• Willkommen im SAGEN.at-Forum und SAGEN.at-Fotogalerie.
    Forum zu Themen der Volkskunde, Kulturgeschichte, Regionalgeschichte, Technikgeschichte und vielem mehr - Fotogalerie für Dokumentar-Fotografie bis Fotogeschichte.
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst Du eigene Beiträge verfassen und eigene Fotos veröffentlichen.

SAGEN.at

Administrator
Teammitglied
Wer kann von heute untergegangenen Berufen erzählen? Wer hat selbst noch einen Beruf ausgeübt, den es heute nicht mehr gibt?

Die Vielfalt der Berufe ist ein lebender Ausdruck der Kultur einer Gesellschaft. Heute (2008) sollen ungefähr zwei Drittel aller Berufe mit Computer und/oder Auto zu tun haben. Ist daraus ein kultureller Niedergang abzuleiten oder eine neue High-Tech-Kultur, die sich die Menschen gewünscht haben?

Doch welche Berufe sind in letzter Zeit still untergegangen, welche Berufe sind schon lange untergegangen?

Auf Beiträge neugierig...

Wolfgang (SAGEN.at)
 
der verein schloss trautenfels hatte da voriges jahr eine äußerst interessante vortragsreihe ... leider habe ich zu spät darüber erfahren aber es ging um genau dieses thema ... es hieß "vom altag verschwunden"

kleiner auszug aus der webseite:

"Vom verschwundenen Alltag" und Kulturkalender Bezirk Liezen

Dieses Leader+-Projekt erforscht unter der Projektleitung von OStR Prof. Mag. Dr. Josef Hasitschka, das Verschwinden beziehungsweise die veränderte Arbeitsweise verschiedener Berufe seit 1945. Dieses Projekt wurde mit dem Steirischen Volkskulturpreis 2006 ausgezeichnet.

Nach 30 Stammtischgesprächen wurde am 4. Juli mit dem Feuerwehrmännern und RettungsfahrerInnen ein krönender Abschluss der Veranstaltungsreihe Vom verschwundenen Alltag seit 1945 geschafft. Bei den Stammtischgesprächen wurde das Wissen von alten Berufen und Techniken durch ZeitzeugInnen lebensnah präsentiert. Die vorgestellten Berufssparten sind für unsere Region spezifisch und Teil der Identität. Die verschwindenden Berufe sind sowohl beispielhaft für das Land als auch durch die Ergänzungen der TeilnehmerInnen flächendeckend für die Region aufgenommen und damit für die Alltagsgeschichten sehr aussagekräftig.

2008 wird eine Publikation mit ca. 30 Berufen die Ergebnisse dokumentieren. Die Daten werden auf CD im Museum Schloss Trautenfels archiviert.
 
Super Idee, nach dazu wo ich grade in meiner Region mich mit diesem Thema auseinandersetze ... guckst Du mir etwa irgendwie über die Schulter, Wolfgang? *ggg*

Übrigens: einen "Fast-Start" dieses Themas hatten wir schon im Bereich "Suche" mit dem Thread "Altes Handwerk in Ö" ...

Wie schnell in der heutigen Zeit Berufe kommen und gehen, zeigt mein Eigener:
Ich selber war in der allerersten Klasse der "Büromaschinenmechaniker" in der Berufschule Amstetten - und dieser Beruf wurde schon lange wieder durch die rasante technische Entwicklung am Elektronik-Sektor abgelöst und aufgespalten auf Mechatroniker, Elektroniker, Programmierer, EDV-Techniker, Softwaretechniker usw.
Wie ich diesen Beruf, sein Werden und Vergehen selber erlebt habe, schreibe ich gerade nieder - ich stelle bei Interesse gerne Auszüge davon hier herein ...

Hier bei uns im verträumten Molln sind alte Berufe Tradition - und einer der Traditionsreichsten ist mit dem letzten lebenden Meister der ca. 1600 begründeten Zunft im Jahr 2004 ausgestorben: der Mollner "Schaufelhacker" Norbert Zemsauer starb mit 76 Jahren und hat bis zum Schluss seine Kunst bei diversen Veranstaltungen gern gezeigt.

