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Sagen Interpretieren

Alex_96

New member
Grüß Euch :smi_hello,

Ich habe für meine D-Matura Sagenforschung als Spezialgebiet gewählt und habe auch schon etliche Seiten an Informationen gesammelt.
Jetzt bin ich bei dem Punkt gelandet, an dem ich vor habe einige Sagen, hauptsächlich jene aus meiner Region, zu interpretieren. Bis jetzt bin ich auf die Punkte: geografischer, geschichtlicher, religiöser Hintergrund, sowie Wahrer Kern bzw. Moral gekommen.

Nun wollte ich euch fragen, was ihr noch so bei einer Sage interpretieren würdet?
 
In einem Buch las ich folgendes: man kann sich mit verschiedenen Methoden
auf den Weg machen, d.h. interpretieren. So der Psychologe, Soziologe,
Rechtswissenschaftler, Volkskundler, Theologe, Lteraturwissenschaftler,
Germanist, Historiker, Mythenforscher usw. Jeder kann seine Methoden
benutzen, um Deutungswege zu erlangen. Der Verfasser versucht es auf
archäologische Art. Ich gebe dies hier recht laienhaft wieder, aber das Buch
hat mich begeistert und heißt. "Märchen aus der alten Grafschaft Mark"
enthält m.M. aber eher Sagen (die Übergänge sind oft fließend). Verfasser ist
Herr Dr. Bleicher, erschienen im Mönnig Verlag Iserlohn (Sauerland). Es ist aber
vergriffen. Dort geht es in erster Linie um die Höhlen im Sauerland als alte
Kultorte und die Sagen, die noch immer um diese geheimnisvollen Orte ranken.
Der Autor schreibt auch viel in den "Hohenlimburger Heimatblättern", er ist
anerkannter Wissenschaftler u. man findet ihn auch im internet. Ich betrachte
natürlich vieles mit den Augen einer alten Buchhändlerin. Es würde mich auch
interessieren, in welcher Region deine Heimat ist. Ich sammele Sagen von
überall. nun viel Erfolg u. alle guten Wünsche für deine Arbeit!-Ulrike
 
Grüß dich, Alex!

Ein tolles Spezialgebiet hast du da gewählt, vor allem, recht ergiebig!

In unserer Gegend spiel(t)en Wildbäche eine große Rolle, das hat sich auch in den Sagen niedergeschlagen.
Lies dir das https://www.sagen.at/texte/sagen/oesterreich/salzburg/pinzgau/wallner/wasser_sagen.htm einmal durch.
Flurnamen haben ihren Ursprung auch in mancher Sage, gerade auch im Umfeld von Wildfrauensagen.

Aus welcher Gegend kommst du denn?
Im Museum in Bramberg gibt es zurzeit eine interessante Ausstellung, in der mittels Tuschzeichnungen Sagen "interpretiert" werden, allerdings nur Pinzgauer.
Ich werde in den nächsten Tagen einige Bilder davon in ein Album stellen.

Grüße aus dem Pinzgau!
 
@ Ulrike Danke für die schnelle Antwort und den Erfolgswunsch! Es war einiges hilfreiches dabei. :)

Ich beschäftige mich mit dem Sagenkreis Steiermark. Derzeit behandle ich gerade die Sage "Der Tote Schnee" und versuche eben diese zu interpretieren. Ich muss sagen, man kann sehr gut vor sich dahin schreiben und interpretieren. Aber ich freue mich auf jeden weiteren Anreiz! :D

@Baru Danke für die Tipps. Das mit den Flurnamen ist eine sehr interessante Sache! Ich komme aus dem Ennstal und werde meine Interpretationen auf Sagen aus der Steiermark beziehen. :)

M.f.G. Alex
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Alex,

ergänzend zu den vorigen Hinweisen möchte ich unter vielen weiteren Aspekten noch die folgenden besonders hervorheben:

- der Mensch/die Menschen!
Welche soziologische Konstellation wird in der Erzählung abgebildet? Wie sind die Familienverhältnisse? Handelt es sich um eine selbstständige oder eher abhängige Familie? Wer ist Grundbesitzer? Freiheit der Partnerwahl/freies Heiraten? Knecht, Bauer, Landwirt, Gutsherr, Adeliger, Rechteloser, Vagabund, Hausierer? Krankheiten und ärztliche Versorgung? Arten von Krankheiten? Schulwesen? Kinderarbeit? Und viele weitere Untersuchungen in diese Richtung.

