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Lüftungslöcher an Bauernhäusern

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Bauernhäuser sind in Jahrhunderten entwickelte Behausungen für Menschen, Tiere und Vorräte mit großen regionalen Unterschieden. Im Alpenraum sind die Bauernhäuser zumeist im Erdgeschoß aus Steinen, im Obergeschoß und Dach aus Holzfachwerk errichtet und mit Brettern verkleidet. In den Obergeschoßen und Dachböden werden Futtermittel wie z. B. Heu und Stroh, das der Nachtrocknung bedarf, gelagert. Heute sorgen Wärmefühler und Ventilatoren für die erforderliche Belüftung.

Früher erreichte man dies dadurch, daß Löcher in die Wandbretter gesägt wurden, also Lüftungslöcher. Die sägte jeder Bauer nach eigener Phantasie aus. Vielleicht zuerst quadratisch, rund oder rechteckig, dann wurden die Formen vielfältiger, man gab den Löchern Formen von Sonne, Mond oder Stern oder von verschiedenen Herzformen, Werkzeugen, Gegen-
ständen aus dem Haushalt wie Kelch, Topf oder auch von einfachen geometrischen Figuren, vom Quadrat oder Rechteck in vielen Varianten abgeleitet. Auch religiöse Motive wurden ausgesägt, wie Kreuz, Kelch oder Monstranz.

Der Phantasie waren keine Grenzen gesetzt, so daß Sonderformen entstanden sind, über deren Vielfalt man nur staunen kann. Hier werden sogar Tiere und Menschen vorgestellt, deren Bedeutung manchmal Rätsel aufgeben.

So befindet sich an einem alten Bauernhaus ein Lüftungsloch mit der Darstellung eines Mannes mit Zylinder im Gegensatz zur damals für Männer üblichen runden Kopfbedeckung (Nr. 80, 81, 82). Nachfragen ergaben, daß in diesem Haus eine Schule untergebracht war. Es war also wohl der Lehrer dargestellt, und der trug einen Zylinder. Oder: Ein im obersten Giebelteil ausgesägtes Lüftungsloch stellt einen Mann dar, der ein Weinglas hoch hält (Nr. 70). Handelt es sich hier um den Bauherrn, der vielleicht seiner Trunksucht wegen so dargestellt wurde, oder gab es einen harmlosen Anlaß, das Weinglas zu erheben? Bei einer eventuellen Nachfrage bei den Hausbewohnern schienen aber gewisse Risiken für den Fragenden nicht ausgeschlossen zu sein, deshalb ist sie unterblieben.

Lüftungslöcher sind als einfache Volkskunst interessant und wichtig genug, daß alles getan wird, um den Bestand zu sichern, denn er ist gefährdet durch Unkenntnis oder dadurch, daß der technische Zweck, nämlich die Belüftung, nicht mehr so einfach erfüllt werden kann, außer in abseits gelegenen Scheunen ohne Stromanschluß, bei denen eine mechanische Lüftung nicht möglich ist.

Lüftungslöcher in ihren vielfältigen Formen sind es wert, im Rahmen des Denkmalschutzes Beachtung zu finden.

Lueftungsloecher.jpg

Bild: © Hanns Schulte

Quelle: Hanns Schulte, Interessante Formen von Lüftungslöchern an Bauernhäusern in Nordtirol, in der Schweiz, in Südtirol und in Deutschland, in: Tiroler Heimatblätter, 71. Jahrgang, 4/1996, S. 131 - 132.

Wir möchten in diesem Zusammenhang auf das Kapitel "Lüftungslöcher, Holzstadel, Belüftung" in der Bildgalerie aufmerksam machen und freuen uns auf Eure weiteren Beiträge dazu!

Wolfgang (SAGEN.at)
 
hochinteressanter artikel, kann dir dazu nur gratulieren! das interessante ist, dass sich die (ländliche) bevölkerung kaum mehr dieser lüftungslöcher bewusst ist, da moderne lüftungsanlagen (stallklimasysteme) heutzutage ihre funktion wohl großteils übernommen haben. dieser verdacht keimte zumindest bei meinen diversen nachforschungen in letzter zeit zu diesem thema auf, als ich bei kärntner und (ost-)tiroler bäurinnen und bauern, zimmerleuten und holzfachbetrieben nachgefragt habe, wie diese löcher, die wir so eifrig in die fotogalerie uploaden, genannt werden. zumindest war bei allen befragten personen das bewusstsein noch vorhanden, dass die löcher der belüftung dienten, einen "volkstümlichen" namen dafür konnte mir aber keine person nennen. vielleicht kann uns hier noch jemand weiterhelfen?
 
