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Hier ein sehr alter, aber interessanter volkskundlicher Fachtext zur Kulturgeschichte des Bades.
Quelle: Hovorka, Kronfeld, Vergleichende Volksmedizin, Eine Darstellung volksmedizinischer Sitten und Gebräuche, Anschauungen und Heilfaktoren, des Aberglaubens und der Zaubermedizin. Stuttgart 1908.

Bad ist ein uralter hygienischer Faktor und aller als der Mensch auf Erden, da auch die Tiere den Wert des Badens gar wohl kennen. Das mosaische Gesetz macht das Baden zur Pflicht. Flussbäder waren beliebt (2 Mos. 2, 5) und vorgeschrieben (3 Mos. 15, 13). Auch Hausbäder, besonders für Frauen, werden genannt (2 Sam. 11, 2; Susan. 15).

Palästina war schon in alten Zeiten wegen seiner Heilbäder berühmt.
In Ev. Joh. 5, 2 - 4 heißt es: „Es ist zu Jerusalem bei dem Schaftore ein Teich, der heißt Bethseda und hat 5 Hallen, in welchen viele Kranke, Lahme, Blinde, Dürre lagen, die warteten, wenn sich das Wasser bewegte; denn ein Engel fuhr herab zu seiner Zeit in den Teich und bewegte das Wasser. Welcher nun der erste, nachdem das Wasser bewegt worden, hineinstieg, der ward gesund, mit welcherlei Seuche er behaftet war.“ Der Teich Bethseda, Bethsaida oder Piscina Probatica, unweit des Schaftores bei Jerusalem, wurde wegen seiner wundervollen Heilkraft auch Gnadenplatz genannt und diente den Israeliten ursprünglich zum Waschen der Schafe, die zum Schlachtopfer bestimmt waren, ehe man sie zum Tempel trieb. Dieser Teich ist noch jetzt in seiner alten Gestalt vorhanden, wenn auch ausgetrocknet und ganz verschüttet. Vormals wurde das Wasser aus Salomos noch jetzt vorhandenen Quellen und Zisternen, jenseits Bethlehems und fast 3 Stunden von der Stadt entfernt, hineingeleitet. Er ist ungefähr 100 Schritt lang, 60 breit und 40 hoch und hat die Form eines Rechteckes. Die Wände sind zum Teil gemauert, zum Teil in Felsen gehauen. Unten am Boden wachsen jetzt mehrere Granatapfelbäume und indische Feigenbüsche. Der Teich bestand aus 2 Sümpfen, die vom Regen mit Wasser angefüllt wurden; der eine enthielt wunderbar rotes Wasser; er äußerte seine Heilkraft nur einmal im Jahre, zur Zeit der Regengüsse oder nach denselben, um die Zeit des Pfingstfestes der Israeliten, welches im Monat Mai oder Juni gefeiert wurde. Man leitet die heilbringende Kraft des Teiches Bethseda von dem bei dem Opfern von Tieren in denselben hineingeflossenen Tierblut ab. Man kann die Heilkraft dieses Wassers gegen die verschiedenen chronischen Krankheiten, vom rein physischen Gesichtspunkte betrachtet, wohl den mineralischen Bestandteilen desselben zuschreiben, denn der Grund dieser beiden Teiche enthielt einen Schlamm, welcher mit mineralischen Salzen, Schwefel, Alaun und Salpeter geschwängert sein mochte, deren Wirksamkeit erhöht wurde, wenn diese Bestandteile etwa durch unterirdische oder atmosphärische Wärme, oder durch anhaltende Schlagregen in Bewegung und Gärung gerieten; dadurch würde auch der Umstand erklärlich, dass das Wasser nur dann seine Heilkraft äußerte, wenn es sich bewegte, denn alsdann musste die Mischung der Bestandteile inniger sein als zu anderen Zeiten, wo dies nicht stattfand und der Schlamm sich wieder zu Boden gesetzt hatte; so musste es also denen stets am hilfreichsten sein, welche zuerst hineinstiegen. Dass diese Bewegung und die davon abhängige Heilkraft des Wassers einem Engel zugeschrieben wurde, war bei den alten Juden gewöhnlich, da sie alles Außerordentliche und Staunenerregende, sowie die Entstehung und Heilung der Krankheiten einem Engel Gottes zuzuschreiben pflegten. Da das Wasser seine Wirksamkeit verlor, wenn es wieder klar wurde, also seine größte Kraft nur auf den Zeitpunkt eingeschränkt war, wo es sehr trübe war, so hatte das Bad in diesem Teich die größte Ähnlichkeit mit dem Schlammbad. In Palästina waren auch sonst Gesundbrunnen und heilsame Bäder nicht selten, und im Ev. Joh. 9, 11 wird noch die Quelle von Siloah im tiefen Tal Ben-Hinnon erwähnt, durch deren wunderbare Kraft — nach Ev. Joh. 9, 1 - 7 - Christus eine angeborene Blindheit heilte (Stern 664).

Homer gibt im 10. Gesange der „Odyssee" die Beschreibung, wie Circe Odysseus ins Bad führen lässt:
Aber die vierte Magd trug Wasser und zündete Feuer
Unter dem großen Dreifuß an, das Wasser zu wärmen.
Und nachdem das Wasser im blinkenden Erze gekochet,
Führte sie mich in das Bad und goss aus dem dampfenden Kessel
Lieblich gemischtes Wasser mir über das Haupt und die Schultern
Und entnahm den Gliedern die geistentkräftende Arbeit,
Als sie mich jetzo gebadet und drauf mit Öle gesalbet.
Na umhüllte sie mir den prächtigen Mantel und Leibrock
Und dann führte sie mich ins Gemach...
Das römische Bad wurde eine Stätte der Unterhaltung; man empfahl sogar, mit vollem Magen ins warme Bad zu eilen. Juvenal tadelt diese Unsitte:
Die Strafe bleibt dir nicht aus,
Wenn du vollgefressen
Das Gewand ablegst
Und den halbrohen Pfauenbraten
Unverdaut ins Bad trägst.
Vor einer Reihe von Jahren wurden in Epidaurus Inschriften gefunden, die besagten, dass die Mineralquellen in Epidaurus, die kohlensaure Salze enthielten, öfters die Heilung von Steinleiden und von Erkrankungen der Verdauungsorgane bewirkt hätten. Die chemische Untersuchung, der man neuerdings, wie die „Gazette des Eaux“ berichtet, das Wasser der Brunnen des Äskulapheiligtumes in Epidaurus unterzogen hat, bestätigt die Mitteilung der Inschriften. Das Wasser enthielt einen starken Zusatz kohlensaurer Salze. Dasselbe Resultat hatte die Untersuchung des Wassers von Amphiaräa und von Frikki, den Heiligtümern des Äskulap in Thessalien. Die Quellen in Frikki, die jetzt längst versiegt sind, wurden sicher zu therapeutischen Kuren benützt, da man dicht dabei Badeeinrichtungen entdeckte.

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König Wenzel im Bade; er benutzt einen Wedel zur Bedeckung der Scham und wird von Bademägden gestrichen; Miniatur aus der Wenzelbibel, 15. Jahrhundert

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Kopfwäsche des Königs Wenzel von Böhmen durch eine Bademagd; Miniatur aus der Wenzelbibel, 15. Jahrhundert

Celsus (121) führt einige Indikationen für das Baden auf. Über die Verwendung der heißen Bäder bei Fieber, ferner über die Sand-, Heißluft- und Dampfbäder spricht er im zweiten Buche bei den Schwitzmitteln. Kalte Übergießungen und kalte Duschen empfiehlt er besonders bei Krankheiten des Kopfes und des Magens, ferner bei Erkältungen, Mandel- und Augenentzündungen.

Eines der primitivsten Mittel war das sog. Steinbad in der altgermanischen Kultur; man goss Wasser auf erhitzte Steine in der Badestube. Mittels des dichten Dampfes und durch Einwicklung in Hanfwerg versetzte man den Körper in Schweiß (Puschmann 564, Handbuch I 465).

Bade- und Schwitzhäuser haben sich bei vielen Völkern der nördlichen kalten Zone von den Wohnhütten gesondert. Bei den Eskimo ist das Männerhaus zum Baderaum geworden, der daneben zu Festen und Tänzen dient (632), Martin (443a) bildet eine finnische Badestube ab.

Von der alten cymrischen Heilkunde wird gemeldet (137 c): Für innere Krankheiten und chronische Leiden scheinen sie besonders kalte Bäder, Bewegung und Ortswechsel in Verbindung mit dem Gebrauch von Arzneikräutern angewandt zu haben. Unterstützt wurde diese Behandlung durch das Trinken von gewissen Quellen, deren Wässer besondere mineralische Eigenschaften besaßen.

Einen großen Schritt vorwärts bedeutete die Errichtung von öffentlichen Badeanstalten, wie jene von Dr. Ferro zu Ende des 18. Jahrhunderts in Wien.

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Die Ferrosche Flussbadeanstalt in Wien

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Ferrosche Flussbadeanstalt in Wien, Querschnitt

Höfter (300) nennt als volkstümliche Bäder:
a) Die Bäder in den von der Sonne erwärmten Moorlacken bei Residuen des „Kaltvergiftet";
b) die Molken-oder Käswasserbäder bei Skrofulosis;
c) die Ameisenbäder bei Gicht und Rheuma;
d) das Brühwasser der Metzger und
e) Kälberfußbäder für atrophische Kinder;
f) das Abspülwasser der Küche für die Maus der Pferde;
g) Träber- und Malzbäder bei Residuen von Verstauchungen und Kontusionen;
h) Rosmarinblätterbäder mit Weinzusatz bei Lähmungen einzelner Extremitäten;
i) Senffußbäder mit Essig bei Kongestionen;
k) heiße Handbäder bei Krupp und Pseudokrupp;
l) Aschen- und Kochsalzfußbäder;
m) Heublumenbäder;
n) Scharbockkräutlbäder.

Busch (104) zitiert den deutschen Volksglauben: Wer am Fastnachtstage badet, dem tut in den folgenden 12 Monaten der Rücken nicht weh.

Bünker (98) bespricht „Badestuben" in Kärnten.
Nicht sehr erfreulich klingt der Text. Ob die Badestuben des kärntnerischen Alpenlandes jemals eine große Rolle im Leben des Volkes gespielt, möchte er bezweifeln. Sollte es dennoch sein, so müsste in Bezug auf den Sinn für Reinlichkeit im kärntnerischen Volk ein großer Rückschritt angenommen werden. Abgesehen davon, dass im Hauptraume des Bauernhauses, in der Rauchstube, von mustergültiger Reinlichkeit nie die Rede sein kann, muss er hier, um der Wahrheit die Ehre zu geben, aussprechen, dass der Bauer und sein Gesinde blutwenig auf Reinlichkeit halten, äußerst wenig sogar auf Reinlichkeit der Kleidung und des Körpers. Selbst das Waschen seines Gesichtes und der Hände ist dem Bewohner des Bauernhauses ein lästig Ding. Seife wird dazu in den seltensten Fällen gebraucht. Zum Baden des Körpers nimmt er sich schon gar nicht die Zeit. Wenn warmes Wasser zum Baden auch stets zur Hand wäre, so fehlen doch die Geschirre, in denen man sich baden sollte, im Bauernhaus vollkommen. Bunker glaubt, er könnte besonders von den älteren Leuten in der Seegegend sehr viele nennen, die, so bequem sie das Baden in dem herrlichen Wasser des Millstättersees hätten, durch Jahrzehnte, und viele, die seit den Kinderjahren, da das Baden als ein Vergnügen galt, überhaupt nie ein Bad im See genossen.

