daß man jemanden gefunden hätte, der das noch hätte lesen können. 1962! – das hat mich schon sehr gewundert.

Für diejenigen, die die zwei Seiten aus dem Schulheft nicht mehr lesen können, sollte ich vielleicht eine Übersetzung liefern:

Die alten Germanen.
1. Name. Die ältesten Deutschen wurden Germanen genannt.
2. Aussehen. Sie waren von hoher Gestalt, hatten eine weiße Hautfarbe, herabhängende, blonde Haare, blaue Augen und einen kühnen Blick.
3. Kleidung. Ihre Kleidung bestand aus Tierfellen, oder aus grober Leinwand.
4. Nahrung. Fleisch und Milch bildeten die gewöhnliche Nahrung und besonders gern tranken sie Bier und den süßen Met aus den Hörnern des Ur.
5. Wohnung. An einen Fluß mitten in ihren Feldern bauten sie ihre hölzerne Hütte.
6. Beschäftigung. Sie beschäftigten sich besonders mit der Jagd, wenn sie der Krieg nicht hinderte. Die Hausarbeiten versorgten die Hausfrauen und die Feldarbeiten die Leibeigenen.
7. Fehler und Tugenden. Trunksucht und leidenschaftliches Würfelspiel waren die Hauptfehler der Germanen. Die Haupttugenden aber waren: Gastfreundschaft, Tapferkeit und Vaterlandsliebe.

Der Sonntag.
Feierlich tönt das Geläute der Morgenglocke über das Feld dahin. Tiefe Ruhr liegt über der ganzen Natur ausgebreitet. Die Hirten ruhen friedlich neben ihren Herden auf dem Felde. Die Bauern ziehen im Sonntagskleide zur Kirche. Die Natur hat auch ihr Sonntagskleid umgelegt; denn überall erglänzt der Tau. Die Vögel begrüßen den Sonntag mit schönem Gesang. Würziger Duft entströmt den Blumen in Feld u. Wald.


Ich fand diese Germanentümelei im Jahre 1903 (!!!) interessant.
 
Ich kenne das unter Kurrentschrift. Meine Mutter hat sie geschrieben (natürlich nicht nur), scheinbar war das damals (Jahrgang 1928) die normale Schulschrift. Ich hatte sie in "Schönschreiben". Lesen kann ich sie noch, schreiben nicht mehr so gut.
 
Ich kenne das unter Kurrentschrift. Meine Mutter hat sie geschrieben (natürlich nicht nur), scheinbar war das damals (Jahrgang 1928) die normale Schulschrift. Ich hatte sie in "Schönschreiben". Lesen kann ich sie noch, schreiben nicht mehr so gut.
Lt. Google wurde sie in den Schulen 1942 abgeschafft.
 
Das stimmt nur teilweise: Als "Normalschrift" ja, aber im Fach (Schön-) Schreiben musste ich sie noch Anfang der 1960er Jahre in der Schule lernen.
Schönschreiben – in welcher Klasse? Das habe ich in Deutschland zwar auch noch als Fach kennengelernt, aber nur in den alleruntersten Klassen – und da hätte man den Kindern doch nicht das Erlernen einer zweiten Schrift zumuten können? :kopfkratz

Aber ich erinnere mich, daß einige Lehrer diese Schrift noch im Schnelldurchgang gelehrt haben, wenn bei den 13-, 14jährigen Schülern Interesse daran bestand (damit sie noch die Briefe ihrer Großeltern lesen konnten). In unserer Klasse wurde es nicht gelehrt, und ich weiß auch von keiner Freundin aus anderen Klassen oder Schulen, die das interessiert hätte.

Dann hätte es in Österreich 1962 genug Leute gegeben, die dieses Manuskript eines alten Beamten hätten lesen können, mit dem ich meinen beruflichen Einstand gab. ;)
 
Auch ich gehöre zur Generation, die die Kurrentschrift noch im "Schönschreiben" gelernt hat, und zwar in der 4.Kl. VS, in der 1.Kl. HS und im Zeichenunterricht in der LBA (Lehrerbildungsanstalt).
Geschrieben wurde entweder mit Bleistift oder Spitzfeder im Federstiel.
Ich kann sie noch schreiben und lesen (dadurch bekomme ich manchmal Zugang zu älteren interessanten Schriftstücken )

In den "Notenbücheln", die Lehrer am Schulanfang erhielten, waren neben aktuellen Neuerungen das Schulgesetz betreffend, auch immer Schrifttabellen mit den Schulschriften, incl. Kurrentschrift.

