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Moderne Ausstellungspräsentation

Babel

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Meine Lieblingslandschaft in Württemberg ist das Wurzacher Ried, ein etwa 8 x 4 Kilometer großes Moorgebiet. Wie nicht anders zu erwarten, gibt es in Bad Wurzach ein Naturschutzzentrum, das über das Moor informiert.

Unsere Naturschutzzentren sind meist sehr schön und informativ, und so habe ich auch das in Bad Wurzach besucht. Der Vorraum bietet das Übliche – Prospekte und Bücher und eine unbeschäftigte Frau ("Kann ich Ihnen helfen?"). Dahinter schließt sich die Ausstellung an: "Moor extrem", eine "multimediale Erlebnisausstellung".

Es war ein entschieden schauerliches Erlebnis: Ein in grünes Licht getauchtes Labor, in dem man angeblich alles mögliche tun kann: "Erkennen Sie an unserem Multitouch-Klimapult interaktiv und spielerisch ...", "Bilder, Farben und Klänge erwarten Sie zum Abschluss in unserem Chill-Out-Room" – und "450.000 Jahre Landschaftsgeschichte in 450 Sekunden", auf Knopfdruck natürlich und mit eingeschaltetem Kopfhörer. Ist das nun das Museum der Zukunft? Oder waren da technikverliebte Irre am Werk? Eins bewirkt es jedenfalls: Man sehnt sich ungeheuer nach draußen in das echte Moor.

Die Erfindung der Museumsdidaktik hat (meiner Meinung nach) den wenigsten Museen gut getan. Und das Bemühen, die Museen und Ausstellungen "neuen Besucherkreisen" zu erschließen, sie auf die Höhe ihrer Zeit zu bringen, treibt mancherorts scheußliche Blüten. Wenn in einer Ausstellung nichts mehr zu sehen ist als ein schick beleuchteter Gerätepark, weiß ich nicht, wozu ich sie besuchen sollte. Und wenn ich Natur und Landschaftsgeschichte medial vermittelt bekommen möchte, setze ich mich lieber in Ruhe vor meinen eigenen Computer und google mir alles zusammen, was ich wissen will.

Mich würde die Meinung anderer Forumsbesucher zu modernen Formen der Museumspräsentation interessieren.
 

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Ich bin ganz deiner Meinung, leider wird es aber Kinder und Jugendliche nicht mehr auf Grund einer schrillen Verfremdung hinaus ins echte Moor treiben. Was ja ein positiver Effekt wäre.
Vielmehr wird ihnen die Natur um so langweiliger erscheinen.
Alles muss disneylandmäßig bearbeitet und beschleunigt werden, 1000 Jahre pro Sekunde, das hat doch was.
Das Tempo darf doch in der Freizeit nicht nachlassen, man könnte sonst draufkommen, von welchem Wahnsinn man sich tagtäglich treiben lässt - und wofür?

Ich war schon in Ausstellungen/Museen, wo in einem - zwar großen - Saal bis zu 6 Monitore aufgestellt waren und in jedem war anderes Geschepper, Gezische, Vertontes und Gesprochens zu hören.
Das ist etwas für Menschen, die beim Fernsehen mit Knopf im Ohr bügeln und daneben noch ein Buch lesen.
Für mich ist es unerträglich.
 
Das ist ein seht komplexex Thema, über das man viele Seiten schreiben könnte. Daher nur wenige, kurze Gedanken:
Ein Museum wird nach ICOM (*) definiert als „eine gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienst der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken materielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt“.
Die Definition zeigt, dass sich die Museen weltweit nicht nur mit dem bekannt machen von Zeugnissen der menschlichen Umwelt definieren, sondern auch mit Unterhaltung. Letztlich spielen wirtschaftliche Interessen eine wichtige Rolle. Ein Museum, das nicht interessant genug ist und nicht genügend "Action" bietet, wird bald so große Verluste machen, dass eine Weiterführung nicht mehr tragbar ist. Und wie wird der Stellenwert eines Hauses innerhalb der Museumslandschaft definiert (Wichtig für die Subventionsvergabe)? Natürlich über die Besucherzahlen. Zu hohen Besucherzahlen kommt man aber nur dadurch, dass man den Museumsbesuch zu einem Erlebnis macht.

