Hallo Lisa,
danke für deine Fragen, ich versuche sie kurz zu beantworten.
In der slawischen Mythologie gab es wirklich keine Feen und Elfen, die gehören der germanischen oder westeuropäischen Mythologie. Die Mythologie der westlichen (Polen, Slowaken, Serben, Tschechen) und östlichen (Russen, Weißrussen, Ukrainer) Slawen weist auch wesentliche Unterschiede auf. Auch die verschiedenen Länder, die zu einer Gruppe gehören, haben Unterschiede in Mythologie, darauf muss man auch die Rücksicht nehmen. Ich werde also in erster Linie über russische Personen reden.
So sind die Riesen, soviel ich weiß, bei Westslawen mehr bekannt. In russischen Märchen und Sagen handelten
Bogatyri – die besonders kräftigen Männer, Helden, die durch ihre Heldentaten im ganzen Lande berühmt und von allen verehrt wurden. Ich habe sehr viele russische Volksmärchen in meiner Kindheit gelesen, aber ich kann mich an kein Märchen erinnern, wo es um einen Riesen handelte.
Zu traditionellen märchenhaften russischen Personen zählen Baba Jaga, Kaschtschej Bessmertny (altslawisch „koscht“ – mager, dürr; Bessmertny heißt „Unsterblicher“), Smej Gorynytsch, der Meerzar.
Baba Jaga – eine alte Hexe, die im tiefen Wald in einem Häuschen wohnt, das auf Hühnerbeinen steht. Sie hat ein Knochenbein und fliegt in einem großen Mörser. Baba Jaga frisst Menschen und entführt die Kinder, um sie dann im Ofen zu backen. In vielen Märchen tritt Baba Jaga aber auch als die Helferin des Haupthelden und schenkt ihm Zaubergegenstände, die ihm im Kampf gegen den bösen Helden helfen.
Zu den bösen Helden werden nämlich Kaschtschej der Unsterbliche und Smej Gorynytsch gezählt.
Gemeinsame Züge: Geizige, die ihre Schätze aufbewahren und schöne Mädchen entführen.
Kaschtschej ist ein böser Zauberer, sieht wie ein Skelett aus. Er wird nicht umsonst unsterblich genannt, man kann ihn nicht einfach töten. Sein Tod ist am Ende eines Nagels, der Nagel im Ei, das Ei in einer Ente, die Ente in einem Hasen, der Hasen in einer eisernen Truhe, die Truhe unter einer Elche vergraben (nach anderer Version auf der Elche), die Elche auf der Insel Bujan, die Insel im Ozean. Der Hauptheld (meist ein Zarensohn) muss einen langen schweren Weg überwinden, bevor er den Nagel verschafft und ihn bricht, im gleichen Moment stirbt Kaschtschej.
Smej Gorynytsch (Smeja – „Schlange“ auf Russisch) ist eine böse Person mit Körper einer Schlange, Flügeln und 3 (manchmal 12) Köpfen. Ihn kann man töten, nur wenn man alle Köpfe mit dem Schwert abhaut, das soll dem guten Helden auch viel Mühe kosten.
Der Meerzar ist der Herrscher im Meer, er wohnt in einem Schloss unter dem Wasser. Er wird als ein älterer Mann dargestellt, mit einem langen grünen Bart. In den Märchen handelt er eher als eine böse Person, versucht, die Menschen in sein Reich zu verlocken.
Zu den Hauptpersonen der Volksmythologie gehören die Naturgeister (Leschij, Lesowik, Wodjanoj) und Hausgeister (Domowoj, Kikimora).
Leschij – in der Mythologie der Russen der Waldherrscher, schützt Waldtiere und Vögel. Er tritt in Gestalt eines Mannes mit weißem Bart, der die übliche Bauernkleidung trägt. Er kann seine Größe ändern, mal ist er so groß wie die Bäume, mal so klein wie das Gras. Er kann sich auch in jedes beliebige Tier oder in einen Vogel verwandeln, sowie in einen Busch oder einen Pilz. In nordrussischer Tradition verbindet man seine Erscheinung mit starkem stürmischem Wind.
Leschij behütet den Wald und ist gewöhnlich böse zu den Menschen, bringt ihnen Schaden: lässt sie im Walde vom Weg abkommen (entführt), versteckt einem seine Mütze oder seinen Korb. Um den verlaufenen Menschen zurückzuholen, brachten seine Verwandten dem Leschij Geschenke (Brei und Kuchen)– legten das auf einen Waldweg und baten Leschij, den Menschen zu entlassen.
Als Schutz gegen Leschij dienten Salz und Feuer, der magische Kreis, mit einem Espenzweig oder Taschenmesser gemacht. Man glaubte, wenn bei einer Begegnung mit Leschij das Gebet nicht hilft, muss man schimpfen.
Statt „Geh zum Teufel!“ wird oft der Ausdruck „Geh zu Leschij!“ gebraucht.
Lesowik (Les – auf Russisch „Wald“) wohnt auch im Walde, aber im Gegensatz zu Leschij ist er gut zu den Menschen, hilft ihnen den Weg aus dem Walde zu finden. Seine Hände und Beine sind mit Baumrinde bedeckt, im Bart und in den Haaren wächst Winde, auf dem Kopf ist ein Vogelnest.
Lesowik hat viele Helfer: Kustin (kust – auf Russisch „Busch“), Derewjanik (derewo – „Baum“), Listowik (list – „Blatt“), Trawnik (trawa – „Gras“), Kornewik (koren – „Wurzel“), Jagodnik (jagoda – „Beere“), Gribnik (grib – „Pilz“) und andere noch. Sie kümmern sich um Pflanzen und die Ordnung im Walde, lassen Leschij nicht wüten.
Wodjanoj (woda – auf Russisch „Wasser“) – die mythologische Person, die im Wasser wohnt – der Herr eines Gewässers, aller Fische und Wassertiere. Sieht wie ein Alter aus, stark behaart, mit Tang und Algen bedeckt, hat grüne Haare und einen langen Bart (vergleiche mit dem Meerzar).
Oft wird gemeint, dass Wodjanoj eine Familie hat. Im nordrussischen Volksglauben ist die Frau von Wodjanoj eine hässliche Frau mit großen Brüsten, sie sorgt sich für die Seelen der ertrunkenen Menschen, wäscht und bringt Kinder zur Welt (das war ehrlich gesagt ganz neu für mich, ich habe im Wörterbuch der slawischen Mythologie nachgeschaut, um genauere Beschreibungen zu geben und das entdeckt).
Wodjanoj verlockt die Menschen ins Wasser und ertränkt sie. Er bringt Unglück, verursacht Überschwemmungen und Wasserwirbel.
Domowoj (dom – „Haus“ auf Russisch) – der Hausgeist, ein kleiner älterer Mann, der das Haus schützt (in alten Holzhäusern wohnt er hinter dem Ofen). Er kann gut oder böse sein. Wenn jemand in der Wohnung oder im Hause etwas nicht finden kann, soll er sagen: „Domowoj, du hast genug gespielt, gib zurück, was du genommen hast!“ (Das hilft, habe ich ein paar Male geprüft)
Mit
Kikimora ist eine interessante Geschichte: ich war immer der Meinung, es ist eine Frau mit grünen Haaren und blasser Haut, die in einem Sumpf wohnt. So wurde sie wenigstens in den Märchenfilmen und Trickfilmen gezeigt, die es in meiner Schulzeit viele gab. Sie ist immer unordentlich angezogen, mit zerrauften Haaren. Auch heute nennen wir einen solchen Menschen, der unordentlich angezogen ist oder einfach komisch aussieht, „Kikimora bolotnaja“ oder einfach „Kikimora“ (boloto – „Sumpf“ auf Russisch).
Und im Wörterbuch habe ich gelesen, Kikimora konnte auch im Haus wohnen, war also ein Natur- und Hausgeist zugleich.
Als Hausgeist sah Kikimora wie eine kleine hässliche Alte aus, auch komisch und sehr unordentlich angezogen. Sie ist so dürr und klein, dass sie nie das Haus verlässt, aus Angst, vom Wind weggeweht zu sein. Zu einer Kikimora konnte ein von seinen Eltern verfluchtes Kind werden. Sie konnte in einem Haus erscheinen, das am „schlechten“ Ort gebaut wurde – da, wo ein Ertrunkener begraben wurde, oder wo ein Kind ermordet wurde. Kikimora konnte von den Bauarbeitern ins Haus „geschickt“ werden, wenn sie den künftigen Hausbesitzern Schaden bringen wollten. Dazu legten sie eine aus Lappen und Spänen gemachte kleine Puppe zwischen die Balken in die vordere Ecke.
Im Hause begeht sie Gemeinheiten: stört Menschen beim Schlafen, zerschlägt das Geschirr, macht Lärm.
Als Schutz gegen Kikimora gilt das Gebet, in manchen Fällen auch Schimpfworte. Die „geschickte“ Kikimora kann man vernichten, indem man die versteckte Puppe findet und sie verbrennt.
Das wären glaube ich die wichtigsten Personen, die „typisch russisch“ sind, manchmal aber die Züge der Personen anderer Völker aufweisen (z.B. ist unser Smej Gorynytsch einem Drachen ähnlich). Jetzt verstehst du vielleicht, warum wir keine Zwerge haben – die mythologischen Personen entstehen aus der Berührung oder dem Zusammenstoß der Menschen mit der Umgebung. Für uns heißt Umgebung – Wald und Wasser, darum wurden bei uns hauptsächlich Wald- und Wassergeister entwickelt.
Gnome gibt es in unserer Überlieferung wirklich nicht (ich meine hier Russland), ich glaube das bekannteste Märchen, wo die Kinder die Gnome kennen lernen, ist nämlich „Schneewittchen und 7 Gnome“.
Was Zwerge angeht, sind es mythologische Personen der Westslaven, bedingt durch die Nachbarschaft mit Deutschland.
Hoffe, das war nicht langweilig zum Lesen
Liebe Grüße
Oksana