Folge dem Video um zu sehen, wie unsere Website als Web-App auf dem Startbildschirm installiert werden kann.
Anmerkung: Diese Funktion ist in einigen Browsern möglicherweise nicht verfügbar.
Was Frauen wirklich wollen
Von Katrin Saft
...
Männer haben’s nicht leicht: Bringen sie Frauen am heutigen Frauentag Blumen mit, laufen sie Gefahr, statt Dank Empörung zu ernten: Alles bloß Alibi. Ein Zuckerbrot für 364Tage Männerherrschaft im Jahr. „Schaffen wir ihn endlich ab, diesen gönnerhaften 8.März“, fordert Deutschlands Oberfeministin Alice Schwarzer schon seit Langem. Denn wenn wir einen Frauentag feiern müssen, beweist das doch, dass es die vielbeschworene Gleichberechtigung gar nicht gibt. Nur wehe dem, Mann verzieht heut’ keine Miene. Was für ein Macho. Was für ein Ignorant, der Frauen nicht mal an diesem besonderen Tag Anerkennung zollt.
100 Jahre, nachdem die Sozialistin Clara Zetkin den Frauentag erfand, sind Männer oft so rat- wie hilflos: Frauen dürfen heute nicht nur wählen, sondern das Land regieren. Frauen können eine Schwangerschaft unterbrechen, wenn ein Kind gerade nicht in ihre Lebenspläne passt. Frauen müssen nicht mehr an den Herd, sondern erlauben sich, Fertigkost auf den Tisch zu bringen. Frauen können im Bett einen Orgasmus einfordern. Und trotzdem sind sie ständig irgendwie unzufrieden. Schreib doch mal, was Frauen wirklich wollen, sagt ein Kollege mit ernster Miene.
Dabei ist die Frau in Sachsen schon lange kein unbekanntes Wesen mehr. Das Statistische Landesamt in Kamenz erfasst akribisch, wie sie gedeiht und sich entwickelt. Im Schnitt gebärt die Sächsin mit 27,6 Jahren ihr erstes Kind. Mit 83Jahren stirbt sie. 78 Prozent der 25- bis 45-Jährigen arbeiten – gewerkschaftsfreundliche 30,1 Stunden die Woche, leider überwiegend in Billigjobs. Gerade mal 12,9 Prozent sind Hausfrauen. Immerhin 43,8 Prozent können sich abends mit ihrem Ehemann zoffen. Die restlichen Damen haben schlichtweg keinen.
Im Übrigen ist die sächsische Durchschnittsfrau blond (gefärbt) und hat einen größeren Bodymaßindex, als ihr lieb ist. Das alles lässt erahnen, dass es mit der Frau wie mit der Kuh ist, die ertrank, obwohl der Teich im Schnitt nur 20Zentimeter tief war: Denn DIE Frau gibt es genauso wenig wie DEN Mann – und deshalb auch keine einfache Antwort, was Frauen wirklich wollen.
Die Frauen- und damit die Emanzipations-Debatte in Deutschland krankt daran, dass sie zu wenig differenziert und zu viel polarisiert. Frauen wollen endlich raus aus der Schublade: Wem nützen Ratgeber, die erklären, warum Frauen nicht einparken können – und offen lassen, warum sich elektronische Parkhilfen genauso gut an Männern verkaufen? Wie ernst zu nehmen sind Männer, die den IQ einer Frau an der Haarfarbe festmachen? Auch wenn es die Zeitschrift „Brigitte“ als mutigen Schritt feiert, auf Magermodels zu verzichten, werden Frauen heute noch immer auf Äußerlichkeiten reduziert. Wer weiß schon noch, was Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz beim Obama-Besuch von sich gegeben hat? Aber viele erinnern sich genau an die Farbe des Kostüms, das sie in der Frauenkirche trug. Deshalb empfehlen Imageberater Frauen, die an die Spitze wollen, allen Ernstes eine Art Vermännlichung: tiefere Stimme, weniger Fleisch. Ergebnis ist ein optisches Neutrum à la Kanzlerin Merkel. Das kann ja wohl nicht die weibliche Zukunft sein!
