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Häusliche Tugenden

Babel

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Anno dazumal war die Hausfrau von lauter moralischen "Gebrauchsanweisungen" umgeben, die sie meist auch noch selber hatte sticken müssen. Das Anfertigen solcher Heimtextilien war eine beliebte Aufgabe für heranwachsende Töchter – beliebt vermutlich eher bei den Erzieherinnen als bei den Töchtern selbst.

Die Küchenwand wurde vor Fettspritzern geschont mit Maximen wie: "Wie dein Herz, so gut und rein, soll auch deine Küche sein" oder "Rein gedeckt hat's fein geschmeckt". Die unansehnlichen Küchentücher verbarg das saubere Überhandtuch mit dem Befehl: "Dein Haus sei Deine Welt in den es Dir Gefällt". Im Küchenschrank mahnten gestickte Bänder: "Übe Vorsicht Eile nicht Denn Geschirr gar leicht zerbricht". Die Tischdecken lagerten zwischen den Zeilen: "Trübt dich dein Lebenslauf, Blicke zum Himmel auf." Und wenn doch mal ein hübscher Wandschmuck gekauft wurde, dann verkündete er: "Des Hauses Zier ist Reinlichkeit, Des Hauses Ehr’ Gastfreundlichkeit, Des Hauses Segen Frömmigkeit, Des Hauses Glück Zufriedenheit." In solchen vier Wänden konnte nur die perfekte Hausfrau walten ...!

Alle Bilder wurden im Heimatmuseum Langenau (Alb-Donau-Kreis, Baden-Württemberg) aufgenommen. Weitere Sprüche finden sich schon in der Fotogalerie.
 

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Noch mehr gestickte Moral auf Heimtextilien: "Rein und ganz der Küche Glanz." (Was heißt "ganz"? Daß nichts kaputt gehen soll?) Vor allem muß die Frau eine gute Köchin sein: "Der beste Schatz für einen Mann ist eine Frau, die kochen kann." Und natürlich darf sie die Hausarbeit nicht unlustig tun: "Führe freudig dein Haus, dann bleibt der Segen nicht aus." Das häusliche Glück wird beschworen: "Wo Lieb’ und Treu die Wache hält, das ist’s im Hause wohl bestellt." Oder: "Das Schönste im Leben Was Gott kann geben Ein zufriedenes Haim Und drin glücklich sein."

Und dann kommen die Sprüche, die ich als Kind auch ins Poesiealbum geschrieben bekam: "Beklage nicht den Morgen, der Müh und Arbeit gibt, es ist so schön zu sorgen für Menschen, die man liebt." Offenbar ein Spruch für die Hausfrau, die trotzdem jammert ... ;) Und wenn die Hausfrau es nun wirklich satt hat, hält nur noch dieser Spruch sie bei der Stange: "Schmerzt dich aus tiefster Brust das harte Wort: Du mußt!, dann macht dich eins nur still, das harte Wort: Ich will!" (Nanu? In meinem Poesiealbum heißt es: "das stolze Wort: Ich will!" – was wohl die richtige Fassung sein dürfte.)

Alle Tücher hängen im Heimatmuseum Munderkingen (Alb-Donau-Kreis, Baden-Württemberg)
 

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Eine herrliche Auswahl hast du da getroffen!!!
Ich kenn das natürlich aus meiner Kindheit und die Gefühle sind heute noch sehr ambivalent :(.
In der Küche der Großeltern hingen immer diese Wandschoner: hinterm Herd und hinter der Bank. Bei jedem war es blaues Stickgarn.

Übrigend halte ich auch den Eintrag in deinem Poesiealbum für den richtigen: 2x hart ist nicht nur noch härter, es ist auch unsinnig ;).

Dass sogar noch im Geschirrkasten Sinnsprüche stehen, ist ja schon - heute würde man sagen - stalking :D.
Was das Geschirr angeht hab ich immer noch ein paar Teller von denen mit dem gewellten Rand und eine solche Schüssel aus Mutters Hausstand - für die Blumen ;).

Es gibt übrigens beide Firmen noch!
 

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Ich kenn das natürlich aus meiner Kindheit und die Gefühle sind heute noch sehr ambivalent :(.
In der Küche der Großeltern hingen immer diese Wandschoner: hinterm Herd und hinter der Bank. Bei jedem war es blaues Stickgarn.

Dass sogar noch im Geschirrkasten Sinnsprüche stehen, ist ja schon - heute würde man sagen - stalking :D. Was das Geschirr angeht hab ich immer noch ein paar Teller von denen mit dem gewellten Rand und eine solche Schüssel aus Mutters Hausstand - für die Blumen ;).