Verordnungsblatt 1951 kurrent 1951.jpg

Schreibenlernen in österr. Schulen: (Quelle: Frohes Lernen 1948, Reprint 1996)
1909 1909.jpg 1923 spitzfeder-schräglage 1923.jpg 1925 schnurzug 1925.jpg

Mit "Frohes Lernen 1948" hat auch meine Schullaufbahn begonnen :), hier kann man darin blättern: http://www.schulmuseum.at/vsm/raum2/froheslernen.pdf
Man beachte: Am Buchende sind Geschichten in Fraktur!
 
Verordnungsblatt 1951
Schreibenlernen in österr. Schulen: (Quelle: Frohes Lernen 1948, Reprint 1996)

Mit "Frohes Lernen 1948" hat auch meine Schullaufbahn begonnen
Man beachte: Am Buchende sind Geschichten in Fraktur!
Schön, die Schriftproben und Lesebuchseiten!
Meine Schulzeit begann im Herbst 1944 und endete dann erstmal im April, als die Rote Armee vor Berlin ankam. Für ein paar Tage hatte die Schule ein Ausweichquartier näher an meiner Wohnsiedlung in Potsdam-Babelsberg, dann war Schluß. Bis dahin hatten wir alle Kleinbuchstaben und wohl auch die ersten Großbuchstaben durchgenommen. Was fehlte, lernte ich allein zu Hause. Da die Bücher in unserem Haus, die für eine Leseanfängerin "kindgerecht" genug waren, teilweise in Fraktur gedruckt waren, habe ich das gleichzeitig lesen gelernt, ohne daß mir ein Unterschied auffiel. Erst als Erwachsene habe ich gemerkt, daß die lateinische und die Fraktur zwei verschiedene Druckschriften sind. :D
 
Ich denke auch grad drüber nach, wann ich Frakturschrift lesen gelernt hab und ob das mit der Schule zu tun hatte. Bei den Großeltern gab es so viele alte Bücher vom Onkel, der gefallen war, ich hab alles gelesen, was mir in die Finger kam.
 
Ich denke auch grad drüber nach, wann ich Frakturschrift lesen gelernt hab und ob das mit der Schule zu tun hatte. Bei den Großeltern gab es so viele alte Bücher vom Onkel, der gefallen war, ich hab alles gelesen, was mir in die Finger kam.
Dann hast du es bestimmt genauso "versehentlich" gelernt wie ich. Mir hat man das später manchmal nicht geglaubt, aber ich finde es völlig natürlich. In barus Lesebuch heißt es: "Die Straße ist ein großes Buch. Auf jeder Seite gibt es gar viel zu lesen. Aber die Buchstaben sehen oft ein wenig anders aus als in unserm Lesebuch." Nun, nicht nur auf Ladenschildern, sondern auch in Büchern sahen die Buchstaben oft "ein wenig anders" aus, und man erkannte sie trotzdem. Heute müssen die Kinder an Firmenzeichen und in Anzeigen noch eine ganz andere Bandbreite von "anders aussehenden" Buchstaben bewältigen. ;) Nur komplette Texte in Fraktur können heutige Jugendliche nicht mehr lesen.
 
Ich erinnere mich, dass zu meiner Schulzeit (ab der fünften Schulstufe) etliche Bücher in Fraktur geschrieben waren. Wie Babel und Elfie bereits schrieben, erlernte auch ich diese Schrift ganz selbstverständlich und "nebenbei".
 
Frakturschrift lernte ich durch ein älteres Gesangbuch im Kindergottesdienst. Ich kannte Strophen auswendig, schaute die Liednummern
und" las" mit, so wußte ich bald, welches Wort wie aussah. - Unser Sohn
lernte auch leicht lesen, dadurch (wie ich) oft Langeweile in der Schule,
das Lesebuch schon vorab durchgelesen. Er nannte die "alte Schrift"
übrigens "Bierschrift", der Schriftzug der "Stifts" Brauerei war sein Ausgangspunkt, sich Fraktur anzueignen. - Ulrike
 
Ich habe hier die Fotokopie einer Taufbuch-Seite aus dem Jahr 1764 ausgegraben. Es ist interessant zu sehen, dass die deutschsprachigen Einträge (eigentlich nur die Namen) in Sütterlin geschrieben sind, während alles lateinisch-sprachige in der heutigen Schreibschrift verfasst wurde. Diese Schrift wird ja auch heute noch "Lateinschrift" genannt.
 