Frauen wollen Gleichberechtigung, wie sie schon die Uno bei ihrer Gründung 1946 propagierte. Gewiss, viel wurde seitdem erreicht. Doch so modern sich unsere Gesellschaft mit all ihren GleichstellungsbeauftragtInnen auch gibt: Noch immer stellt sich die klassische Streitfrage um das richtige Rollenbild. Karriere- oder Hausfrau? Elterngeld, Vätermonate und ein besseres Kita-Angebot sind der lobenswerte Versuch, den goldenen Mittelweg zu finden. Bei der Debatte darüber fällt allerdings auf, dass ausgerechnet Karrierefrauen öffentlich die Rolle rückwärts proben: Moderatorin Eva Herman, die Mütter zurück an den Kochtopf rief. Die ehemalige taz-Chefredakteurin Bascha Mika, die Frauen in ihrem neuen Buch vorwirft, dass sie gar nicht nach oben, sondern feige beim Mann als Ernährer unterkriechen wollen.
Dahinter mag die Erkenntnis stecken, dass Frauen erst wirklich gleichberechtigt sein werden, wenn endlich auch Männer Kinder bekommen können. Ausgerechnet in einer Lebensphase, die für den Aufstieg am Wichtigsten ist, fallen Frauen mehr oder weniger lange zum Kinderkriegen aus. Der sehnliche Wunsch, Karriere und Nachwuchs zu vereinen, scheitert nur allzu oft an der Arbeitswirklichkeit. In einer globalisierten Welt sind zeitliche und örtliche Flexibilität Bedingung fürs Vorankommen. Selbst wenn sich Väter noch so sehr kümmern; selbst wenn es ausreichend Kitas mit Vollzeitbespaßung gäbe: Die Wahrheit ist, dass Mütter mit kleinen Kindern keine Rundum-Flexibilität bieten können – und oft auch gar nicht wollen. Welche Mutter würde nicht zuerst für ihr Kind da sein, wenn es krank zu Hause liegt? Welche Mutter würde ihrem Kind zumuten, ständig ihrem Job hinterherzuziehen?
Das heißt keinesfalls, dass Frauen den Männern die Karrierewelt überlassen möchten. Sie wollen sich nur nicht länger kaputtspielen lassen durch den Anspruch, im Job die besseren Männer und zu Hause die besseren Frauen und Mütter zu sein. Also her mit der Frauenquote?
Auch darauf gibt es keine einfache Antwort. Eine Quote würde unterstellen, dass es Frauen nur durch Protektion an die Spitze schaffen. Genau das möchten sie nicht. Die Quote könnte ihnen aber helfen, den vorübergehenden biologischen Wettbewerbsnachteil auszugleichen.
In diese Debatte, sagt ein Bekannter, mische er sich lieber nicht ein. Da würden Männer nur niedergemacht. Und da ist sie wieder, die große Unsicherheit, was Frauen wirklich wollen. Unterm Strich doch das Gleiche wie Männer: ein sinnerfülltes Leben, Gesundheit, Liebe und Glück. Warum reden beide nicht mehr gemeinsam darüber? Nicht nur heute, am Frauentag!
Revolutionärin im Vorgarten
Von Ralf Hübner
Der Weltfrauentag geht auf die Sächsin Clara Zetkin zurück. In ihrem Heimatort Wiederau hat die DDR-Staatsikone heute keinen einfachen Stand.
Vor der früheren Dorfschule und Wohnstätte von Clara Josephine Zetkin in Wiederau erinnert ein Denkmal an die Frauenrechtlerin.
Clara Zetkin steht im Vorgarten. Eine übergroße Bronzestatue erinnert in Königshain-Wiederau vor dem Wohnhaus ihrer Kindheit an die Revolutionärin, die vor 100 Jahren den Weltfrauentag quasi aus der Taufe gehoben hatte. Die Zweite Internationale Sozialistische Frauenkonferenz in Kopenhagen stimmte am 27. August 1910 ihrem Vorschlag zu, einen solchen Tag zu begehen. In der DDR war Zetkin (1857 bis 1933) eine staatliche Ikone des Sozialismus, ihr Konterfei zierte jeden Zehnmarkschein. Im mittelsächsischen Wiederau, dem Geburtsort der Sozialistin, zeigen ihr die Menschen heute allerdings eher die kalte Schulter.