(*) Das ICOM, (International Council of Museums) ist eine internationale, nichtstaatliche Organisation für Museen, die 1946 in Zusammenarbeit mit der UNESCO gegründet wurde, mit dem Ziel, die Interessen von Museen weltweit zu unterstützen.

In dieser kleinen Zeichnung, die ich unlängst sah, ist der ideale Zugang zu einem - ja, vielleicht Moormuseum zu gezeigt. :popcorn:
 

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Und wie wird der Stellenwert eines Hauses innerhalb der Museumslandschaft definiert (Wichtig für die Subventionsvergabe)?
Was die von mir geschilderte Ausstellung betrifft: Unsere Naturschutzzentren sind eigentlich keine Museen. Sie haben etliche andere Aufgaben; Information ist wichtig, wird aber zum großen Teil durch Veranstaltungen geleistet (vor allem auch für Schulen). Die Zahl der Ausstellungsbesucher spielt hier weniger eine Rolle als bei Museen.

Zu hohen Besucherzahlen kommt man aber nur dadurch, dass man den Museumsbesuch zu einem Erlebnis macht.
Das ist schon klar, aber das schiebt die Frage nur weiter: Was macht einen Museumsbesuch zu einem Erlebnis?

Ich kenne eine ganze Reihe solcher Naturschutzzentren, und sie sind eigentlich alle interessant, "interaktiv", man kann alles mögliche machen, anfassen, anhören, sich bewegen lassen – und immer habe ich dort Besucher gesehen, meist Familien mit Kindern, die sich da eifrig beschäftigen (und dabei allerlei lernen). Sich-Beschäftigen heißt dort aber nicht, Hightech zu bedienen. In der Wurzacher Ausstellung waren keine Besucher.

In dieser kleinen Zeichnung, die ich unlängst sah, ist der ideale Zugang zu einem - ja, vielleicht Moormuseum zu gezeigt. :popcorn:
Das ist in der Tat ein idealer Zugang. Daß es Museumscafés und Museumsläden gibt, ist eine wunderbare Sache!

Aber zur Museumspräsentation allgemein:

Die allgemeine Didaktisierung hat vor allem dazu geführt, daß die große Menge des Bestandes ins Archiv gewandert ist, man ein beispielhaftes Einzelstück in eine repräsentative Vitrine gestellt und einen ellenlangen Erläuterungstext dazu gehängt hat. (Naja, inzwischen hört man den Erläuterungstext eher per Kopfhörer.) Das heißt, daß einem Vergleichsmöglichkeiten genommen wurden, daß alles "Nicht-Beispielhafte" verschwunden ist; der Eindruck, daß alles verschiedene Formen und Facetten (gehabt) hat, geht verloren. (Ich spreche von den stadtgeschichtlichen Museen, den Kunstmuseen der mittelgroßen Städte, den Heimatmuseen der Kleinstädte – die großen Kunstmuseen in den Hauptstädten interessieren mich weniger.) Eine gotische Madonna muß sozusagen das ganze christliche Mittelalter repräsentieren – das ist eine ungeheure Verarmung gegenüber den früheren Sammelsurien, die zweifellos eine bessere Präsentation nötig hatten, aber nicht in dieser Form ... Noch heute trauere ich vielen Einzelstücken nach, die in von mir einst geliebten Museen in die Abstellräume gewandert sind. Gerade für volkskundlich Interessierte sind das herbe Verluste, denn nicht die gotische Madonna (die man in jedem Museum sehen kann) ist ja verschwunden, sondern die Totenkrone, der fromme Einblattdruck fürs bäuerliche Heim, das Mustersticktuch der jungen Frau, der Schnitzbalken eines Fachwerkhauses, die Schützenscheibe ... Ich glaube nicht, daß dieser Fortschritt "erlebnissteigernd" war, und die Didaktik nun technisch zu vermitteln, ändert daran wohl kaum etwas.

