• Willkommen im SAGEN.at-Forum und SAGEN.at-Fotogalerie.
    Forum zu Themen der Volkskunde, Kulturgeschichte, Regionalgeschichte, Technikgeschichte und vielem mehr - Fotogalerie für Dokumentar-Fotografie bis Fotogeschichte.
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst Du eigene Beiträge verfassen und eigene Fotos veröffentlichen.

100 Jahre Volkskundemuseum Dresden

Dresdner

Active member
Das im Jägerhof, unweit des Denkmals August des Starken gelegene Volkskunstmuseum feiert in diesen Tagen sein 100jähriges Bestehen und ist damit eines der ältesten Volkskundemuseen weltweit.

Aus diesem Anlass veröffentlichte die Sächsische Zeitung am gestrigen Tag die folgende Würdigung von Birgit Grimm.

Kunst ist Sprache, Volkskunst ist Dialekt
Alles Oskar Seyffert oder was? Das Dresdner Volkskunstmuseum wird 100 Jahre jung.


Die gelbe Stube war wirklich gelb. Und sie war einst der wichtigste Raum im Dresdner Jägerhof, in dem Oskar Seyffert seine Sammlung für sächsische Volkskunst untergebracht hatte. Die Stube mit den gelben Wänden war Seyfferts Stube. Eingerichtet mit seinen Möbeln, an der Wand die Porträts der Großeltern, immer frische Blumen auf dem Tisch. Sein Sohn war im Ersten Weltkrieg gefallen. Ihm wurde dieses Zimmer gewidmet. „Die gelbe Stube war der Nukleus dieses Hauses“, sagt Igor A. Jenzen. Klar, dass der Museumsdirektor die Möbel aus dem Fundus holte und einen frischen Blumenstrauß bestellte für die Jubiläumsschau, die ab diesem Wochenende die Gründung des Museums am 6. September 1913 feiert.

Alles in diesem Haus hat irgendwie mit Oskar Seyffert zu tun, und das riecht verdächtig nach Personenkult. Tatsächlich wird der Begriff Volkskunst oft in Sachsen festgemacht und vor allem mit dem Erzgebirge verbunden. Und tatsächlich hätte die Volkskunst ohne Oskar Seyffert niemals so viel Aufmerksamkeit und schon gar kein eigenes Museum bekommen.

Dieser Mann vom Jahrgang 1862 war Maler und unterrichtete dekoratives Zeichnen an der Dresdner Kunstgewerbeschule. Er kannte Hinz und Kunz und war ein Hans Dampf in allen Gassen. Seinen Studenten brachte er nicht nur den perfekten Strich bei, sondern vermittelte ihnen, dass zur Kunst nicht nur Handwerk, sondern auch Herzblut gehört. Die „ursprüngliche Kunst des ursprünglichen Volkes“ war in Seyfferts Augen das Ideal. Die Vorbildersammlung für seine Studenten fand er in der ehrlichen Arbeit der Töpfer, Tischler, Weber, Klöpplerinnen… Kurz: im Leben auf dem Dorf. Von Volkskundlern, die dieses Leben vom Schreibtisch aus erforschten, hielt er nicht viel. Er sammelte, was seiner Meinung nach dieses Leben ausmachte, und inszenierte emotionale Ausstellungen.

Zum Beispiel 1896. Auf der großen Industrieausstellung in Berlin ließ er „Die alte Stadt“ und „Das Wendische Dorf“ aufbauen. Letzteres wurde der Grundstock für das Sorbische Museum in Bautzen.

1911 hatte Seyffert für seine Sammlung den Kurfürstlichen Jägerhof in Dresden bekommen, ließ das Gebäude aus dem 16. Jahrhundert renovieren und eröffnete zwei Jahre später das Volkskunstmuseum – mit zehn Stuben darin. Jede davon erzählte eine andere Geschichte über die fleißigen Leute und das karge Leben auf dem platten Land oder im rauen Erzgebirge. Auch da war Seyffert pragmatisch: Die höfischen Gewölbe im Erdgeschoss boten den perfekten Rahmen für die Arme-Leute-Stuben. Über die Großschönauer Damastweberstube, die jetzt im Erdgeschoss zu sehen ist, hieß es damals: „Die Hausfrau sitzt an der Weife. Von ihrem Stuhl zur Wiege läuft eine Kordel. Da kann die Fleißige, während sie arbeitet, ihr Kind einschläfern.“ Eine Weife ist ein Hilfsmittel zum Auf- und Abwickeln von Garnen. Wer wüsste das heute noch?!

Seyffert, der Netzwerker und Marketingstratege, sorgte dafür, dass seine Studenten Jobs und also eine Zukunft bekamen, indem er die schwächelnde erzgebirgische Spielzeugindustrie zur Volkskunst aufwertete und durch die Ausbildung professioneller Holzgestalter die Wirtschaft im Erzgebirge belebte. Zu seiner Zeit gründeten sich außerdem 60 Schnitz-Vereine.

Das Volkskunstmuseum überstand die Nazizeit und den Sozialismus. Die Idee von der „ursprünglichen Kunst des ursprünglichen Volkes“ gefiel den Nationalsozialisten. Aber mit ihnen hatte der alte Hofrat Seyffert nicht viel am Hut. Jedenfalls war er kein Mitglied der NSDAP und offensichtlich gewitzt genug, sich und sein Lebenswerk unbeschadet durch die braune Zeit zu lavieren. 1940 starb er.