Literaturtipp: Mohr/Die Geschichte der Mollner "Schauflerzech", 1995, Verlag Ennsthaler, Steyr (hoffentlich noch nicht vergriffen, bei Interesse kann ich im örtlichen Museum nachfragen, die haben das auch angeboten)
Museum Molln

Es grüßt aus Molln
Norbert
 
An zwei Berufe, deren Wirken ich noch als Kind und Jugendlicher erlebt habe, erinnere ich mich gut. Zwar gibt es, glaube ich, beide noch - allerdings sind sie derart aus dem öffentlichen Leben verschwunden, dass sie schon fast "untergegangen" sind.
Das eine war der Kohlehändler. Damit meine ich eher die Variante, die noch höchstpersönlich in der Butte die Kohlen zu den Leuten gebracht hat. In meinem Wohnhaus wohnte ein solcher und für mich bekam das Wort "Schwarzer Mann" eine ganz andere Dimension dadurch. Obwohl er ein sehr netter und freundlicher Mann war, dessen Bärenkräfte ich bewunderte, als ich einmal die Möglichkeit (oder besser gesagt nicht) hatte, diese Butte zu (wie gesagt, eher nicht) heben.
Ebenfalls fröhlich unterwegs war der Scherenschleifer in Wien. Als der letztendlich von der Bildfläche verschwand, gab es zwar noch diverse Messer- und Scherenläden, die vor Ort diese Tätigkeiten übernahmen, aber auch diese Geschäfte sind aus dem Stadtbild verschwunden.

Definitiv ausgestorben halte ich den Beruf des Stubenmädchens. Bestenfalls ist er in irgendwelchen Berufsbildern von Hotelfachkräften aufgegangen.

lg
erich
 
Hallo,
ich selbst habe noch einen Beruf gelernt, der so gar nicht mehr vermittelt wird.
Bergvermessungsingenieur. Die Betonung liegt in diesem Fall auf Berg.
Der Umgang mit mechanischen Vermessungsinstrumenten wird heute nur noch am Rande gelehrt. Elektronik und CAD ist angesagt. Da ist nichts mehr mit Handarbeit. (Messen, berechnen, Hand zeichnen)
Diese ist allerdings gerade im Untertagebergbau, wo erhöhtes Gasvorkommen die Regel ist, nicht so ohne weiteres einsetzbar.
Mit dem Aussterben des heimischen Bergbau's ging und geht dieser wie auch andere interessante Berufe, die speziell auf den Bergbau ausgerichtet waren, verloren.
Die Technik und der Zeitgeist tut ihres dazu, dass ein ständiger Wandel im Berufsfeld stattfindet.
Früher waren es auch noch Künste, die erlernt werden mußten.
Wasserkunst, Fahrkunst, Wetterkunst, Markscheidekunst. Heute wird das ganze z.T. verdenglischt.
Hydrauliker, Logistiker, Metereologe (ist allerdings ein anderes Wetter gemeint). :smi_hello (Hallo!)

Ich bin mir schon fast sicher, dass in einigen Jahren verschiedene Berufe nochmal angesagt sind. Alten Bücher werden herausgekramt und man wird merken, dass Erfahrung nicht anzulesen ist.
Dann werden ein paar Chinesen eingeflogen, die sich i.M. unsere Anlagen für ein paar Euro kaufen und nach China transferieren, um uns unser Urwissen wieder zu lehren. :smi_ersch
Also Leute lernt chinesisch.

Grüße und xīn xiǎng shì chéng !
Volker
 
Huber schrieb:
...Ebenfalls fröhlich unterwegs war der Scherenschleifer in Wien. Als der letztendlich von der Bildfläche verschwand, gab es zwar noch diverse Messer- und Scherenläden, ...

Dann fällt mir noch der Rastlbinder ein. Ein fahrender Handwerker, der löchrige Kochtöpfe reparieren konnte und gebrochene Porzellan- oder Steingutgegenstände geschickt wieder zusammensetzte.

