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Von Krapfenschnappern und Pitschele-Sängern

baru

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In der Novemberausgabe der Zeitschrift "Stadt Gottes" fand ich einen interessanten Artikel des Osttiroler "Chefchronisten" Hansjörg Temmel, in dem er über einen alten Heischebrauch berichtet, der in einigen Osttiroler Gemeinden noch lebendig ist:

In Kals und einigen anderen Osttiroler Gemeinden gehen die Kinder am Allerheiligentag mit ihren Schnapperfiguren von Haus zu Haus und bitten um Geschenke und Spenden.

Nebelfetzen hängen über den Wiesen, auf den Bergen ringsum liegt schon Schnee. Der Großglockner hat sich hinter dichten Wolken versteckt. In Kals machen sich die Familien am frühen Nachmittag des Allerheiligentags auf, um am Friedhof bei den geschmückten Gräbern Lichter anzuzünden und zu beten.
Ungeduldig verfolgen die Kinder die Worte des Pfarrers bei der Andacht am Friedhof. Kaum ist die Feier zu Ende, stürmen sie davon: Jetzt kann es endlich losgehen mit dem „Schnappern“! Der alte Brauch ist auch der Grund, warum der 1. November in Kals als „Schnappertag“ gilt.

Früher gab’s Krapfen, heute Süßigkeiten
Die Kinder haben ihre Schnapperfiguren hervorgeholt. An langen Stangen sind kleine, aus Holz geschnitzte Tierköpfe befestigt – Ziegen, Schafe, Gämsen, Hunde – alles mögliche Getier gibt es da. Auch Comicfiguren wie Donald Duck oder Mickey Mouse sind dabei.
Die Unterkiefer der Tierkörper sind beweglich und können mit Hilfe einer Schnur auf- und zugeklappt werden. Dabei entsteht ein besonderes Geräusch – es „schnappert“.
Zu zweit oder in kleinen Gruppen marschieren die Kinder und Jugendlichen durchs Dorf. Schon von Weitem hört man den Lärm ihrer „Schnapper“. In den Häusern werden die Kinder bereits erwartet. Die Kinder erbitten eine Gabe für die „Armen Seelen“ (auch wenn sie das heute kaum mehr direkt zum Ausdruck bringen). Während die Mädchen und Buben in früheren Zeiten in erster Linie mit Krapfen beschenkt wurden, erhalten sie heute Obst, Süßigkeiten und auch so manchen Euro. Zum Abschied bedanken sich die Kinder mit dem Gruß „Vergelt’s Gott für die Armen Seelen!“ und dann geht es weiter zum nächsten Hof.

Hilfe für die Armen
Ursprünglich war das Krapfenschnappen ein „Heischebrauch“ der armen Leute, die sich mit den Lebensmittelspenden das karge Leben etwas aufbessern konnten. Rund um Allerheiligen und Allerseelen schlüpften sie in die Rolle der Toten und gingen von Haus zu Haus. Durch das Gabenspenden für die „Armen Seelen“ erhofften sich die Hausbewohner Schuldnachlass im Jenseits. Den gleichen Hintergrund hatte auch Halloween in seiner ursprünglich keltisch-irischen Form.
Heute haben Kinder und Jugendliche den Brauch übernommen. In Zukunft sollen die Geldspenden – ähnlich wie beim Sternsingen – wieder vermehrt einem wohltätigen Zweck zugeführt werden. So wie das jetzt schon in der Gemeinde Ainet passiert, wo mit dem Erlös des Krapfenschnappens ein Schulprojekt in Albanien unterstützt wird.

„Schnaggeln“ und „Gregln“
Der uralte Brauch des Krapfenschnappens hat sich in Osttirol nur in den sonnseitigen Gemeinden des Lienzer Talbodens sowie in Assling, Kals am Großglockner und im Defreggental erhalten.
Im Lienzer Talboden ist das „Krapfenschnappen“ den schulpflichtigen Buben vorbehalten. Ihre Gesichter verbergen sie hinter selbstgebastelten Masken, auf dem Kopf haben sie einen kleinen Hut. Außerdem tragen die Burschen weiße Hemden mit einem Gürtel, unter denen sie die erhaltenen Spenden verstauen. Die Kassa für die Geldspenden verwaltet traditionellerweise der älteste Bursch.
Damit man nicht erkennt, wer sich hinter den Verkleidungen verbirgt, sprechen die Buben fast gar nichts und wenn doch, dann nur mit verstellter Stimme.
In Dölsach und am Iselsberg erfolgen die Hausbesuche der „Schnaggler“, wie es hier heißt, schon am Tag vor Allerheiligen. Die Gruppen werden von einem „Hauptmann“ angeführt, der das Kommando ausgibt: „Habt Acht, links und rechts um, Reihen auseinander, nieder zum Gebet!“ Der Hauptmann geht mit Trommelwirbel durch die Reihen und dann folgt: „Auf vom Gebet, Reihen zusammen, hoch an Feuer!“ Erst jetzt wird „geschnaggelt“, bis alle mit Gaben beteilt wurden. Die Kinder tragen je nach Ortschaft unterschiedliche Kopfbedeckungen: dreieckige Hüte, Spitzhüte oder flache Hüte mit bunten Kreppbändern.
Im Defreggental sind die Buben und Mädchen fast faschingmäßig verkleidet. Sie gehen allerdings nicht „schnappern“, sondern „gregln“, wie es in diesem Tal heißt.
Bis zum Einbruch der Dunkelheit ziehen die Kinder von Haus zu Haus. Am Abend des Allerheiligentages kehrt wieder Ruhe ein in den Dörfern. Alle sind zufrieden: Die Kinder mit ihrer „Ausbeute“ und die älteren Bewohner, weil ihnen der Besuch im kommenden Jahr Glück bringen soll.

"Griaß Gott, liabe Leit!
In enkre Mitte kemmen die Krapfenschnapper heint
und tat’n recht schian bitt’n um a Kloanigkeit.
Noch altem Brauch um Kropfn, Äpfel und Birn
tat’n ma enk bitten recht schian.
Es kennen a a poar Euro sein
mia tat´n uns recht sakrisch gfrein.
Unsa Vergelt’s Gott dafür keart den Armen Seelen,
aber enk soll’s bringen Glück und Segen."
Spruch der Oberlienzer Krapfenschnapper
In Stadt Gottes November 2011, Seite 18



Einen ähnlichen Brauch gibt es auch im Südtiroler Ahrntal:
(Administrator: Link existiert nicht mehr)

Seit Jahrhunderten findet sich im Ahrntal ein Brauch, das Pitschile-Sing. In den Allerseelen Nächten gingen erwachsene Sänger von Hof zu Hof, um ein Allerseelenlied zu singen. Dafür erhielten sie ein "Pitschile", also einen kleinen Brotlaib. Es war hauptsächlich die Not, die die Leute zu diesem Brauch trieb. Verdeckt mit schwarzen Kaputzenmäntel trugen sie einen Korb mit sich, wo dann der Hausherr die Pitschelen hineingab.

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Bei uns war es früher Brauch, dass die Godnkinder von ihrer Godn (Patin) zu Allerheiligen einen "Hirsch" bekommen haben.
Dieser Hirsch war ein Gebildbrot, das die Dorfbäcker hergestellt haben, als Weißbrot oder Milchbrot. Mit dem Verschwinden der kleinen Bäckereien (und wahrscheinlich auch mit dem steigenden Wohlstand) ist auch dieser Brauch verschwunden...
 
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