Für mich ist das exotisch. Wir waren ein gebildetes Haus :smi_ersch, bei uns war alles rechteckig und ungeschmückt, unser Gott hieß Adolf Loos ("Ornament ist Verbrechen"), und solche Wandbehänge waren der Kitsch des gemeinen Volkes. Unnötig zu sagen, daß uns auch kein Geschirr mit gewellten Rändern ins Haus gekommen wäre ... Nur meine Oma besaß ein paar "kitschige" Sachen, aber die war ja auch noch nicht gebildet. Diese paar Sachen waren das einzige in unserer Wohnung, die ich als Kind schön fand. Dazu gehörten die zwei rosa Teller (mit Blümchen! mit Gold!! mit gewellten Rändern!!!), die mein Urgroßvater von den "Prinzessinnen", die er unterrichtete, geschenkt bekam – dies ist einer davon.

Wie du siehst, ist mir die Vorliebe für alles, wovor ich immer gewarnt wurde :D, bis heute geblieben. :)
 

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Wir waren vor allem ein armes Haus und über alles Vorhandene froh.
Wie man auf deinem Foto erkennen kann, waren diese Teller auch kein feines Porzellan, sondern eher "irden", Keramik. Das und vielleicht auch die Nähe der Herstellungsfirma (weiß nicht, ob das früher eine Rolle spielte) machten sie vermutlich preisgünstig. Irgendwann, wahrscheinlich waren sie ohnehin vererbt oder geschenkt.

Auch die Wandschoner, wie sie hießen, dienten nicht unbedingt der Verschönerung. Wie der Name schon sagt, wurden sie dort angebracht, wo die Wand leicht verschmutzt wurde: beim Herd durch Spritzerei (wer hatte schon Fliesen?) und hinter der Bank, wo die Haare ihre Spuren hinterließen. Oder spielende Kinder :D. Es gab auch so viele verschiedene, weil sie häufig in der Wäsche waren, denn Kinder zeichneten eben die Blümchen gerne mit Buntstiften nach ;).

Dein Teller ist doch schön, so soll es auch sein: alles neu denken und das Eigene finden. Muss ja nicht immer das Gegenteil sein. ;)
 
... die Nähe der Herstellungsfirma (weiß nicht, ob das früher eine Rolle spielte) ...

Auch die Wandschoner, wie sie hießen, dienten nicht unbedingt der Verschönerung. Wie der Name schon sagt, wurden sie dort angebracht, wo die Wand leicht verschmutzt wurde: beim Herd durch Spritzerei (wer hatte schon Fliesen?) ...

Dein Teller ist doch schön, so soll es auch sein: alles neu denken und das Eigene finden. Muss ja nicht immer das Gegenteil sein. ;)
Früher spielte die Nähe eine Rolle, erst heute kommen unsere Sachen vom anderen Ende der Welt. :rolleyes: Den Herstellernachweis auf der Unterseite des Geschirrs konnte ich im Museum natürlich nicht sehen, aber er hat mich sehr interessiert: Wie kommt österreichisches Geschirr ins schwäbische Langenau? Nun, dieses Foto habe ich ist in der "donauschwäbischen Heimatstube" aufgenommen, die Teil des Museums ist. Es sind also Teller, die aus dem ehemaligen Österreich (Ungarn, Balkanländer) mitgebracht wurden.

Es ist möglich, daß bei uns schon eine kleine Fläche hinterm Herd gekachelt war (das Haus wurde 1936/37 gebaut). Alle übrigen Gebrauchsspuren hätte man bei uns eher mit Vorsicht und Ermahnungen :)Niemals: "Finger weg, Kinder!") zu regeln versucht, als daß solche Gebilde an unsere Wände gekommen wären. ;)

Ich finde den Teller wunderbar, und er war ja auch ein fürstliches Geschenk! :D
 
Hier die Geschichte, das folgende Lilienporzellan ist von Sammlern begehrt, ein paar Stücke hab ich noch aus der Zeit, wo es normales Geschirr war ;).
Möglicherweise waren sie aber auch nicht die einzigen, die solche Teller herstellten.

Die 2. Firma ist Frauenthal.

Auf Wände hab ich nie gemalt, aber nur blaue Blümchen waren mir vielleicht zu eintönig.
Naja, Großvater hätte sich schön bedankt, wenn er nach 10 Stunden Arbeit am Bau und oft über 20 km Heimfahrt mit dem Fahrrad (meist auf Sandstraßen) sich zum Tisch setzen und gemütlich zurücklehnen hätte wollen und es hätte geheißen: erst mal ab zum Brunnen!! Fließwasser gab es ja auch nicht.

