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DOK1: Ruhetag für immer - Wenn das Wirtshaus zusperrt

Jutta

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Am vergangenen Samstag (06.04.2024) kam im ORF eine interessante Sendung zum Thema Wirtshaussterben:
"2023 gab es in Österreich nur mehr rund 6700 Wirtshäuser. Zum Vergleich: 1978 waren es noch etwas mehr als 15.000. Warum also müssen immer mehr klassische Wirtshäuser aufgeben, während immer mehr Restaurants öffnen?" Hier ist die Sendung abrufbar:

 
Mir hat die Sendung sehr gut gefallen. Auch wenn der ORF derzeit bei vielen in Ungnade gefallen ist und die Negativschlagzeilen beherrscht, zeigt mir diese Sendung mit der sympathischen Lisa Gadenstätter, dass es sich doch immer wieder lohnt, einzuschalten :autor_2:!
 
Auch bei uns werden alte Gaststätten geschlossen. Eine ganz neue Gastronomiekultur bildet sich. Es gab viele Familienbetriebe, gutbürgerliche
Küche, oft Kegelbahnen, ein Saal für Familienfeiern, häufig auch als Wahllokale benutzt. Viele nostalgische Erinnerungen-aber die Zeiten ändern sich. Es gab auch Abrisse von Gebäuden u. auf den Grundstücken wurden Wohnhäuser errichtet. - Ulrike
 
Danke für den Hinweis - eine sehr gute Dokumentation!
Lisa Gadenstätter bringt ziemlich viele Aspekte sehr gut in die Sendung ein. Die Problematik mit den Vereinen wäre noch ausbaufähig gewesen, da hat sie sich dann offenkundig doch nicht drüber getraut...
Bei mir in der Gegend ist so ein Verein, der im Grunde nichts anderes ist als ein Wirtshaus, das keine Steuern und Abgaben zahlt. Fast alle Gasthäuser im Umkreis haben schließen müssen, der Verein floriert prächtig.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Die klassische Wirtshausszene befindet sich bereits seit den 50er/60er Jahren in einem schleichenden Niedergang. Zuerst war es das aufkommende Fernsehen, das Menschen davon abgehalten hat, ins Wirtshaus zu gehen. Ein weiterer Faktor waren ab den 70ern die Dorfgemeinschaftshäuser mit ihren Sälen und Veranstaltungsräumen, die dann mehr und mehr zu Treffpunkten von Vereinen wurden. Und eben auch Sitzungsort von Kommunalparlamenten. Die zogen nämlich vorher auch meist von Ortsteil zu Ortsteil, von Gasthof zu Gasthof.
Insofern hat also das Wirtshaus Stück für Stück sukzessive seine alte Funktionalität in den Siedlungen verloren.

Allerdings: ich kenne mehrere klassische Wirtshäuser, die, weil die Wirte das richtige Konzept haben, den Niedergang und selbst Krisen, wie Corona mit den Lockdowns nicht nur schadlos überstanden haben - sondern ab 2020 regelrecht durch die Decke gegangen sind. Wirtshäuser an Standorten, an denen man das normal nie erwartet hätte. Kurz: am Ende der Welt. Der Erfolg beruht da in erster Linie erst mal auf Mundpropaganda. Die vorher bei vielen unbekannten Wirtshäuser wurden erst durch Corona richtig bekannt. Als 2020 praktisch niemand in den Urlaub fuhr und man vor Ort unterwegs war. Und plötzlich kamen bei denen Radwanderer, Wanderer, Motorradfahrer. Und die sind geblieben.

Und diese Wirtshäuser haben eines gemeinsam: sie haben ein Konzept, dass auch mit wenig Personaleinsatz funktioniert. Man macht das, was man kann - und macht das dann richtig gut und mit vollem Elan.
 
Ich selbst kann eigentlich zu diesem Thema kaum mitreden, da ich nur außerordentlich selten in in Gasthaus gehe. Ich denke aber, dass jene Gasthäuser, die die letzten Krisenjahre überstanden haben, eine prächtige und sichere Zukunft vor sich haben.

Das letzte Mal als ich das in einem Wirtshaus war, war für mich schon ein besonderes Erlebnis. Ich bin letzten Spätherbst im Hausruck in Oberösterreich in der Dunkelheit vom Weg zum Bahnhof abgekommen und über Forstwege in den Wald geraten. Dabei hatte mir ein Einwohner dort zuvor noch von diesem Weg abgeraten. Das sah jedenfalls vorübergehend nicht gut aus, es wurde zudem richtig kalt.
Plötzlich kam ich auf eine Straße und da war ein richtig uriges Wirtshaus. Da bin ich erleichtert auf ein Bier gegangen, im Lokal ging es recht fröhlich zu, es war warm und schlichtweg gemütlich. Der Wirt hat mich sehr gut beraten, wie ich in der Dunkelheit auf einem schmalen Steig zum Bahnhof finden würde. Über den Fluss musste ich (nach guter Ausschau des Bahnverkehrs) über die Bahnbrücke und beim Lagerhaus über den Zaun klettern, habe aber dann den Bahnhof gefunden.

Also auch die soziale Funktion von Wirtshäusern hat schon was ;)

Wolfgang (SAGEN.at)
 
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