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Die Vinschgauer Tugendrose

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Aus einer Südtiroler Wochenzeitung:

"Als eine Vinschgauer Tugendrose der blühendsten Sorte präsentierte sich am Mittwoch die ledige Bäuerin Rosa Preis aus Martell. Dieses Mädchen - "kein Engel ist so rein" - besitzt bis jetzt eine ganz nette Familie von 5 unehelichen Kindern, mit den dazu angehörigen, verschiedenen Vätern und da sie infolge ihrer vielfach galanten Beziehungen wenig Zeit hatte, der Wirtschaft genügende Obsorge angedeihen zu lassen, so geriet sie in Geldverlegenheiten, zu deren Abhilfe dieses Musterbild ländlicher Sittsamkeit auf den Gedanken verfiel, ihrer Nachbarin Kreszenz Holzknecht durch allerlei Schwindeleien Geld und Geldeswert bis zu 1500 fl. herauszulocken. Infolgedessen wird nun die "ehr und tugendsame Jungfer" Rosa Preis durch 15 Monate ein sehr "abgeschlossenes" Leben führen, während welcher Zeit sich ihre Marteller Don Juan's eben auf anderer Art und Weise behelfen müssen."

Quelle: Tiroler Sonntags-Bote, Bozen, Nr. 11, 15. März 1885

Es handelt sich hier um eine kleine, arrogante Randnotiz einer historischen Regionalzeitung, die wohl nur erahnen lässt, welche Tragödie sich hier im Martelltal abgespielt hat.
Wie es zu dieser Zeit in Frauengefängnissen am Land ausgesehen haben mag oder wie auf die Versorgung von den fünf Kindern Rücksicht genommen wurde, wird in dieser Zeitungsnotiz nicht beschrieben.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Die bedauernswerten Kinder werden wohl in irgend einer Anstalt gelandet sein und dort für die "Sünden" der Mutter gebüßt haben und die Herren Väter haben sich vermutlich tot gestellt.
Und Zeitungen, die mit der Berichterstattung gleich die Meinung des Volkes mitgeliefert haben, hat es wohl auch schon immer gegeben.
 
Ich lese sehr gerne historische Zeitungen. Meinen "Schatzfund" von ein paar solcher historischer Zeitungen (aus denen das obige Zitat stammt) konnte ich auf dem Flohmarkt in Trient auftreiben.

Die spannendste Erkenntnis der Lektüre historischer Tageszeitungen ist, dass sich im Grunde recht wenig in der Gesellschaft geändert hat...

Wenn man die Unfälle mit Pferdefuhrwerken auf heutige Autos umlegt bzw weitere technische Gegebenheiten gedanklich modernisiert, könnte es sich auch um eine aktuelle Tageszeitung vom heutigen Tag handeln :)

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Ein ähnlich schrecklicher Fall:

"Gattenmord und Mordversuch durch Gift

In Larchat, Gemeinde Wenns im Pitztal hatte der wohlhabende und brave 37jährige Kobbauer vor ungefähr ¾ Jahren eine arme aber schöne Magd Namens Amalia geheiratet, worauf im Kobhof bald ein lustig-heiteres Leben begann, indem die junge Bäuerin (angeblich die uneheliche Tochter eines böhmischen Soldaten) im Verein mit ihrer gleichgesinnten Dienstmagd im Hause mit allerlei jungen Burschen wahre Liebesorgien feierte, von welchen der Gatte allerdings keine Ahnung hatte. Dafür merkte dieser jedoch bald genug, dass er in seinem jungen Weibe überhaupt keine gute Wahl getroffen, da sie für ihn kaum etwas anderes als schlechte Worte hatte.

Auf einmal wurde nun die junge Bäuerin zärtlich gegen ihren Mann, versprach ihm auch alles Liebe und Gute für die Zukunft, nur müsse er ihr für den Todesfall Haus und Hof verschreiben. Darauf ging der Kobbauer sofort freudig ein, das Testament wurde bei der Gemeindevorstehung in Jerzens errichtet und nachher gemeinsam eine Wallfahrt nach Strengen unternommen, bei welcher Gelegenheit dann aber auch die Magd schon eine Partie Fliegengift mit nach Hause brachte.