Ich selbst hatte bis vor wenigen Jahren einen Speisewärmer aus Keramik, der gebrochen war und vom Rastlbinder wieder kunstvoll zusammengesetzt und mit einem Drahtgeflecht überzogen wurde. Dieses Geflecht hielt das Stück dann wieder viele Jahre zusammen. Immer wieder wurde dieses "Kunstobjekt" (niemand mehr erkannte die Arbeit eines Rastlbinders) bei Tisch bewundert. Leider fiel das gute Stück zu guter Letzt der Gravitiation zum Opfer und war ein zweites Mal nicht mehr zu reparieren :(
 
Huber schrieb:
Definitiv ausgestorben halte ich den Beruf des Stubenmädchens. Bestenfalls ist er in irgendwelchen Berufsbildern von Hotelfachkräften aufgegangen.

Der Beruf des Stubenmädchens ist ganz sicher nicht ausgestorben. Wer macht denn die Betten, staubsaugt die Räume, putzt die Klos & Badezimmer etc... in all den Hotels, Pensionen, etc...?

Ich kenne selbst viele Frauen, die in Hotels als Stubenmädchen gearbeitet haben. Also definitiv als Stubenmädchen und nicht als Teil einer (anderen) Tätigkeit im Hotelfachgewerbe.

LG,
Dolasilla
 
harry schrieb:
Dann fällt mir noch der Rastlbinder ein. Ein fahrender Handwerker, der löchrige Kochtöpfe reparieren konnte (

Dank Harry sind mir Kesselflicker, Trankführer und Scherenschleifer eingefallen, die ich aber schon im Thread "Wer erinnert sich" angesprochen habe.
Da ich in den nächsten Tagen ein Fass von einem Dachboden "evakuieren" werde, fällt mir der "Fasslbinder" ein, der die Fässer nicht nur produziert, sondern auch regelmäßig gewartet hat. Mittels Holzschlägel und einem meißelähnlichen Gerät (kennt jemand den Namen?) wurden die Eisenreifen wieder um die zerlegten, mit heißem Wasser gewaschenen und gebürsteten Fassdauben (die gebogenen Bretter werden so bezeichnet) geschlagen.

Es grüßt aus dem Steyrtal
Norbert
 
Ein Beruf, der mir auch ausgestorben erscheint, ist der Feilenhauer:

Feilenhauer.jpg

Die Werkstätte eines Feilenhauers (gez. v. Alois Greil)
(Bildquelle: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Band I, Wien und Niederösterreich, Wien 1886, S. 307)


F. X. von Neumann-Spallart schreibt dazu:
"Einer der Vorzüge, welcher dem Wiener Gewerbetreibenden zuerkannt werden muss, besteht in der Findigkeit, die sich häufig bis zum Erfindungsgeiste steigert und namentlich in der geschickten Ausbildung des Werkzeuges äußert. Daraus erklärt sich auch, dass die Anfertigung der Werkzeuge eine der besonders entwickelten Richtungen des Wiener Gewerbebetriebes darstellt. In vielen Fällen bis zur rationell eingerichteten "Fabrication" hinaufreichend, so z. B. bei den Werkzeugen für Holzbearbeitung, für Blechbearbeitung leisten aber selbst die nach ältestem Stile eingerichteten Werkstätten für die aktiven Hilfsmittel des Gewerbebetriebes noch immer Rühmenswertes. Ein Beispiel prägnantester Art hierfür sind die Feilenhauereien, deren heute noch in Wien eine große Zahl existiert. Diese Feilenhauereien, meist in den bescheidensten Räumen installiert, mit wenigen Arbeitern betrieben, liefern ein vorzügliches Produkt, das dem auf maschinellem Wege im In- und Auslande erzeugten noch immer Stand hält."
(Quelle: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Band I, Wien und Niederösterreich, Wien 1886, S. 307)

Wie also aus dem etwas umständlichen Text hervorgeht, gab es zu dieser Zeit sehr wohl schon maschinelle Feilenproduktion und trotzdem auch händische Feilenproduktion.