- Handwerk und Berufe:
was für Handwerk beschäftigt die Menschen von denen erzählt wird? Mühlen, Getreideanbau, Werkzeugmacher, Schmied, Bauer, Reiter, Bergbau und viele weitere solche Aspekte.

- Dämonenvorstellungen:
Damonenvorstellungen und damit einhergehend Aberglaube, Unwetter, Naturkatastrophen, Hagel, Gewitter, Lawinen, Seuchen.

- Brauchtum:
Totenbräuche, kirchliche Feste und Bräuche, regionales Brauchtum, verbotenes Brauchtum, abergläubisches Brauchtum und Rituale etc.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Hallo Alex,
welches verstecktes Fachwissen in den Sagen versteckt sind. Der heutige Berufschulunterricht wurde einst in Anekdoten weitergegeben.

z.B. : blaue Flammen zum ablesen der Temperatur bei der Eisenherstellung.

Das stilllegen des Bergwerk in Schneeberg, weil das Eisen zu weich war. Das lag daran, daß der Silberanteil zu hoch war. Das Silber wurde aber erst später entdeckt.

Ein Handwerker schickt, seiner Mutter mehrere geschwärzt Sielberplatten, welche sie für einen Glockenguss spendet. Danach klingt die Glocke einzigartig gut.

Aus welcher Region kommen denn deine Sagen ?
 
Zuletzt bearbeitet:
Nun wollte ich euch fragen, was ihr noch so bei einer Sage interpretieren würdet?

Zur Interpretation von historischen Texten in der heutigen Zeit hat ja der Admin schon einige grundsätzliche Dinge geschrieben; schau dir zudem den folgenden Link an:
(Administrator: Link existiert nicht mehr).

Grundlegend ist zu sagen, dass die Interpretation immer vom grundsätzlichen Geschichtsverständnis dessen abhängt, der sie interpretiert. Man wird eine Sage also vom heute vorherrschenden bürgerlichen Geschichtsvertändnis aus anders interpretieren als aus Sicht des marxistischen Geschichtsvertändnisses.
Dieses führt die Entstehung und den Inhalt des Handelns und Denken der Menschen, also auch von Sagen, primär auf die konkreten sozialökonomischen Verhältnisse zurück, also auf viel grundlegendere Beziehungszusammenhänge als bürgerliche Interpretationsmuster. Siehe dazu: Jürgen Kuczynski: "Geschichte des Alltags des deutschen Volkes".
Damit erklärt sich auch die Tatsache, dass Sageninhalte gleichen oder vergleichbaren Inhalts vor langen Zeiten in verschiedenen Teilen der Welt entstanden, die damals über keine gegenseitige Kommunikation verfügten.

Zudem ist natürlich auch immer der Stand der Produktivkräfte entscheident, der zum Zeitpunkt der Entstehung eines Textes herrschte.
Bei Sagen also auch die Angst der Menschen vor damals unerklärbaren Naturphänomenen. Auch dies machten sich die damals Herrschenden zu Nutze, um "ihr" gemeines Volk an der Leine zu halten. Man kann dies auch in den Kontext zur Religion in der jeweiligen Zeit setzen - Religion gleichzeizig als Segen und Opium für das Volk.

Beachten sollte man ferner, dass auch viele Sagen einer Veränderung unterworfen waren. Übrigens ein sehr interessanter Aspekt; leider jedoch nur bedingt nachvollziehbar; da über lange Zeiträume Sagen nur mündlich weitergegeben wurden (bzw. weitergegeben werden konnten (siehe exemplarisch dazu: Meiche, Alfred: "Sagenbuch der Sächsischen Schweiz und ihrer Randgebiete").

Viele Fragen und Interpretationsmuster also. Dabei immer an George Orwells "1984" denken:
Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft: wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit
Ein überaus bedenkenswerter Ausspruch - bezogen auf das, was historische Texte enthalten, aber auch brandaktuell, was z.B. die gegenwärtigen Entwicklungen in einem großen östlichen Land und vor allem deren Interpretation betrifft. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt ...
 
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