Mit dem Gift stellte nun die Kobbäuerin zuerst an Hühnern und Katzen etc. praktische Versuche an und als die Tiere nach zweimaliger Fütterung verendeten, mischte sie Tag für Tag ihrem Mann von dem Pulver kleine Partien in alle Speisen, bis er denn auch bald bettlägerig wurde. Nun schafften die beiden verworfenen Weibsbilder den Besitzer des Hauses in eine elende Dachkammer hinauf, welche nur durch eine Leiter zu erreichen war oder verlassen werden konnte, so dass also das schreckliche Unternehmen vollkommen gesichert erschien. Als Pfleger des Kranken fungierte der alte Vater des Bauern, der ebenfalls von dem Gift in den für ihn bestimmten Speisen erhielt, aber doch noch mit dem Leben davonkam.

Als es nun mit dem Bauern zu Ende ging, wurde – der Leute wegen – der Seelsorger über die Leiter hinauf zu dem Sterbenden geführt und da nach dem Tod des armen Mannes seine Frau und Mörderin gleich auf Wegschaffung der Leiche drang, so schöpfte man Verdacht. Es wurde Anzeige erstattet, Bäuerin und Dienstmagd verhaftet und nach Imst in das Gefängnis abgeführt. Die letztere leugnete nun rundweg alles ab, die Bäuerin jedoch hat nach Aussage des Bezirksarztes eingestanden, dass sie ihren Mann durch 36 malige Beibringung von Fliegengift getötet und auch ihren Schwiegervater in gleicher Weise um das Leben zu bringen versucht hatte."

Quelle: Tiroler Sonntags-Bote, Nr. 14., Bozen, 5. April 1885​

Wolfgang (SAGEN.at)
 
hat man da nicht mit einem kleinen Klammersatz gleich eine Charakterisierung der jungen Frau versucht ;). Was kann man schon von einem ledigen Kind - noch dazu von einem Ausländer - erwarten?
Rauhe Sitten, vor allem in abgeschiedenen Gegenden, waren angeblich bis ins drauffolgende Jahrhundert üblich oder bekannt. Da sprach man dann von "Marschier-Pulver" und ein typisches Zeichen war der Haarausfall.
 
"Erwischte Diebin.

Wie wir gemeldet, wurden bekanntlich in letzter Zeit hier mehrfache Diebstähle begangen, bis es nun nach dem "Volksblatt" unserer braven Genadarmerie gelang, die gefährliche Taschendiebin in der Person der in Gries wohnhaften Tageslöhnersgattin Magdalena Obrist zu entdecken. Bei der Visitation fand man in ihrem Besitz 7 Geldtäschchen, ebenso viel wertvolle Rosenkränze, Halsketten und dergleichen mehr."

Quelle: Tiroler Sonntags-Bote, Nr. 13., Bozen, 29. März 1885


Wolfgang (SAGEN.at)
 
"Eine Rabenmutter.

Bei Kufstein wurde eine Kindesleiche aus dem Inn gezogen; die Mörderin ihres Kindes, eine Dienstmagd Namens Maria Kaudelka ist bereits verhaftet."

Quelle: Tiroler Sonntags-Bote, Nr. 9., Bozen, 1. März 1885​

Wolfgang (SAGEN.at)
 
die rabenmutter war wohl eine von vielen dienstmägden die vom gutsherrn geschwängert wurden und dann vom hof vertrieben, damit es nicht aufkommt. andere wurden in tiefe höhlen oder gruben gestossen, hab ich auch schon gehört. eine magd die schwanger war, wurde nicht mehr gebraucht. war auch bei uns so üblich und ist nachzulesen im buch "der eder fritz" von Fahrngruber Reinhard/ hollenstein.

liebe grüße, sonja
 
eine magd die schwanger war, wurde nicht mehr gebraucht. war auch bei uns so üblich liebe grüße, sonja

Wegen dieses schönen Brauchs wurde auch meine Mutter ein Fürsorge-Kind.
Ihre Mutter "durfte" zwar das Kind am Hof bekommen (das war damals schon großzügig), aber dann musste es verschwinden. Als meine Mutter 3 Jahre alt war, starb ihre Mutter mit 24 an TBC. Bis dahin hatte sie immer Kontakt gehalten, sich "gekümmert", so weit ihr das möglich war.
 
