Ein weiteres äußerst empfehlenswertes Buch über den Krieg in Russland und die Erfahrung in russischer Kriegsgefangenschaft stammt ebenfalls aus Südtirol, nur wenige Kilometer von dem im ersten Beitrag beschriebenen Buch.
Luis Raffeiner, Wir waren keine Menschen mehr.
Erinnerungen eines Wehrmachtssoldaten an die Ostfront.
Aufgezeichnet von Luise Ruatti, mit einem Nachwort von Hannes Heer.
Edition Raetia, Bozen 2010, ISBN: 978-88-7283-372-8.
„Dieses Buch ist eine Botschaft gegen den Krieg, gegen politische Fanatismen, gegen den Egoismus und gegen die ‚Wir zuerst’-Mentalität. Wer dieses Buch liest, müsste eigentlich für immer immun sein gegen menschenverachtende Weltanschauungen.“ So beschrieb der Historiker Leopold Steurer das Buch „Wir waren keine Menschen mehr“, das am 17. Juli im voll besetzten Theatersaal in Naturns vorgestellt wurde.
Anschaulich und prägnant schildert Luis Raffeiner auf 232 Seiten in Text und Bildern seine Kindheit in Karthaus, seine Jugendzeit und vor allem die dramatischen Kriegserlebnisse während seiner Zeit als Wehrmachtssoldat an der Ostfront. Luis Raffeiner ist am 23. Juli 1917 in der Klosterzelle Nummer 10 in Karthaus geboren. Am 21. November 1924 verlor seine Familie bei der Brandkatastrophe in Karthaus alles Hab und Gut. Auch faschistische Schikanen erlebte Luis Raffeiner hautnah. Ende 1939, er war damals 22, optierte er für Deutschland und wurde in die Wehrmacht überstellt. Als Panzerwart einer Sturmgeschützabteilung zog er 1941 in den Krieg gegen Russland. Dort erlebte er, wie er selbst sagt, „Krieg in seiner brutalen und grausamen Wirklichkeit“. Eindrücke davon hielt er mit seiner Fotokamera fest.
Es war Luise Ruatti, welche die Erinnerungen von Luis Raffeiner aufgezeichnet hat. „Luis Raffeiner ist einer der wenigen Menschen, die wir noch als Zeitzeugen erleben können“, sagte Thomas Kager im Namen des Verlags Raetia, bei dem das Buch in der Reihe „Memoria – Erinnerungen an das 20. Jahrhundert“ erschienen ist. „Luis Raffeiner verschweigt die Greueltaten nicht. Die Wahrheit ist ihm wichtig und er hat den Mut, darüber zu berichten und mit dem Mythos der sauberen Wehrmacht zu brechen“, so Kager weiter. Auf diesen Aspekt geht auch der Historiker Hannes Heer, Leiter der viel diskutierten Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944“ in seinem ausführlichen Nachwort ein, das er mit dem Titel „Zeige deine Wunde“ überschrieben hat.
Im Gegensatz zu vielen anderen Publikationen von Zeitzeugen, in denen laut Leopold Steurer „immer die braune Ideologie durchschlägt,“ werde im Buch von Luis Raffeiner nichts beschönigt: „Von Helden ist hier keine Rede, Luis Raffeiner bleibt bei der Wahrheit.“ Der Krieg habe ihn gleichzeitig zu Opfer und Täter werden lassen.
Eine Publikation dieser Art habe es in Südtirol bisher nicht gegeben. Der Prozess des „ Sich frei Sprechens“ und „Sich frei Schreibens“ sei für Luis Raffeiner selbst heilsam gewesen. „Er hat mit diesem Buch sich selbst, der Gemeinde Naturns und ganz Südtirol ein Geschenk gemacht“, so Steurer. Vor allem den jungen Menschen sei dieses Werk zu empfehlen.
Die Grüße im Namen der Gemeinde Naturns überbrachte Bürgermeister Andreas Heidegger, der auch Luis Raffeiners Wirken in Naturns würdigte. Bei Vereinen habe Raffeiner ebenso mitgewirkt wie in der Pfarrgemeinschaft. Auch Raffeiners starken Erfindergeist ließ Heidegger nicht unerwähnt. Das Buch bezeichnete er als „seltenen Glücksfall für die Zeitgeschichte.“
Hannes Heer schreibt über Luis Raffeiner: „Trotz allem ist er anständig geblieben und er hat nach dem Krieg den Mut gehabt, von den Verbrechen Zeugnis abzulegen, die er gesehen hat.“
Quelle: Der Vinschger, 28/2010.
Das Buch ist ein erschreckender Bericht über das - neben dem Holocaust - mit 27 Millionen getöteten Sowjetbürgern barbarischste Kapitel der deutschen und österreichischen Geschichte.
Bemerkenswert im Buch auch seine eigenen Fotos mit denen Luis Raffeiner seinen Bericht illustriert. Die Lektüre des Buches ist zweifellos sehr schwer zu ertragen, jedoch ein sehr wichtiges und außerordentlich seltenes Dokument.
Wolfgang (
SAGEN.at)