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Die Wolke - Katastrophe von Tschernobyl

SAGEN.at

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Im März 2006 startet der Kinofilm "Die Wolke":

die_wolke_plakat.jpg

Bildquelle: Concorde Filmverleih GmbH

Der Spielfilm nach dem Buch von Gudrun Pausewang unter der Regie von Gregor Schnitzler thematisiert die Katastrophe von Tschernobyl, wo am 26. April 1986 sich eine der größten Umweltkatastrophen bzw. die zweitgrößte nukleare Katastrophe (nach Majak 1957) ereignet hat.

die_wolke_Szenenbild_08.jpg

Bildquelle: Concorde Filmverleih GmbH


die_wolke_Szenenbild_12.jpg

Bildquelle: Concorde Filmverleih GmbH

Aus den Bildern geht ja eine phantastisch überzeichnete Spielfilmhandlung des Films hervor. Eigentlich war das 1986 viel stiller, es gab ganz wenig Information.

Wie habt Ihr die Katastrophe von Tschernobyl in Erinnerung?
Wer kann darüber erzählen?

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier meine persönlichen (und subjektiven) Erinnerungen:
Die Nachrichten tröpfelten ganz spärlich zuerst aus den Medien und dann in mein Hirn. Wir haben diesem "Reaktorzwischenfall", so habe ich den Eindruck, zuerst gar keine so große Bedeutung zugemessen. Erst im Laufe von Tagen wurde klar, dass da etwas Größeres passiert sein muss. In meiner Erinnerung war die massivste Einschränkung die, dass man keine Schwammerl klauben sollte.
Und dann war da noch die allenthalben aufkommende Selbstgefälligkeit, dass wir ja Zwentendorf nie in Betrieb genommen haben ..... :smi_mit k
Bis man das wirkliche Ausmaß der Katastrophe erkannte, dauerte es Wochen.
 
Ich erinnere mich noch daran, dass gerade die Salat-Zeit angebrochen war. Endlich vorbei mit dem Wintergemüse und den langweiligen Radieschen. Und gerade in diesem Jahr habe ich im Supermarkt die fertigen Salate entdeckt, die auch schon gewaschen waren, wo man nur noch Dressing darüber geben musste. Erst einige Tage nach dem die Wolke bei uns heruntergeregnet hatte, wurden alle Salate eingezogen und verbrannt.

Am 1. Mai 1986 war ein wunderschöner Tag. Ich war auf den sog. "Telfeser Wiesen" eben in der Wiese. Wir hatten aber halbwegs Glück, Freunde von mir sind in den radioaktiven Regen gekommen und bekamen ziemlich Haarausfall.

Einige Tagen nach dem radioaktiven Regen hat man auch festgestellt, daß der Straßenstaub in der Gehsteigkante besonders hohe Radioaktivität enthielt. Darauf hin sind dann die Kehrmaschinen gefahren und haben den Staub aufgekehrt und die Strassen wurden abgespritzt.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Freunde von mir sind in den radioaktiven Regen gekommen und bekamen ziemlich Haarausfall.
Echt wahr? Wegen des Regens?

In unserer Gegend hat es in der Zeit auch ziemlich viel geregnet und ich erinnere mich an das Pilz- und Beeren-Sammelverbot, empfohlen auch noch für die Jahre danach.
Besonders interessant fand ich einen Artikel in einer Zeitung, in dem ein tschechischer (oder war es ein polnischer?) Imker berichtete, dass er sich gewundert habe, warum seine Bienen trotz Wärme und Sonne die Stöcke nicht verlassen hatten; einige Tage später wurde dann die Katastrophe bekannt.
 
Für mich hatte es Endzeitcharakter.
Am Tag nach Tschernobyl hatte ich mit einem Freund einen Kinobesuch auf der Mariahilfer Straße vereinbart. Wir haben den auch gemacht. Das eigentlich Schlimme war, daß die Mariahilfer Straße, damals zwar noch nicht so überlaufen wie heute aber ganz gut besucht, nahezu menschenleer war und es hat leicht geregnet. Im Kino waren außer uns auch nur drei Leute und es war ein total angesagter Film.
Fürwahr, ein trauriger Tag.
EH
 
Ich hab ab Mai 1986 bis 1997 als Messtechniker an der Versuchsstelle für Strahlenschutz gearbeitet. Ich war dort für Radioaktivitätsmessungen zuständig (Lebensmittel, Boden, Bewuchs etc.).
Ich erinnere mich an einen erlegten Hirsch, den uns ein Jäger zur Messung brachte. Die Schilddrüse des Hirschen hatte soviel Jod-131 gespeichert, dass das Tier, laut damaliger Strahlenschutzverordnung, nicht frei herumlaufen hätte dürfen.
 
Zuletzt bearbeitet:
peter schrieb:
Ich hab ab Mai 1986 bis 1997 als Messtechniker an der Versuchsstelle für Strahlenschutz gearbeitet. Ich war dort für Radioaktivitätsmessungen zuständig (Lebensmittel, Boden, Bewuchs etc.).
Ich erinnere mich an einen erlegten Hirsch, den uns ein Jäger zur Messung brachte. Die Schilddrüse des Hirschen hatte soviel Jod-131 gespeichert, dass das Tier, laut damaliger Strahlenschutzverordnung, nicht frei herumlaufen hätte dürfen.

Nun, lassen wir uns etwas nachrechnen.
Halbwertzeit von Jod131 beträgt rund 8 Tage. Unfall fand am 26.04 statt , das bedeutet, dass bis 1.Juni 1986 die Halbwertzeit 4,25mal abgelaufen ist.
Die Aktivität dabei sinkt um 2^4,25 oder anders gesagt, es bleibt nur 5 % übrig. Welche Werte waren denn damals erlaubt?
MfG ^..^
 
Zuletzt bearbeitet:
gavial schrieb:
Bis man das wirkliche Ausmaß der Katastrophe erkannte, dauerte es Wochen.
Wieso?
Die Stadt Pripyat wurde schon am 27.04.86 evakuiert.
30 km Zone etwas später.
Die Tatsache, dass der Reaktor als steuerbares System nicht mehr
existiert war nach einige Stunden klar.
 
Zuletzt bearbeitet:
^..^ schrieb:

Ich meinte damit das Bewusstsein der Menschen (und auch mein eigenes). Da hat es doch relativ lange gedauert bis uns die Auswirkungen bewusst wurden.
 
Zur Halbwertszeit:
Wenn die Rechnung bloss so einfach wäre!!!!
Du rechnest die physikalische Halbwertszeit von Jod-131, gut. Die physikalische Halbwertszeit gibt jedoch nur den Zerfall des Nuklides pro Zeit wieder. Für Lebewesen (Pflanzen, Tiere, Menschen) wurde der Terminus Technikus: "biologische Halbwertszeit" eingeführt, ein Mass für jene Zeitspanne in der die Hälfte der Aktivität eines Nuklides aus dem Körper ausgeschieden wird. Biologische Halbwertszeit und physikalische Halbwertszeit unterscheiden sich in den meisten Fällen. Zur Berechnung der Verweildauer eines Nuklides in einem Lebewesen werden beide Kenngrössen zur "effektiven Halbwertszeit" zusammengerechnet. Die Effektive Halbwertszeit kann man nur dann zur Berechnung der Verweildauer im Organismus heranziehen, wenn sichergestellt ist, dass kein weiterer Eintrag des radioaktiven Stoffes stattfindet. Im konkreten Fall handelt es sich aber (physikalisch gesehen) um ein offenes System, das heisst, dass ein permanenter Eintrag (durch die Nahrungsaufnahme und durch die Atmung) an Radioaktivität, einem Verlust durch den Stoffwechsel gegenübersteht. Es wird sich ein Gleichgewicht einstellen.
Zur Abschätzung der Jod-131 Aktivität in der Schilddrüse des Tieres müsste man also eine etwas aufwändigere Modellrechnung anstellen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn man Messwerten misstraut, kann man Radioaktivität auch sichtbar machen. Ich hab irgendwann im Mai 1986 ein Paar Gänseblümchen und ein Stück Moos zuerst getrocknet und dann auf einen Röntgenfilm gelegt (Autoradiographie):


Autorad1b.jpg
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
peter schrieb:
Zur Abschätzung der Jod-131 Aktivität in der Schilddrüse des Tieres müsste man also eine etwas aufwändigere Modellrechnung anstellen.
Stoffwechsel habe ich nicht in Betracht genommen, sollte ich aber..
Danke für Hinweis.

peter schrieb:
Wenn man Messwerten misstraut, kann man Radioaktivität auch sichtbar machen.

An die Geräte glaube ich schon aber Abbildung ist trotzdem sehr interessant.
Haben Sie die in eine bessere Auflösung ?
Ich bin Mitglied von Pripyat.com Seite, wir interessieren uns für das Problem von Tschernobyl. Sowohl technische Aspekte, als auch Unfallursachen und Folgen (aber keine STALKER-Fanseite).
Andere Forumsmitglieder bei uns würden sowas auch gern sehen, die sprechen aber nicht Deutsch.
Falls Sie nicht dagegen sind, veröffentlichen wir bei uns Ihr Foto mit Kopyright-Angaben und Beschreibung.
MfG Pavel ^..^
 
Hallo Pavel,

Falls Sie nicht dagegen sind, veröffentlichen wir bei uns Ihr Foto mit Kopyright-Angaben und Beschreibung.

Doch, da haben wir schon etwas dagegen!
Ohne ausdrückliche Zustimmung von Peter veröffentlichst Du mit Sicherheit nichts auf einer anderen Web-Präsenz!

Bitte um ein wenig Geduld, dann wird Peter als Urheber selbst entscheiden.

Moderator Wolfgang (SAGEN.at)
 
SAGEN.at schrieb:
Hallo Pavel,



Doch, da haben wir schon etwas dagegen!
Ohne ausdrückliche Zustimmung von Peter veröffentlichst Du mit Sicherheit nichts auf einer anderen Web-Präsenz!

Bitte um ein wenig Geduld, dann wird Peter als Urheber selbst entscheiden.

Moderator Wolfgang (SAGEN.at)

Selbstverständlich.
Deswegen warte ich auf ausdrückliche Zustimmung von Peter &)
 
Hallo Pavel,

ich habe mir Eure Prypyat-Seite angeschaut, da sind ja ungemein erschreckende Bilder dabei.
Bist Du aus dieser Region in der Ukraine?

Wolfgang (SAGEN.at)
 
SAGEN.at schrieb:
Hallo Pavel,

ich habe mir Eure Prypyat-Seite angeschaut, da sind ja ungemein erschreckende Bilder dabei.
Bist Du aus dieser Region in der Ukraine?

Wolfgang (SAGEN.at)

Nein.Ich komme aus Murmansk, Russland.
Meine Interessen an AKW und RBMK-Technik haben mich zur diesen Seite geführt.
Prypiat.com wurde von Bewohnern der Stadt Pripyat gegründet, deswegen findet man da so viele Informationen, die sonst niergendwo auftauchen.
Pavel
 
Ich war in der Innenstadt Münchens, ein Gewitter lag in der Luft, lastete auf den Dächern, dunkle Wolken, dazwischen das Sonnenlicht, sehr früh für diese Jahreszeit, wie ein Sommergewitter.

Normalerweise liebe ich Gewitter, doch diese schwefliggelbe Stimmung gefiel mir nicht, deshalb flüchtete ich in ein Geschäft, als die Regentropfen fielen.

Die ersten Informationen, tröpfelnd. Angst, aber nicht genug, weil wir eben nicht richtig aufgeklärt wurden. Wir kratzten damals stundenlang Rost vom Balkon unserer Mietwohnung, der kurz vorher so richtig getränkt und dann getrocknet war. Das frische, junge, weiche Gras - plötzlich - gefährlich, vergiftet? Gegen jeden Instinkt. Nichts zu riechen, der Frühling duftet wie immer... Geigerzähler... Wut und Verzweiflung, Tränen, wenn ich an die Menschen dachte, die noch viel näher dran wohnten... Angst.

Halbwertzeit vor allem im Gedächtnis der Menschen. Atomkraft wird grad wieder gesellschaftsfähig.
 
Hallo Pavel,
ich habe das Bild signiert und grösser gemacht. Du kannst es gerne in die Pripyat.com - Seite einstellen. Falls Du noch Informationen zum Bild brauchst, schreib mir einfach ein Mail.

Zur J-131-Dosis-Berechnung in der Schilddrüse brauchst Du noch die Anreicherungsfaktoren. Die Schilddrüse sammelt Jod und reichert es an. Man verwendet deshalb Jodtabletten im Katastrophenfall, um das Organ mit nichtradioaktivem Jod zu sättigen, dann bleibt praktisch kein bis wenig Platz für radioaktives Jod. Umgekehrt wird radioaktives Jod zur Radiotherapie bei bestimmten Erkrankungen der Schilddrüse verwendet, weil es eben dort angereichert wird.
 
Ursprünglicher Beitrag von Pawel am 19.03 2006. (Wegen Datenbankfehler nachträglich vom Admin erneut eingebracht)


Die führende Spezialistin der Agentur "Tschernobylinterinform", Stalker Nr 1, Rimma Kiselica ist heute gestorben.Sie stammte nicht aus Pripyat aber über Jahre hinweg ist bei ihr die Zone tief ins Herz und Seele gewachsen. Sie hat immer gegen das Vergessen gekämpft, versuchte immer uns auf unheilbare Schmerzen , die Katastrophe hinter sich gelassen hat, aufmerksam zu machen.Wir hoffen, dass sie zum Schutzengel der Zone wird.In april sollte sie Moderatorteam von pripyat.com betreuen....Rimma Kiselica in der Stadt Pripyat mit Wachhunden der Stadt (externer Link existiert nicht mehr)
 
Ursprünglicher Beitrag von Wolfgang, SAGEN.at am 19.03.2006. (Wegen Datenbankfehler nachträglich vom Admin erneut eingebracht)

In der österreichischen Tageszeitung "Der Standard", Beilage "Rondo", war am 15. November 2002 ein Porträt über Rimma Kyselytsa, der mich sehr beeindruckt hat und ich den Artikel daher aufgehoben habe.Darin wird Rimma Kyselytsa als Lehrerin beschrieben, die dann als Dolmetscherin bei der "Chornobylinterinform Agency" gearbeitet hat. Ihre Mitarbeit am Aufbau des Tourismus begründete sie in der Notwendigkeit der Region, Geld zu beschaffen, damit etwa Überschwemmungen verhindert oder Waldbrände gelöscht werden können, damit nicht noch mehr kontaminiertes Material freigesetzt wird. Touristen dürfen ganz kurz den Sarkophag (nur von einer Seite) ansehen und 10 Minuten in Pripjat verweilen, für länger darf sich nie wieder ein Mensch in der Region aufhalten.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
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