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Es ist interessant zu sehen, dass die deutschsprachigen Einträge (eigentlich nur die Namen) in Sütterlin geschrieben sind, während alles lateinisch-sprachige in der heutigen Schreibschrift verfasst wurde. Diese Schrift wird ja auch heute noch "Lateinschrift" genannt.
Das war ja auch im Druck üblich. Als Beispiel der Anfang des Quellenverzeichnisses in der kuriosen Abhandlung von Johann Wihelm Petersen (Jugendfreund Friedrich Schillers): "Geschichte der deutschen National-Neigung zum Trunke.", Leipzig 1782 (Nachdruck Dortmund 1979)
 

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Zufall: Bei der Suche nach einem Rezept für Powidltatschkerl fiel mir dieser Zettel- nicht- in die Hände. Er klebte an der Seite des Kochbuchs. So sind nun Sütterlin und Fraktur für immer vereint :)
Meine Goßmutter hatte sich ein Rezept notiert:

Marillen Marmelade!
Auf 1 kg entkernte, rohe Marillen ( s[?]. Schalen 3/4 kg
Zucker, der schichtweise über die Marillen gestreut wird,
jedoch so, daß die lette Reihe ganz von Zucker bedeckt ist.
Dann 20 Stunden stehen lassen. Nächsten Tag 20 Minuten
v. Kochen an gerechnet unter beständigen Rühren sieden
laßen (genaue Zeit, da sonst zu dicklich) und auch
während des Aubkühlens rühren.- Heiß in Gläser füllen.
Einige Tage offen stehen lassen, damit sich die
Haut ausrtocknen kann. Nach Belieben zur Vorsicht
Fließblatt in Rum getränkt, oder Salizil darauf geben.
14.VIII.922- Erhält wunderbar Farbe u Geschmack
 

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Hier eine Doppelseite aus einem Schulheft von Jahre 1958. Ein Schulfreund fand beim Aufräumen mein altes Physikheft und schickte es mir jetzt. Ich schrieb damals zu meinem Vergnügen in Sütterlin (und weil ich die Schrift schöner fand als die lateinische), und mein Lehrer hatte offenbar nichts dagegen. Ob ich auch meine Hefte in anderen Fächern so führte, weiß ich nicht – was in der Wohnung meiner Eltern blieb, ist längst entsorgt.
 

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Ich besitze von meiner Oma eine Kladde mit Gedichten aus dem 1. Weltkrieg,
gestochen schön mit dem Federhalter geschrieben. Ich nehme an, dass sie
diese aus Zeitungen u. dgl. abgeschrieben hat, denn später wurden Seiten
mit herausgeschnittenen Gedichten (Ev. Sonntagszeitung u.a.) beklebt.
Mein Vater mußte dann "umlernen", seine Schrift konnte ich kaum lesen.
In Frakturschrift standen in meiner Grundschulzeit auch noch einige
Geschichten im Lesebuch. Wir hatten Schönschreiben (lateinisch) auf dem Stundenplan, habe noch zuerst Druckschrift (ganze Wörter) mit Griffel und
Schiefertafel gelernt, dann kam der sog. Kolbenfüller und Hefte mit diesen
3Linien, dann Doppellinie u. zuletzt nur noch eine Lin ie. Leider keine Fotos!
Patronenfüller u. Tintenkiller kamen später, wir durften auch nur mit Füller
schreiben. In der 9. Klasse waren Aufsätze von 7 Seiten in Schönschrift
u. möglichst fehlerfrei abzuliefern. Es wurde wahnsinnig viel mit der Hand
geschrieben u. abgeschrieben (z.B. Liedtexte), eine Menge auswendig
gelernt (Gedichte, Lieder) usw. Keine kopierten Blätter zum Ankreuzen
oder Lücken füllen, alles wurde cplt. geschrieben. -Ich bin eigentlich gerne
zur Schule gegangen, in Kunst haben wir auch mit Tuschefeder verschiedene
schöne Schriften geübt u. Schwarz/Weiß "Kunstwerke" gezeichnet. -Ulrike
 
Die Sütterlin-Schrift wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von dem Graphiker Ludwig Sütterlin entwickelt. Sie ist daher nicht identisch mit der bis dahin üblichen Kurrentschrift.

Hintergrund dieser Entwicklung war eine Änderung des Schreibgeräts: im 18. und 19. Jh. wurde meist mit einem Federkiel geschrieben. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. kamen industriell gefertigte Stahlfedern in Mode.

In den 1960er Jahren wurde Sütterlin in der Grundschule am Rande gestreift. Ich hatte es im 3. Schuljahr für ein paar Wochen.

In einigen Volkshochschulen finden kleine Sütterlin-Kurse statt. Meistens, wenn sich ein(e) rührige(r) Dozent(in) findet.

Privat schreibe ich viel Sütterlin, weil ich es schön finde. Außerdem kann es nicht jeder sofort lesen. Also eine Art "Geheimschrift".
 
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