Der Jägerhof wurde am 13. Februar 1945 zerstört, aber als erstes Dresdner Museum wieder aufgebaut. In der DDR schrieb man das volkskünstlerische Laienschaffen groß und praktizierte es auch im Jägerhof oft und gern. „In manchen Zirkeln hat man Phrasen gedroschen, in anderen hat man nur so getan als ob und sich stattdessen wirklich mit Kunst beschäftigt und Volkskunst gemacht“, sagt Jenzen. Der Bildhauer Reinhold Langner, der Volkskundler Manfred Bachmann und der Kunsthistoriker Johannes Just leiteten nacheinander das Museum in den Jahren der DDR. Bachmann holte die Volkskunst in die Staatlichen Kunstsammlungen, und Just baute die Sammlung aus. Er wollte auch den Jägerhof vergrößern, um der wunderbaren Puppentheatersammlung ein Domizil zu geben. Die Anbaupläne sind längst vom Tisch, doch ein Haus für die Puppen wird weiter gesucht. Das Museum wurde 2010 saniert und neu eingerichtet. Wie es zu Oskar Seyfferts Zeiten aussah, zeigen zum Jubiläum historische Fotografien.

Für Oskar Seyffert war die Kunst Sprache, die Volkskunst Dialekt. Igor Jenzen meint: „Jede Generation hat den Begriff Volkskunst für sich neu erobert und interpretiert. Was wären wir ohne unsere Volkskünstler!?“ Sie und andere Freunde des Museums gratulieren, indem sie die Zahl 100 gestalten. Fast sind schon hundert Hunderten beisammen. Sie stehen als Fries auf den Vitrinen und krönen die Jubiläumsschau.

100 Jahre Volkskunst im Jägerhof. 15. Juni bis 3. November, Museum für Sächsische Volkskunst im Jägerhof, Dresden, Köpckestr. 1. Geöffnet Di bis So 10 bis 18 Uhr.

Zitatquelle: sz-online


]Der Jägerhof. Museum für Sächsische Volkskunst und Puppentheatersammlung

Videoquelle: youtube
 
Ja, natürlich. Deshalb auch die Formulierung "eines der".

Ab welchem Jahr haben die Innsbrucker Sammlungen im Franziskanerkloster ihre feste Ausstellungsheimat? Leider konnte ich das im Internet nicht recherchieren.

Gesammelt wurde ja sowohl in Innsbruck als auch in Dresden schon vorher, es gab auch temporäre Ausstellungen etc. .

Wichtiger als der Datumsstreit scheint mir dennoch zu sein, dass die Exponate der Nachwelt erhalten wurden und man nach immer neuen Wegen sucht, diese vor allem der jungen Generation zu vermitteln.
 
Ab welchem Jahr haben die Innsbrucker Sammlungen im Franziskanerkloster ihre feste Ausstellungsheimat?

Zum Innsbrucker Franziskanerkloster schreibt der DEHIO-Tirol - Die Kunstdenkmäler Österreichs, herausgegeben vom Bundesdenkmalamt, Ausgabe 1980, S. 63:

"Universitätsstraße Nr. 2: Neues Stift, seit 1924 Volkskunstmuseum. An Stelle älterer Häuser und unter teilweiser Mitverwendung ihrer Grundmauern als Franziskanerkloster zur Pflege der Hofkirche 1553-1561 erbaut nach den Plänen von Andrea Crivelli, Bauleiter Niclas Türing d. J., ab 1557 Hofbaumeister Paul Uschal. 1688 aufgestockt, 1719 von Georg Anton Gumpp barockisiert. 1775-1784 Theresianische Ritterakademie, 1785-1790 Theologisches Seminar. 1868-1910 Gymnasium.
- 4flügeliger 3geschossiger Baumit monumentaler Fassade im Sinne des römischen Hochbarock. Kreuzgang entworfen von Niclas Türing d. J., ausgeführt von Georg van der Werde, mit Pfeilerarkaden und Netzgratgewölbe; Kreuzhoffassaden mit 2geschossiger Pilastergliederung. In der Mitte Säulenbrunnen. Die Keller kreuzgewölbt, die Erdgeschoßräume zum Teil kreuz-, zum Teil tonnengewölbt. Im S- und O-Trakt große Hallen; in der SO-Ecke Raum mit reichem Deckenstuck, Ende 17. Jahrhundert (wohl ehemalige Hauskapelle)."

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Danke für die Information, dann steht ja in Innsbruck im Jahr 2024 auch ein 100-jähriges Jubiläum an.

Zum Dresdner Museum ist zu ergänzen, dass es 1945 als erstes, von den Bombenangriffen zerstörtes Dresdner Museum wieder eröffnet wurde.

Zweifellos hat jedoch Volkskunst und auch ganz allgemein gesprochen "gelebte Volkskunde mit Tanz, Trachten, Volksmusik, Dialekt etc." in Österreich, Südtirol und Bayern einen wesentlich höheren Stellenwert als in den hiesigen Gefilden.
Hier führt sie weitgehend ein Nischendasein; man findet sie bei den Sorben sowie in einigen Regionen des Vogtlandes sowie des Erzgebirges. Aber selbst bei den Sorben werden viele dieser gelebten Traditionen nur durch massive staatliche Subventionen künstlich am Leben gehalten; direkt aus der - speziell jüngeren - Bevölkerung kommt da immer weniger.
Sicher hat dies seine Ursachen in der gesamten gesellschaftlichen Entwicklung; bei Interesse sollte man dazu jedoch ein separates Thema eröffnen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben