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Zum Torfabbau

Babel

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Das Wurzacher Ried mit einer Fläche von rd. 8 x 4 Kilometern ist eines der größten Hochmoorgebiete in Mitteleuropa. Heute ist es Naturschutzgebiet, aber fast 200 Jahre lang wurde in Teilen des Moores Torf gestochen.

Zunächst entstanden nur kleine, wenige Quadratmeter große Torfstiche, aus denen von Hand soviel Torf entnommen wurde, wie man als Brennmaterial über den Winter benötigte. Dazu wurde zuerst die obere Schicht abgeschaufelt; darunter lag der glänzende schwarze Torf, den man mit einer Art Spaten herausstach. Jeweils acht der feuchten Stücke ("Wasen") wurden am Rande des Stichs zu "Böcken" aufgebaut. (Bild 1, 2)

Nach der ersten Trocknung auf den "Böcken" wurden die Wasen zusammengetragen und im Torfschuppen (Bild 3) gelagert, einem Balkengerüst, das auf drei Seiten mit Latten verschalt war. Abstände von etwa 5 Zentimetern zwischen den Latten dienten der Entlüftung, ohne daß allzu viel Regen oder Schnee hineingeweht wurde. Auch im Torfschuppen wurden die Wasen zur Nachtrocknung so luftig wie möglich gestapelt.

Der Transport des Torfs geschah mit Rollwagen auf Schienen (Bild 4, 5). 1876 wurden die ersten Wagen angeschafft; um 1900 waren Gleise von 2600 m Länge und einer Spurweite von 50 cm verlegt; die Wagen wurden zunächst von Hand geschoben. Nach Anschluß an das Eisenbahnnetz wurden die Gleise gegen solche mit 75 cm Spurweite ausgetauscht, und aus den einzelnen Wagen wurde die "Torfbahn" (Bild 6). Es gibt das "Torfbähnle" noch, und es fährt noch auf den alten Gleisen (Bild 7) – heute allerdings als touristisches "Highlight".

1880 wurde ein Torfwerk (Bild 8) gegründet. Damit begann der Abbau in größerem Maßstab.

Der Torfstich von Hand war nur bis auf Wasserniveau möglich. 1903 wurden drei Torfstichmaschinen angeschafft, mit denen auch unter Wasser Torf abgebaut werden konnte. Die Bilder 9 und 10 zeigten eine Maschine, die von 1936 bis 1962 im Einsatz war. Die Arbeitsweise der ganzen Anlage, die damals betrieben wurde, ist auf einer Info-Tafel so beschrieben: "Mit der Stechmaschine wurde der unter Wasser gestochene Torf angehoben, in ein Förderband geworfen und aus dem Stich nach oben befördert. Der Torf fiel vom Elevator über einen Trichter in die Presstorfmaschine, in welcher er durch rotierende Messer zerrissen und durchmischt wurde. Durch eine sich verengende Öffnung wurde ein Torfstrang nach außen gepreßt und auf einem langen Brett aufgefangen. Auf dem Brett erhielt der Strang 5 gleichmäßige Einschnitte. Mit dem sechsten Schnitt wurde er abgetrennt. Dadurch zerfiel der Torf beim Trocknen in sechs gleichmäßige Wasen. Die Tagesleistung einer Preßtorfmaschine betrug 18.000 bis 20.000 Torfstränge, das entspricht ca. 420 Kubikmeter oder 10 beladenen LKWs."

Durch den maschinellen Torfstich ist der Riedsee (Bild 11) entstanden, eine 10 Hektar große Wasserfläche. Der wunderschöne See ist heute gleichermaßen beliebt bei Wasservögeln und Spaziergängern.

In den 60er Jahren wurde die Torfgewinnung fast ganz aufgegeben. Nur Badetorf wurde bis 1996 noch abgebaut – denn Wurzach, das Städtchen am Ried, war inzwischen Moorheilbad geworden.
 

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Ein sehr interessanter Bericht und die Fotos lassen einen Rundgang zu!!

Es freut mich, dass dort nicht mehr abgebaut wird, mich hat es immer gestört, dass ein Material, dass unglaublich lange Zeit zur Entstehung braucht, einfach ausgestochen und verheizt wird.

In Zeiten, wo in jedem Raum ein Ofen stand und es in bestimmten Gegenden keine Alternative gab oder wo eine ärmere Bevölkerung sich das selber stechen durfte, war es gerechtfertigt und der Schaden auch nicht so groß.

Heute gibt es viel bessere Mittel für alles, wofür Torf verwendet wurde und für Pflanzerde ist er gar nicht gut geeignet (sauer), vermutlich war er eine billige Fülle. Der Schaden an einem einzigartigen Lebensraum ist viel größer als der Nutzen - wenn mans objektiv betrachtet und nicht aus der Sicht eines Nutzungsberechtigten.
 
Bad Kohlgrub in Oberbayern ist ein Moorbad, und es bezieht sein Material noch aus dem eigenen Moor. Ein Faltblatt bezeichnet das, was da rausgeholt wird, als "Moor", nicht als Torf: Tatsächlich wird nicht tief gegraben, denn es muß nicht der reine Torf sein, wie er früher im Wurzacher Ried zur Verwendung als Brennmaterial gestochen wurde.

An der nördlichen Ortsgrenze beginnt ein breiter Weg, von dem nach beiden Seiten Bohlenwege (1) abgehen. Die Bohlen sind sehr dick, denn sie müssen einen Bagger tragen können. Der holt die schwarze morastige Masse, die noch viele unvertorfte Pflanzenteile enthält, aus dem Moor. (2, 3)

Wenn der Bagger seine Arbeit getan hat, läßt man die Bohlen einfach liegen und verrotten. Sie werden bald von der Natur überwuchert: Die Moorflora wächst von unten und von den Seiten herein. (4-6)

Die herausgebaggerte Masse wird von nicht vertorften Ästen und Wurzeln gereinigt, um danach in den Moorbädern zu einem glatten Brei verrührt, erwärmt und verbraucht zu werden. Das "abgebadete Moor" wird dann wieder dorthin gebracht, wo man es hergeholt hat. Die noch zähflüssige Masse bildet beim Ausschütten Formen, die an erkaltetete Lava erinnern (7). Sie wird schnell wieder von Pflanzen besiedelt. (8-10)
 

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Das ist eine gute Sache - sehr interessant. Da würde ich mich auch mal einpacken(-baden) lassen ;).

Im Waldviertel gibt es einen Moorlehrpfad mit einer Stelle, wo man hineinsteigen kann, es ist nur seitlich ein Geländer zum Halten. Da kann man spüren, wie man immer tiefer sinkt ohne Grund, nur manchmal ein Ast..., ein eigenartiges Gefühl.
 
Im Waldviertel gibt es einen Moorlehrpfad mit einer Stelle, wo man hineinsteigen kann, es ist nur seitlich ein Geländer zum Halten. Da kann man spüren, wie man immer tiefer sinkt ohne Grund, nur manchmal ein Ast..., ein eigenartiges Gefühl.

So eine Schlammgrube gibt es im Wurzacher Ried auch, aber ich hatte noch nie das Bedürfnis, in dieser Pampe rumzutrampeln. :D
 
Danke für diesen technikgeschichtlich wunderbaren Bericht!
Ich habe den Bericht mit größtem Interesse gelesen und die Fotos der historischen Maschinen studiert. Großartig fotografiert - toll!

Wolfgang (SAGEN.at)
 
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