Jetzt sind wir aber wieder mächtig vom Thema abgekommen :(.
 
Jetzt sind wir aber wieder mächtig vom Thema abgekommen :(.
Das würde ich nicht sagen. Schließlich gehörte es zu den Tugenden, die von der Hausfrau verlangt wurden, mit Fettspritzern, schmutzigen Kinderhänden und grantigen Großvätern fertig zu werden, und das bitteschön auch noch "freudig"! :D
 
Nun gut, ad fontes: Dieses Spruchdeckerl konnte ich heute mit der Kamera "in freier Wildbahn", bei einem Bauern, schießen. Der Spruch lautet: "Der Mann braucht nur das Geld hergeben, macht ihm die Frau ein süsses Leben." - Und schon wieder sind weibliche Tugenden an den Einwurf einer Münze geknüpft. :D :floet:
 

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Nun gut, ad fontes: Dieses Spruchdeckerl konnte ich heute mit der Kamera "in freier Wildbahn", bei einem Bauern, schießen. Der Spruch lautet: "Der Mann braucht nur das Geld hergeben, macht ihm die Frau ein süsses Leben." - Und schon wieder sind weibliche Tugenden an den Einwurf einer Münze geknüpft. :D :floet:
Na, das zeugt doch vom praktischen Verstand der Frauen, oder? :D Schön, daß es diese gestickten Sinnsprüche noch "in freier Wildbahn" gibt! :smiley_da
 
Solche sinnigen 'Sinnsprüche' habe ich gestern auch im volkskundlichen Museum in Strassburg im Gurktal entdeckt.
 

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Auch das ist eine häusliche Tugend.
Der Spruch "I tua lei a bissl nåpfazn" müsste allerdings korrekt heißen: "I tua lei a bissale nåpfazn".
Gesehen in meinem Wohnzimmer :D
 

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Auch das ist eine häusliche Tugend.
Der Spruch "I tua lei a bissl nåpfazn" müsste allerdings korrekt heißen: "I tua lei a bissale nåpfazn".
Gesehen in meinem Wohnzimmer :D
Und ob das eine Tugend ist! :smiley_da
Aber was heißt bitte "lei"? :kopfkratz
Deine Wohnung scheint unerschöpflich an interessanten Dingen zu sein! :)
 
"Lei" ist kärntner Mundart und bedeutet "nur" (vom slowenischen "le"=bloß, nur").
 
:Fluester: Jede Wohnstätte ist voll mit Kramuri, Krempel, Zeugs und Klumpert. Man muß es nur finden und mit den richtigen Augen sehen. ;)
Nicht wenn man zigmal im Leben umgezogen ist und jedesmal vorher gründlich ausgemistet hat. Und normale Mietshauskeller sind klein ... Vor meinem vorletzten Umzug (vor 16 Jahren) habe ich mich von fast der Hälfte meiner Bücher getrennt und muß noch heute für jedes neugekaufte Buch ein anderes loswerden, um Platz dafür zu finden. Aber meine Sammlungen – Devotionalien, farbige Gläser, Papier- und Mini-Krippen – hege und pflege ich. ;)
 
Also da brauch sogar ich ein Wörterbuch, wenn ein Kärntner ins Suppenkoma fällt :(.
Wer beim Öffnen seiner Schränke wirklich keine moralischen Appelle vor sich haben wollte, konnte sich mit einer einfachen Häkelborte begnügen. Ganz "nackt" durften die Bretter nicht sein. Der Wäscheschrank war früher eine Art "öffentlicher Raum", zumindest während der Hochzeitsfeierlichkeiten. Nach Aussage einer Frau aus Krumbach (Bayerisch Schwaben) war es noch in den 60er Jahren üblich, daß die Hochzeitsgäste (je nach Ort das ganze Dorf!) durchs Haus der Neuvermählten spazierten und "das Sach" (= Einrichtung und Hausrat) seeehr kritisch beäugten. Der Wäscheschrank stand selbstverständlich zur Besichtigung offen. Die Wäsche war so gefaltet, daß die Fächer gerammelt voll aussahen, auch wenn dahinter massenhaft Platz war; ein paar Wachsstöcke mit Heiligenbildchen gehörten zur Dekoration. Und ein Wäscheschrank ohne Borten hätte die Frischvermählte disqualifiziert als hundsmiserable Hausfrau :smi_nein:, mit der man keinesfalls Umgang pflegen konnte.

Dieser Schrankinhalt ist im Rieser Bauernmuseum Maihingen (Bayerisch Schwaben) zu sehen.
 

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