Wäre doch ein schönes Thema: Kirmes - Erinnerungen.
Finde ich auch! Und mich wundert, daß nur ganz wenig darüber geschrieben wurde. Das war doch für Kinder etwas Wunderbares – und ist es noch, wie ich immer wieder sehe, wenn ich heute auf Volksfeste gehe und den Kindern (aber auch den Erwachsenen) zuschaue. Das Wort Kirmes = Kirchweih(messe) gab es in unserer evangelischen Gegend übrigens nicht.
Mein erstes Volksfest war vermutlich keins (nach der üblichen Definition). Ich bin schon im Vorschulalter gerne von zuhause weggelaufen (was meist damit endete, daß ich nicht zurückfand und irgendeine freundliche Person mich heulendes Wesen zurückbrachte). Einmal landete ich in einer Kleingartenkolonie. Da sah es sehr bunt aus, da flatterten Girlanden und anderes Papierene (ich kannte ja für alles, was ich sah, noch keine Wörter), es waren viele Leute da, manche tanzten, es ging laut und fröhlich zu, ein (wahrscheinlich ganz kleines) Karussell drehte sich, und ich hörte gesungene Musik, die sich mir unauslöschlich eingeprägt hat:
"In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine". Es war sooo schön, es war ein wahres Wunder ...

Erst als Erwachsene erfuhr ich: In diesen Laubenkolonien war man als Verein organisiert, hatte üblicherweise auch ein Vereinsheim, und ich war in das vermutlich jeden Sommer organisierte Vereinsfest geraten. Die Musik? Da besaß halt jemand einen Plattenspieler, aber vermutlich nur wenige Platten, vielleicht nur diese eine ...
Das nächste war dann ein wirkliches Volksfest – gemessen an dem, was wir uns heute darunter vorstellen, freilich nur klein. Es gab ein Karussell, eine Schiffschaukel und einen Autoscooter, der uns als etwas ganz Unglaubliches erschien. Man muß bedenken, daß wir 1950 kaum mal ein wirkliches Auto sahen. Da saß nun also mein damaliger Schwarm in so einem Auto, lenkte mit einer Hand und hatte den freien Arm lässig über die Autotür gehängt – so supercool (auch wenn es diesen Begriff noch nicht gab), daß mir Elfjähriger vor Bewunderung die Puste wegblieb.
Mit zwölf Jahren war ich dann auf dem Viehmarkt in einem hessischen Dorf. An einer Seite des Platzes hinter einer Absperrung standen reihenweise Kühe (denen ich lieber nicht zu nahe kam), an Geflügel erinnere ich mich auch. Davor gab es viele Buden und Tische mit allerlei Waren, die ich vergessen oder gar nicht erst zur Kenntnis genommen habe – gut in Erinnerung sind mir natürlich die Süßigkeiten, aber auch Kettchen, Haarspangen und – als das Zauberhafteste – Chiffontücher. Das Edelste, was ich mir damals vorstellen konnte, waren Stoffe, die so fein waren, daß man hindurchschauen konnte und die einen durchsichtigen Schatten warfen. Ich gab mein Taschengeld für ein dunkelblaues Chiffontuch aus. Man konnte auch Schiffschaukel fahren, aber das war nichts gegen das Wunder dieser Tücher ...