Zuletzt bearbeitet:
eine freundin aus osttirol, die zu diesem thema ebenfalls nachgeforscht hat, konnte mir heute die auskunft geben, dass die öffnungen anscheinend weniger der belüftung des stadels gedient haben, da die bretterverschalung ohnehin recht luftdurchlässig war, als der versorgung mit licht.
"Der Fachausdruck laut Zimmererhandbuch ist Lichtöffnung. Laut Dr. Hubert Bergmann wird in der Mundart Lichtloch, Lichtluk oder Liehe gesagt."
 
In Norddeutschland werden Lüftungslöcher als 'Uhlenlucht' bezeichnet; sie haben oft eine dreieckige Form und befinden sich im Gibelbereich der niederdeutschen Hallenhäuser. Neben der Belüftung der Vorräte hatten sie auch die Funktion, als Einflugloch für Schleiereulen (Tyto alba) zu dienen, die, obwohl ihre Anwesenheit mit viel Lärm verbunden ist, als effektive Mäusevertilger seit je her gern gesehene Gäste auf den Bauernhöfen sind.
 
Interessantes Thema, spannende Bilder und Fotos! :)

Ich kann zu diesem Thema aber nur über die Bauernhäuser reden, die ich selbst gesehen habe: in Pineshskij, Leschukonskij, Krasnoborskij Bezirken des Archangelsker Gebietes und manchen Dörfern bei Archangelsk.

Die Häuser, die nach der Mitte des 20.Jahrhunderts gebaut wurden, sehen moderner aus und haben gar keine Lüftungslöcher (meine Beobachtung).

Bei älteren Bauernhäusern, die aus dem 19.Jahrhundert stammen, sind solche Löcher zu treffen. Die befinden sich fast ausschließlich an der Vorderwand unter dem Dach. Hier wurde öfters ein Fenster eingebaut, da war noch ein Loch dazu nicht notwendig. Wenn aber das Fenster fehlte, war da ein, seltener zwei, Lüftungsloch statt Fenster. Da waren sie vielleicht wirklich mehr für die Belichtung da und müssten eher Lichtöffnungen genannt werden? Habe leider keine Person, bei der ich eine Auskunft bekommen könnte.

Die Lichtöffnungen bei uns sind sicher nicht so vielfältig an Formen, wie die hier angefügten Beispiele. Die floralen Motive aus der Klassifikation von Hans Schulte finde ich z.B. großartig, vor allem wegen ihrer Kompliziertheit, wo sie Verbindung der einfacheren Motive anderer Gruppen aufweisen :smi_blume Und ich kann es mir überhaupt nicht vorstellen, dass unsere Bauern auf die Idee kommen, das Lüftungsloch bzw. die Lichtöffnung in Form eines Werkzeuges oder einer Menschenfigur auszusägen.

Unsere Löcher haben einfache geometrische Formen (Kreis, Halbkreis, Rechteck), wenn sie statt Fenster der Belichtung (vielleicht zugleich auch der Lüftung – möchte nochmals betonen, das sind nur meine persönlichen Beobachtungen und Überlegungen dazu) dienen. Auf manchen Fotos habe ich noch andere Formen gesehen, das waren sicher die Fälle, wo sie nebenbei noch der Verzierung dienten: Kuppel in Zwiebelform mit Kreuz, maltischer Kreuz. Solche Fälle scheinen doch eher eine Ausnahme als eine Regel zu sein, denn dekoriert haben die Menschen im Norden Russlands ihre Holzhäuser mit anderen Dingen.

Ein paar Beispiele unserer Häuser mit Lüftungslöchern folgen – in die Forumsgalerie :)
 
In den meisten Bauernhäusern des Alpenraums stand früher am Dachboden der sogenannte "Fleischkasten" in dem das vorgeselchte Fleisch fliegendicht zum sogenannten "Luft- Selchen" aufgehängt wurde

Lg.Egon
 
In der Innerschweiz habe ich solche "Löcher", freilich bisher noch nie in solch kunstvoller Form, auch schon an Obergeschossen gesehen. Mir wurde gesagt, dass es sich um "Arme-Seelen-Durchlässe" handle. So könne einerseits die Seele eines soeben im Haus verstorbenen nach draussen gelangen, andererseits können die noch wandelnden Seelen der Vorbesitzer jederzeit wieder in "ihr" Haus kommen.
 
Hallo,
wir haben ein recht altes Bauernhaus ( 1838 ) in Niedersachsen.
Unser "Uhlenlucht" ist eine Balkenaussparung mitten im Haus, früher stand hier eine Lampe drin und hat das ganze Haus von einer Außenwand bis zu nächsten Außenwand beleuchtet.
Das war und ist unser "Uhlenlucht"
Hat jemand ähnliche Infos`?
Gruß
Helmut
 
Hallo Helmut,

wie ja oben dargelegt, dürfte "Uhlenlucht" ein Nestplatz für Vögel (Eulen etc) sein.
Würde das bei Euch nicht zutreffen?

Wolfgang (SAGEN.at)
 
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