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Winna - Weg der Seelen

Geomant

Member
Ich habe gerade mal die Forums-Suchfunktion genutzt, aber zu diesem Film konnte ich hier nichts finden. Ich denke, dass der Hinweis und mein Beitrag dazu auch gut zur Rubrik Volkskunde passt:

https://winna.ch/

Ein Film der eigentlich in die Schularchive gehört und ein Pflichtprogramm für Heranwachsende und Erwachsene sein sollte.

Wir haben ihn uns auf Wunsch eines Mitglieds im Rahmen meiner schamanischen Trommelgruppe angesehen.

Die Filmbeschau lässt sich wahrhaftig zelebrieren:

Draußen schneite es etwas – zu Füssen des Untersberges. Der Winter war nun wirklich mal eingekehrt in unserer alpinen Heimat. Drinnen gestalteten wir den bereits gut vorgewärmten Raum nach unseren Vorstellungen. Es war ja der alte Stall eines Bauernhofes mit mittelalterlichem Ursprung, jetzt zu einem großzügigen Stüberl umgebaut und mit gesunder Infrarotheizung ausgestattet. Pferde und Ponys im neuen Stall nebenan. Stühle und Sessel in Kinoposition gebracht, den Beamer auf ein altes Holzfass gestellt, an der Wand eine Ahnenecke mit Bildern der früheren Besitzer und des einstigen Hofes. In der Mitte unsere Altar – wiederum auf einer alten Holzkiste neben einer historischen Hanslbank. Und nicht weit entfernt – das von allen Mitgliedern mitgebrachte reichhaltige Buffet.

Natürlich wurden rituell unsere Geister und Krafttiere eingeladen, es wurde gejodelt und getrommelt und geräuchert. Vor der Bildwand wurde eine Kerze entzündet und ein altes gusseisernen Räucherpfandl daneben gestellt.

Das riesige Trailerstandbild an der Wand des Stüberls zeigte dazu ein winterliches Alpenpanorama mit einem kleinen schweizerischen Bergdorf im Tal und einer gewundenen Straße, die hinauf in die Gletscherwelt führte. Der Gratzug, die Totenprozession, war das Thema und eben jene mystische Winna, der Kuss oder die Berührung durch eine Seele jenes Zuges.

Einmalige Impressionen und Szenen aus einer noch fast unberührten Alpenwelt und von Menschen, die mit ihr noch so verbunden sind und die um ihre Geheimnisse der Seelenwanderung noch wissen.

Selbst der Verlauf der Seelenwege zum Aletschgletscher im Kanton Wallis sind dort noch bekannt, orientieren sich aber nicht an den menschlichen Bergpfaden, sondern an den Linien der Erdenergien.

In einem der Drehorte gibt es eine neu entstandene Tradition eines regelmäßigen Sagenabends, an dem die Dorfbewohner im Dorfwirtshaus zusammenkommen, um dem Erzähler der unzähligen Mythen dieser Region zu lauschen und einzutauchen in eine lichtvolle aber oft auch unheimliche Anderswelt.

Im Film erzählen immer wieder die Alten von ihren Wahrnehmungen und Erlebnissen mit den Verstorbenen, von Spuk und Poltergeistern, von Kontakten mit den Seelen.

Es wird auch die Frage gestellt, warum wir in der heutigen Zeit vieles nicht mehr sehen und erkennen und eine Dorfbewohnerin antwortet darauf ganz nüchtern mit unserem Verlust des Naturkontaktes oder Naturverständnisses.

Eine gut durchdacht in Szene gesetzte Rahmenhandlung ist der Heimatkundeunterricht in einer Volksschule, wo der Lehrer den Kindern einen Einblick in die Bedeutung des Gratzuges und der Überlieferungen gibt und die Hausaufgabe stellt, darüber mehr in Erfahrung zu bringen. Ein Mädchen beginnt daraufhin nachzufragen – zuhause, bei den alten Wissenden und wandert hinein in die unzerstörte Bergwelt, hinauf zum Gletscher, wo der Gratzug letztlich einkehrt in die Unterwelt.

Der Film regt an, über Tod, Sterben, Wiedergeburt und Leben nachzudenken und sich mit seiner eigenen Heimat auseinanderzusetzen.

Ich wünsche mir seitdem einen Dokumentarfilm über meine alpine Untersbergheimat, denn – auch wir haben einen vielfach überlieferten Gratzug und eine durch die Bergmutter beschützte Unterwelt:

es ist der Zug der Untersbergmandl von den Totenkultplätzen zum heiligen Ahnenberg, dem Untersberg, mit seiner "Chefin", der Percht.

Der Schluss jener Dokumentation ist brillant. Während eine alte Frau von ihrem geisterhaften Erlebnis mit an- und ausgehenden Lampen bei einem Seelenbesuch spricht, gehen plötzlich die Scheinwerfer aus – und es herrscht Dunkelheit während des Drehs, und die Alte spricht weiter – sinngemäß:

„Seht ihr, so ist das!“

Nach dem Abspann gibt es von einer weiteren Alten einen humorigen Schlusssatz.

Und das ist zugleich die Kunst bei diesem Thema, die im Film auch immer wieder dezent umgesetzt wurde: den Humor zu behalten, denn schließlich besitzen den auch die Seelen und die Auseinandersetzung mit dem Thema kann befreiend wirken.
 
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