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Fressglocken in der Steiermark

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Vorab zur Fressglocke: es handelt sich um runde oder herzförmige Glocken, die zum Essen laden.
Dazu ein Artikel:

Fressglocken in den Alpen.
Von Karl Reiterer, Trieben. (Mit 1 Textabbildung.) 1909.

Dem Kulturhistoriker fallen heute in der nordwestlichen Steiermark große eiserne Scheiben, in der Mitte mit einem Loch, auf, auf die man zu Mittag und abends mit einem Hämmerchen schlägt. Es sind dies die sogenannten Fressglocken oder Essglocken, die älteste Form für den Ausdruck „Glocke", (Vergl. diese Zeitschrift Bd. X, S. 182 ff.: „Die Glocke des Bauernhauses“, von Prof. Dr. R. Meringer, mit Zusätzen von Dr. M. Haberlandt, wo diese ringförmigen „Glocken“ zum ersten mal besprochen werden.) Die Größe dieser Eisenscheiben ist eine sehr verschiedene, der Durchmesser variiert zwischen 30 und 50 cm, der Lochdurchmesser hat gewöhnlich 9 bis 12 cm. Eine solche Essglocke hängt in der Regel auf einem Nagel, der in einen Pflock oder in die Hauswand eingetrieben ist. Nicht nur in Bauernhöfen, nein, auch in Bürgershäusern sind derlei Fressglocken. In Trieben ist eine beim Gasthof- und Realitätenbesitzer Herrn Leopold Seebacher, die andere im Gasthof Klarmann. Unsere Abbildung zeigt die vom Gasthofbesitzer Leopold Seebacher. Bei Bauern, die noch stabile Bewohner haben, wird die Glocke noch heute benützt. Was das Landgebiet betrifft, in, welchem diese Scheiben zu treffen sind, so sei bemerkt, dass ich sie in der nordwestlichen Steiermark, im Enns- und Paltentale bei größeren Besitzern traf. Kleinere Bauern oder Gewerbetreibende haben diese Glocken nicht. Sie dienen dazu, die Hausleute zur Essenszeit herbeizurufen. Im Mooslandl beim Großreifling ist beim Radstatthof — der übrigens auch interessante Sgraffitos, aus drei Jahrhunderten stammend, enthält — eine Essglocke vom Jahre 1368, es ist das aber eine wirkliche Glocke, keine Scheibenglocke. Ich führe es an, um zu zeigen, dass im 14. Jahrhundert bereits wirkliche Essglocken in der nordwestlichen Steiermark zu treffen waren. Die Glocken in Scheibenform sind jedenfalls viel älteren Datums und dürften im 11. Jahrhundert Eingang gefunden haben.

Die Fressglocken haben nicht nur eine runde, sondern auch eine herzförmige Gestalt. Ich traf eine solche beim Scheibl in Triebental, zwei Wegstunden südlich von Trieben. Sie ist 33 cm lang und 29 cm breit, am Rande gekerbt, mit der Marke K. W., was bezeugt, dass diese Gegenstände seinerzeit von gewissen Firmen fabriksmäßig hergestellt und vertrieben wurden. Die Dicke der herzförmigen Glocke beträgt zirka 3 mm, oben ist ein Loch, in das ein Haken zum Aufhängen eingefügt ist. Sonderbarerweise traf ich im ganzen Donnersbachtal weder eine runde noch eine herzförmige Fressglocke, auch in der Gegend um St. Martin bei Gröbming nicht. Dort hat man die üblichen hölzernen „Glöckeln", die auch in Alpenhütten, wie zum Beispiel beim Mar in Steinkeller, vulgo Siebenhütten, von mir getroffen wurden. Dagegen gibt es südlich vom Donnersbachtale, im Neumarkter Bezirk, viele runde eiserne Essglocken, die teils auch, wie ich es traf, durchlöchert sind.
Quelle: Karl Reiterer, Freßglocken in den Alpen, in: Zeitschrift für österreichische Volkskunde, XV. Jahrgang 1909, S. 40 - 41.

Der Artikel wurde vor 100 Jahren verfasst. Sind heute in der Steiermark noch Fressglocken bekannt?

Wolfgang (SAGEN.at)
 

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