Die Bayern scheinen hingegen immer Freunde des Badens gewesen zu sein. Durch das fließende Wasser wurden die bösen krankheiterzeugenden Geister gebannt (300). Vom württembergischen Wildbad singt Justinus Kerner:
Nie ist ihr Auge trübe,
Nie ist ihr Herze kalt,
Stets jung ist sie an Liebe
Und jung auch an Gestalt,
Die Nymphe ist's, die helle,
Die sonnewarme Flut,
Des Wildbads heil'ge Quelle,
Nie brausend Wunder tut.
Von den Slowaken meldet uns Holuby (309): Der Gebrauch der Bäder ist unserem Volk seit jeher bekannt; sie wurden in der Vor- und Nachsaison ziemlich häufig benutzt. Meist sind es rheumatische Übel, die das Landvolk in ein nahegelegenes Bad führen. Häusliche Dampfbäder sind auch bekannt. Ein Absud von Wacholderwurzeln wird in ein Fass gegossen; dann setzt sich der Patient auf einen hohen Schemel, stellt die Füße auf einen niedrigen Schemel, der über dem dampfenden Wasser steht, bedeckt mit einem Leintuch die Öffnung des Fasses, so dass nur der Kopf des Patienten, um frei atmen zu können, hervorragt, und verweilt darin unter starkem Schwitzen eine Viertelstunde oder länger, wird trocken gerieben und ins Bett gelegt. So kuriert man oft die Wassersucht, gegen die auch andere Mittel angewendet werden.

In Russland waren von jeher Bäder, besonders Dampfbäder, beim Volk stark in Brauch, doch sind sie weit einfacher als im Orient. Man begnügt sich damit, Wasser auf erhitzte Steine zu gießen — ein noch heute bis tief nach Westgalizien hinein verbreiteter Vorgang —, um den Dampf zu erzeugen. Auf rohgezimmerten Bänken liegt man ruhig, den Schweißaustritt abwartend. Besen von belaubten Birkenzweigen dienen dazu, die Haut zu peitschen, um sie zu stärkerer Schweißabsonderung anzuregen.

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Finnische Badestube

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Finnische Badestube, Innenansicht

Der Gebrauch von Seife ist in diesen Bädern gestattet. Kleine Handbecher, die aus einer hierzu bereitstehenden Kanne gefüllt werden, dienen dazu, sich abzuspülen und mit eiskaltem Wasser zu begießen, ein Liebesdienst, den die Badegäste sich gegenseitig erweisen. Der Reiz ist zwar sehr gewaltig, doch stellt sich bald nach dem Bad ein intensives Wohlgefühl ein. In Galizien und Russland sind speziell bei den Juden Bäder durch das rituelle Gesetz verordnet, und dieses Gebot hat eine köstliche Type geschaffen: den Badrufer:
„In Bud arahn!“ („Ins Bad herein!“)
Einen Badrufer gibt es nun allerdings, aber Badediener keineswegs, da, wie gesagt, ein Badegast den andern peitscht, knetet und abspült. Nur der „Bäder“, der Eigentümer der „Schwitz“, ist in seinem Lokal tätig, große Kübel Wasser auf die glühenden Steine in den Ofen zu gießen, worauf dann der etwas mit Rauch untermischte und daher beißende Dampf blitzschnell zur Decke schießt. Oben auf den höchsten Stufen des Dampfbades liegt der fromme Jude, sein Wohlgefühl durch das Verlangen nach „a Pelz, a Pelz“ kundgebend, wodurch er andeutet, dass die Siedehitze ihm noch lange nicht imponiere. Den Beschluss des Dampfbades bildet die „Mikwa“, ein klarer, eiskalter Quell, in welchen jeder fromme Jude einzutauchen gehalten ist. — Diese Glutsteindampfbäder sind alten Ursprunges; denn der Geschichtsschreiber Nestor, der beste Historiker Russlands, berichtet, der hl. Andreas habe, von seiner russischen Missionsfahrt zurückgekehrt, den Römern erzählt: „Ich habe die überhitzten Bäder der Slawen gesehen, sie gehen nackt hinein, waschen sich dann mit kaltem Wasser und scheinen dann neugeboren“ (Bryk 97 a).


Wolfgang (SAGEN.at)
 
Interessanter Bericht! Ich wohne ja in einer Region der Bäder-Orte (Heilquellen,
Solebäder usw.). Leider klagen alle finanziell, da die Kuren der Kassen weniger
werden. - Unser Bad zu Hause war früher eine Zinkbadewanne in der
Waschküche (Samstags war Badetag), hinterher wurde noch die Wäsche
darin eingeweicht.-Ulrike
 
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