„Wir wissen noch, dass Clara Zetkin hier geboren wurde“, sagt die Verkäuferin des kleinen Lebensmittelladens lächelnd. „Und wo sie jetzt steht, da steht sie doch gut.“ Wiederau ist ein kleiner Ort mit knapp 3000 Einwohnern im Niemandsland zwischen Chemnitz und Leipzig mit schlichten, schiefergedeckten Häusern, umrahmt von Feldern. Die ehemalige Trikotagenfabrik, ein Bau aus roten und gelben Klinkersteinen, ist jetzt ein Seniorenheim. Die Straßen sind menschenleer, die Kaufhalle steht zum Verkauf.
Der Name ist verschwunden
Im Ort zeugt fast nichts mehr von der berühmten Tochter der Gemeinde: kein Clara-Zetkin-Platz, keine Clara-Zetkin-Straße. Die einstige Clara-Zetkin-Mittelschule gibt es nicht mehr, auch nicht die Clara-Zetkin-Gärtnereigenossenschaft. Selbst das frühere Wohnhaus, die einstige Clara-Zetkin-Gedenkstätte, heißt jetzt „Museum in der alten Dorfschule“. Eine große rote Tafel an der Stirnseite des weißen Hauses verkündet, dass die Frau hier im Jahr 1857 geboren sein soll. Doch auch das stimmt wohl so nicht ganz. „Als Clara zur Welt kam, wurde das Haus gerade renoviert. Die Lehrerfamilie war für einige Tage ausquartiert“, sagt Ursula Bergmann vom Heimatverein. „Das eigentliche Geburtshaus ist längst abgerissen“, weiß die 69-Jährige.
In dem Schulhaus lebte Clara, bis sie 15 war und die Familie nach Leipzig zog. Bilder und Schrifttafeln vermitteln einen Eindruck vom Leben in jener Zeit, den großen sozialen Umbrüchen und Kämpfen in der Mitte des 19. Jahrhunderts, der Welt der Eißners, Claras Familie. Es hängt eine schwarz-rot-goldene Fahne des Wiederauer Turnvereins von 1864 an der Wand. In der Ecke steht ein Bücherschrank, wie er einst bei den Eißners gestanden haben könnte. Daneben Zetkin-Büsten, Bilder, Bücher, Plaketten, Schülerarbeiten und stapelweise Gästebücher.
Zu DDR-Zeiten herrschte am 8.März in der Gedenkstätte Hochbetrieb. „Jedes Jahr zum Frauentag ging es erst in die Gedenkstätte, dann gab es was zu essen“, erzählt Ursula Bergmann. „Die Gedenkstätte war ein sozialistischer Wallfahrtsort.“ Arbeitskollektive, Schulklassen und Delegationen aus aller Welt – alle erwiesen der Revolutionärin die Ehre. Die Gästebücher legen ein beredtes Zeugnis davon ab.
„Die Einwohner haben den Rummel nicht gern gesehen“, meint Bergmann. 1989 bekam auch die Zetkin-Statue den Volkszorn zu spüren. Bis dahin hatte sie an der Straßenkreuzung des Ortes gestanden, nun lag sie plötzlich auf der Nase – nachts einfach umgekippt. Die Revolution hatte die Revolutionärin ereilt.
Linke bei Kaffee und Kuchen
Besucher des Museums sind selten geworden. Etwa 200 Menschen kommen jährlich, sagt Ursula Bergmann. Am 8. März aber ist das Haus voll. Dann rücken Abgeordnete der Linken mit Gästen an und feiern ihre Genossin Clara. Und die Leute vom Heimatverein verkaufen dazu Kaffee und Kuchen. „Damit etwas Geld in die Kasse kommt.“
Wiederauer verirren sich kaum in diese Räume. „Aber sie haben inzwischen ihren Frieden mit Clara gemacht“, glaubt Ursula Bergmann. (dpa)