Das Bild lässt etwas interessantes erkennen: offenkundig werden hier die Feilenzähne eingehauen, daher wohl auch der Name "Feilenhauer".

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Grüezi

In manchen Kantonen der Deutschschweiz gab es den Beruf des „Hundestupfers“ (Hundeschupser). Diese hatten die Aufgabe streunende Hunde aus Wirtshäusern und Kirchen zu entfernen...

Gruss gropli

.
 
Also eine Berufsart, die untergegangen ist, waren die "Wagner"Sie haben also die Räder der Holzwägen gemacht und repariert, sie haben Holzgabeln für die Bauern gemacht, Rechen usw....

Aus einigen von ihnen wurden dann so in den 60er Jahren der vorigen Jahrhunderts die "Skierzeuger". Gar nicht wenige, aber von denen haben es dann auch nur wenige geschafft.

Erzähler
 
Fast ausgestorben ist der Beruf der "Rechenmacher", der jedoch wie viele andere Berufsbezeichnungen als Familiennname heute noch besteht. Im Mühlviertel dürfte es diesen Berufsstand noch geben, wenigstens einen...

Berit
 
der "Hundestupfer" ist tatsächlich ein extrem seltener Beruf. Wurde dies hauptberuflich ausgeübt?

Grüezi Wolfgang
Die Frage lässt sich nicht genau beantworten. Der Hundestupfer arbeitete jedenfalls im Auftrag der Obrigkeit. Obs ein Vollamt war, weiss ich nicht.

Mein Grossvater arbeitete noch als "Käfervogt". Er organisierte die regelmässige Sammlung der Maikäfer. Und vor allem rechnete er im Auftrag der Gemeindekasse mit den einzelnen Sammlern ab. Käfervogt war aber kein Beruf sondern ein Amt.

Gruss gropli

.
 
Vielleicht ist auch der "Ohrenseifenbläser" von Interesse?

Ohrenseifenbläser demonstrierten auf Varietébühnen öffentlich die enorme Leistungsfähigkeit ihrer Luftkanäle im Kopf. Ein gewisser Mister Charles, der sich Erster Ohrenseifenbläser der Welt nannte, konnte mit den Ohren luftballongroße Seifenblasen erzeugen.
(Quelle: Rudi Palla, 1994, S. 223)

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Zuletzt bearbeitet:
Untergegangen erscheint mir auch der Beruf des "Sliemers" zu sein.

Sliemer fertigten, zum Beispiel in Wien und in italienischen Städten, bis ins 18. Jahrhundert Fenster aus ölgetränktem Papier an.
(Quelle: Rudi Palla, 1994, S. 311)

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Der Beruf des "Wassertrompeters" war schon immer untergegangen, da es diesen, entgegen verbreiteter Ansicht gar nicht gab.

Der Dichter Fritz von Herzmanovsky-Orlando, 1954 in Wien gestorben, vermeinte allerdings in einem Eisenbahnabteil der böhmischen Westbahn zwei solchen Wassertrompetern begegnet zu sein. Als der Zug mit einem Ruck anfuhr, sprang dem einen der etwas zu kleine chapeau melon vom Kopf und Herzmanovsky auf die Zeitung. In der nun folgenden Diskussion zwischen dem Hutlosen und dem Dichter entstand eine Diskussion um den Beruf des Wassertrompeters. "A Wassertrompeter is man doch von Geburt! Schon als Seigling! Ja schon im Mutterleibe!"

Schließlich stellte sich heraus, die beiden seien keine Wassertrompeter von Berufs wegen, sondern Einwohner der Ortschaft Wassertrompeten, Gerichtsbezirk Bischofteinitz, Gemeinde mit eigenem Statut in Westböhmen.
(Quelle: Rudi Palla, 1994, S. 355)

Wolfgang (SAGEN.at)
 
"Fingerhüter" schlugen Fingerhüte mit stählernen Stanzen und Punzen aus Messing- oder Eisenblechstreifen mit freier Hand aus. Schon im Jahre 1373 werden zünftige Fingerhutmacher in Nürnberg werähnt.
(Quelle: Rudi Palla, 1994, S. 98)

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Zurück
Oben