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Köpfstattsäule in Astätt
SAGEN.at

Köpfstattsäule in Astätt

Die Köpfstattsäule in Astätt, Gemeinde Lochen am See, Innviertel, Oberösterreich.

An dieser Stelle fand 1762 die letzte Hinrichtung statt. Ein Mädchen wurde wegen eines gestohlenen Taschentuches enthauptet.

Aufnahme: um 1970

© Bildarchiv SAGEN.at
Da bleibt einem ja die Luft weg...
Da kann man nur hoffen, dass sich die Pest oder ähnlich Schönes des Richters und der gesamten Gesetzgebung angenommen hat.
 
Zur Sachlage:
- alle Fotos und Belege im Internet bringen dieselbe Episode bezüglich des Taschentuches ohne weitere Details.
- es gab an diesem Ort die Enthauptung der Catharina Hierschlager im Jahr 1700. Laut Herbert Handlechner in der Zeitschrift "Der Bundschuh", Ried 2010, S. 87 - 97, wurde Catharina Hierschlager wegen Kindsmordes enthauptet.
- Laut Herbert Handlechner wurde die mehrfache Mutter Magdalena Zagler im Schloss Mattsee einem strengen Verhör unterzogen. Zehn Jahre lang war die Ehefrau eines Tagwerkers aus Obertrum als "Schlachtner Bäuerin aus Seekirchen" unterwegs und erbettelte Geld, um ihre Schulden zu bezahlen. Als sie von einer Wallfahrt von Maria Zell heimkehrte, wurde sie im August 1750 gefangen genommen und schließlich gemäß den im Jahre 1527 zwischen Salzburg und Bayern geschlossenen Verträgen von der Herrschaft Mattsee an das bayerische Pfleggericht Braunau zur Aburteilung [in Astätt] ausgeliefert. Magdalena Zaglerin wurde am 14. Jänner 1751 geköpft.
- Am 8. Februar 1762, fand in Astätt die letzte Hinrichtung durch das Schwert statt. An die Enthauptung der minderjährigen und elternlosen Magdalena Bischelsroider aus Seeham erinnert noch heute ein Blechtäfelchen in der Köpfstattsäule in Astätt - der einzigen erhaltenen Steinsäule dieser Art in Österreich.
Bei Interesse kann ich dazu im Forum mehr Hintergrundinformationen bringen.
Wolfgang (SAGEN.at)
 
Erschreckend. Auf den ersten Blick dachte ich, es ist eine Darstellung eines Martyriums aus der Zeit des frühen Christentums.
 
@ Wolfgang: "Alle Fotos und Belege im Internet bringen dieselbe Episode bezüglich des Taschentuches ohne weitere Details." Das stimmt nicht ganz. Hier z. B. wird die Sache mit dem Taschentuch als "Sage" bezeichnet.
 
@TeresaMaria: das hat sicher alles gleich ausgesehen, nachdem das ganz "normale" Hinrichtungen waren, ehe die Opfer zu Heiligen erklärt wurden.
Daran dachte ich, dass das Taschentuch vielleicht eine Metapher dafür war, was man heute "für nix" nennen würde. Die meisten Diebstähle geschahen ja auch nicht zur Bereicherung, sondern aus bitterster Not und Armut.
Und für Armut und Rechtsprechung waren die selben Menschen zuständig!
 
@ Babel: "Sage" heißt Erzählung und enthält keine Wertung zum Wahrheitsgehalt!
Ich werde in den nächsten Tagen die vollständige Geschichte nach Aktenlage im Forum bringen!
Wolfgang (SAGEN.at)
 
Hier der aktuelle Forschungsstand zu dieser Tafel:
Die letzte Enthauptung in Astätt im Jahr 1762
Ein bis heute erhaltenes Blechtäfelchen mit der Enthauptung des Heiligen Johannes steht in Zusammenhang mit dem unten angeführten Fall. Auf dem Bild findet sich der Hinweis zur wahr-scheinlich letzten Dekapitierung am 8. Februar 1762. Gerichtsakten über den eigentlichen Fall konnten nicht mehr aufgefunden werden. In den Salzburger Hofratsprotokollen aus dem Jahr 1761 finden sich zwei kurze Einträge zu der des Einbruchs und Diebstahls bezichtigten Magdalena Bischelsroider. Sie war eine elternlose, minderjährige Inwohnerstochter von Seeham. Der Mattseer Pfleger wies darauf hin, dass, ungeachtet einer vorgeblichen Entwendung beim Müller im Graben, alle ihr zur Last gelegten Diebstähle den Wert eines Guldens überstiegen und daher die Delinquentin vertragsgemäß an Braunau auszuliefern sei. In Salzburg wurde der Fall begutachtet und die Auslieferung an das bayerische Pfleggericht Braunau angeordnet. Die Übergabe geschah wahrscheinlich noch Ende des Jahres 1761. Am 5. Februar wurde unbefugt Holz aus dem salzburgischen Wald „Schweiber" geschlagen. Damit fertigten die Braunauer Zimmerleute eine Köpfschranne. Ein Zeuge wurde später befragt, ob die Bayerischen immer Holz bei derartigen Exekutionen aus dem Forst Schweiber genommen hätten, um eine Schranne zu errichten. Dieser verneinte. Er habe bei der Hinrichtung der Zaglerin vor etwa 12 Jahren selbst zugeschaut. Dabei habe er gesehen, wie die bayerischen Wächter mit ihren Hellebarden einen Kreis herum gemacht hätten. Den Seelentrost spendete der Astätter Pfarrer Johann Caspar Prambhofer. Unter den neugierigen Blicken der gaffenden Menge wurde Magdalena Bischelsroider am Vormittag des 8. Februar 1762 enthauptet.
Quelle: Herbert Handlechner, Die Rechtsdenkmäler der Innviertler Gemeinde Lochen, in: Streitt, Ute, Kocher, Gernot, Schiller, Elisabeth, Schande, Folter, Hinrichtung, Forschungen zu Rechtsprechung und Strafvollzug in Oberösterreich, Herausgegeben von den Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2011, S. 301.
Wolfgang (SAGEN.at)
 

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Rechtsdenkmäler
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