Ein wirklich ernsthaftes Thema! -
Trotzdem eine Buchempfehlung betr. ledige Mutter mit unehelichen Kindern:
Una Troy, Wir sind sieben. Ein Klassiker. Darin wird das Leben einer
irischen Familie geschildert, die durch Höhen und Tiefen und der Umwelt
zum Trotz ihr Leben meistert. Hat mir gut gefallen! - Ulrike
 
Ein wirklich ernsthaftes Thema! -
Trotzdem eine Buchempfehlung betr. ledige Mutter mit unehelichen Kindern:
Una Troy, Wir sind sieben. Ein Klassiker. Darin wird das Leben einer
irischen Familie geschildert, die durch Höhen und Tiefen und der Umwelt
zum Trotz ihr Leben meistert. Hat mir gut gefallen! - Ulrike

Ein wunderbares Buch, mindestens 2mal gelesen!
Ob's im wirklichen Leben auch so gelaufen wäre, lässt sich ja leider nicht feststellen...

Das mit den ledigen Kindern von Mägden war so eine Sache: Es hing natürlich vom Bauern ab, bei dem die Magd oder der Kindsvater arbeitete.
Wenn das Dienstleutepaar bei einem Bauern ein eigenes Zimmerl (Raum...)bekam, durften sie heiraten und das Kind konnte bei den Eltern auf dem Bauernhof aufwachsen.
Es gab auch Bauern / Bäuerinnen, die die Magd mit dem Kind behielten, aber oft musste das Kind, sobald es zu irgendeiner Arbeit fähig war, zu anderen Bauern - manche hatten Glück, andere erwischten es ganz schlecht.

Franz Innerhofer beschreibt so (s)ein Leben in dem Buch "Schöne Tage" - war ein ziemlicher Aufreger damals. Ich kannte eine Magd, damals schon eine alte Frau, die in ihrer Jugend beim selben Bauern war, die meinte: "In Wirklichkeit war's noch schlimmer..."

Ledige Mütter mussten auch in der Kirche öffentlich "Abbitte" leisten, für ihren Sündenfall. Wenn der Pfarrer ein gütiger Mensch war, durfte die junge Mutter das bei einer Werktagsmesse tun.
Meine Großmutter hatte ledig Zwillinge (No a größare Sünd!), sie musste beim sonntäglichen Hochamt ihre "große Schuld" bekennen ...

Gott sei Dank haben sich die Zeiten wenigstens bei uns geändert und wir leben in einem sozialen Umfeld, wo eine Frau /ein Mädchen ohne Diskriminierung Mutter sein kann!

Übrigens: Seit 3 Wochen bin ich Urgroßmutter - durch eine ledige Enkelin ;)
 
gratuliere ebenfalls!
bei mir wars (vor 18 jahren) so, dass ich mit einem guten bekannten mal zum wirt gehen wollte, einen apfelsaft trinken und erzählen, wie es mir so ergangen ist bei der geburt und danach ich hab ja auch ein kind gekriegt wo der vater nie da war.
ich hab also meiner mama die kleine vorbeigebracht und bin mit meinem bekannten zum wirt gegangen.
als ich heimkam schimpft meine mutter mit mir, dass ich "als ledige mit einem wildfremden mann beim wirt nix verloren hätte"
ich war damals ziemlich bestüzt, weil von "wildfremd" konnte nicht die rede sein, ledig war ich so oder so und dass man als frau nicht zum wirt geht, das kommt auch aus dem letzten jahrhundert. ;-)

als ich zu meiner tochter schwanger war (also vor diesem erlebnis das ich oben beschrieben habe) da ging ich einmal hochschwanger mit meinem bruder durchs dorf spazieren.
als wir wieder nach hause kamen erzählte mir meine mutter, die nachbarin hätte eine frau getroffen (die dafür bekannt war, dass sie viel quatscht.) und die hätte gesagt: "jetzt hot`s eh grod da votta vom kind huckn lossn und dann ziagts scho wieda mit am neichn habara umadum!"

also auch 1994 war in einem dorf wie unserem das öffentlich dazu stehen dass man ledig ist noch keine einfache sache.

eine freundin von mir wurde nach ihrer scheidung von ihrem mann schwanger von ihrem neuen freund.
als sie mit dickem bauch einmal durchs dorf ging, sagte eine alte frau zu ihr: "na, wie gehts mit deim bastardl im bauch?"
(das ist jetzt vier jahre her)

also viel hat sich hier am land hinsichtlich ledigen müttern nicht geändert. das negative denken ist noch verankert.
 