(Entschuldigung, ich mußte mir halt einigen Kummer von der Seele schreiben.)
 
@Babel:
Ich verstehe Deinen Kummer sehr gut. Ich mußte selbst schon in den Keller des einen oder anderen Museums, um ein Stück, das in der Literatur genannt wird, zu sehen. Das ist aber nicht jedem gegönnt.
Wer aber ginge noch in ein Museum, wie Du es beschreibst? Einige wenige "Freaks", wie unsereins und vielleicht noch ein paar Mütter/Väter am Wochenende bei Schlechtwetter um ihren unglücklichen Kindern Kultur beizubringen.

Dass, wie Du schreibst, die Zahl der Ausstellungsbesucher nicht so wichtig ist, wage ich zu bezweifeln: Erstens ist die Natur- und Umweltbildung ... mit einer breit angelegten Öffentlichkeitsarbeit und dem Schwerpunkt außerschulischer Naturpädagogik eine der drei Hauptsäulen dieses Zentrums. Zweitens fällt in Gemeinderats-, Landratssitzungen leider immer wieder das grauenhafte Wort "Sachzwänge".

Man kann die Entwicklung aus verschiedenen Gesichtspunkten sehen. Auch ich bin nicht immer glücklich, wenn ich die eine odere andere Präsentation besuche. So lange jedoch mehr Menschen in Museen/Informationszentren strömen, als jemals zuvor, so lange ein unscheinbar kleines Portrait einer Unbekannten, ein Blatt mit einem gezeichneten Hasen oder eine Salz/Pfeffer-Garnitur Schlangen an den Museumskassen verursachen, bin ich guter Dinge.
 
@Babel:
Wer aber ginge noch in ein Museum, wie Du es beschreibst? Einige wenige "Freaks", wie unsereins und vielleicht noch ein paar Mütter/Väter am Wochenende bei Schlechtwetter um ihren unglücklichen Kindern Kultur beizubringen.

Dass, wie Du schreibst, die Zahl der Ausstellungsbesucher nicht so wichtig ist, wage ich zu bezweifeln: Erstens ist die Natur- und Umweltbildung ... mit einer breit angelegten Öffentlichkeitsarbeit und dem Schwerpunkt außerschulischer Naturpädagogik eine der drei Hauptsäulen dieses Zentrums. Zweitens fällt in Gemeinderats-, Landratssitzungen leider immer wieder das grauenhafte Wort "Sachzwänge".
Na, ich weiß nicht ... Die alten Heimat- oder Stadtmuseen waren viel weniger "Kultur", und sie waren viel näher an den Menschen. Mein erstes Museum besuchte ich als Teen, weil man mir sagte, dort seien die hölzernen Druckstöcke (für den Blaudruck) meines Urgroßvaters, der Färber war. (Meine Eltern gehörten nicht zu denen, die ihre unglücklichen Kinder ins Museum führten oder etwa selbst hinein gingen.) Und heute können sich die Freilicht- oder Bauernhaus-Museen kaum der Besucher erwehren, weil man dort sieht, "wie es früher mal war", weil man die alten Arbeitsverfahren sehen und selber etwas tun kann.

Natur- und Umweltbildung, Öffentlichkeitsarbeit, schulische und außerschulische Naturpädagogik etc. finden in diesen Umweltzentren zum größten Teil nicht-museal statt, insofern ist der Unterschied zu den Museen doch recht groß. Die Ausstellungen der Umweltzentren kosten auch keinen Eintritt, erbringen also keinen Anteil an der Finanzierung. Zu dem grauenhaften Wort "Sachzwänge" – ja, da hast du allerdings seeeehr recht!
 

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