Was mich an solchen Geschichten immer besonders bestürzt ist, dass gerade Frauen so boshaft und lieblos mit anderen Frauen umgehen. Dabei sollte jeder die Frauen bewundern, die sich dazu entschließen, ein Kind zu bekommen.
 
liebe klarad, ich meine zu wissen, warum das so ist.
ich erzähle dir dazu eine kurze geschichte:

ich bin nach meiner scheidung mit zwei kindern von zwei männern in meine heimat zurück gezogen. und ich hab mich geschämt dafür, dass ich kein glück mit den männern hatte.
jeder wusste, dass ich immer nur kurz mit einem mann zusammen war und dann wieder abgehauen bin, entweder weil ich das mit dem alkohol nicht ertragen konnte oder weil er fremdging und ich das nicht aushalten konnte oder sonstwas war...

als einmal so ein "siedlungsfest" war, wollte ich nicht hingehen, weil ich das gerede nicht mochte. eine nachbarin kam zu mir und fragte mich, wieso ich nicht mitfeiern will. ich sagte ihr, dass es mir peinlich wäre da hin zu gehen, weil bestimmt alle reden würden über mich.
da sagte sie: "also ich bewundere dich für deinen mut, dass du immer gehen konntest, als es schmerzhaft wurde. andere bleiben ein leben lang bei einem mann den sie gar nicht lieben, nur aus angst um ihre sicherheit oder weil sie sich nicht trauen, zu gehen."

erst da habe ich verstanden, dass der neid eine große rolle spielt bei den frauen.
frauen die selbst in unglücklichen beziehungen leben, und eine frau sehen, die offenbar alleine leben kann, beneiden sie darum. insgeheim wollen sie vielleicht auch frei sein oder ein eigenes leben führen. oder sie haben probleme mit ihren männern und unbewusst würden sie sich ein friedliches leben alleine mit den kindern wünschen.
das ist oft so.

ich habe mir nach einigen schlimmen erlebnissen geschworen, nie wieder in einer unglücklichen beziehung zu bleiben. entweder es ist liebe oder ich lebe lieber alleine und hab meinen frieden. auf gar keinen fall möchte ich abhängig sein, mit einem betrunkenen rumkämpfen müssen, mich oder meine kinder in gefahr bringen, usw... dazu ist mir das leben zu schade.

es gibt übrigens sogar menschen, bei denen ich im ansehen stark gesunken bin seit meiner scheidung. die waren früher total freundlich zu mir und nach der scheidung sprachen sie kein woprt mehr mit mir. es ist eine schande für eine frau, ihren mann zu verlassen.
*lach*

alles liebe, sonja
 
Ich denke auch, dass es so was wie Neid ist oder Verbitterung, nicht nur aus den von Sonja genannten Gründen. Man muss sich vorstellen, wie die Jugend und das "Frausein" in dieser Zeit bei den heute alten Frauen war. Einige stecken vielleicht immer noch in der Moralinsäure (damit meine ich nicht wichtige ethische Grundsätze sondern idiotische Ge- und Verbote) fest, aber andere fühlen sich einfach um Teile ihres Lebens betrogen. Es gibt doch in der Meinung der vorigen Generation zwei Richtungen: die einen sagen, uns ist es auch nicht besser gegangen, warum denen..., die anderen finden es gut, dass es den Kindern besser geht.
Eine Kollegin getraute sich z. B. nie, ihrer Mutter zu sagen, dass sie die Pille nimmt, weil diese immer dagegen wetterte aus dem einfachen Grund: "wofür haben denn wir uns so gequält und geängstigt und nie ohne Panik oder ähnliche Begleiterscheinungen leben können, nicht mal in der Ehe, wenn man keine Kinder mehr wollte." Die Kollegin hatte 3 Geschwister, die Eltern einen Gast- und Bauernhof.
Eine andere Erzählung von meiner Freundin Grete, mit der man trotz ihren über 90 über alles reden konnte: ein Gemeindemitglied (es handelt sich um eine christliche Gemeinde, denen sie über 30 Jahre angehörte), mit der sie auch befreundet war, sagte nach dem Konzil "die Kirche hat meine Ehe und mein Leben zerstört"
Auch sowas hat es noch vor einige Jahrzehnten gegeben.
 
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