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Kultstätte - Opferplatz - Opferstein

Hermann Maurer

Active member
Was versteht man aus volkskundlicher Sicht unter einer heidnischen Kultstätte, einem Opferplatz, speziell einem Opferstein und welche Quellen gelten als sichere Beweismittel? Wie läßt sich die Christianisierung einer heidnischen Opferstätte beweisen und wie chronologisch zuordnen?
Vielleicht kann jemand an speziellen österreichischen Beispielen das Thema beleuchten?
 
Was versteht man aus volkskundlicher Sicht unter einer heidnischen Kultstätte, einem Opferplatz, speziell einem Opferstein

Die Fragestellung ist sehr komplex und zweifellos nicht einfach zu beantworten.

Ich versuche eine Antwort in drei Teilen - einer Definition, einer eigenen Anwort und eine ausführliche Antwort eines Kollegen.

Richard Beitl definiert "Kult" im "Wörterbuch der deutschen Volkskunde" 1974, S. 486:

"Kult (lat. cultus = Pflege, Verehrung) der Gottheit durch die Kultgemeinde an Kultorten (heiliger Hain, Tempel, Kirche, Gnadenort). Auch im Volksglauben können wir insofern von kultischen Handlungen sprechen, als die Erinnerung an persönliche Gottheiten, die das Christentum vielfach zu Dämonen erniedrigte (Wodan, wilde Jagd, Donar), noch nachlebt. In gleicher Weise kennt der Volksglaube auch noch Opfer und Gebet neben der allerdings vorwiegenden Zauberhandlung."

Wie läßt sich die Christianisierung einer heidnischen Opferstätte beweisen und wie chronologisch zuordnen?

Ich persönlich stimme zu, dass die Bezeichnung "Kultstätte", heidnische Opferstätte oder christianisierter Kultplatz in der Volkskunde/Europäischen Ethnologie inflationär verwendet wird, da zweifellos die "Beweislage" dürftig ist.

Sehr gerne und rasch werden Plätze mit schöner Aussicht, weitem Blickfeld, großen und markanten Naturphänomenen als "Kultplatz" beschrieben. Plätze an denen wir uns vorstellen können, dass sie sich gut für Wasserkulte, Feuerkulte, Steinkulte etc. geeignet haben können, werden gerne als Kultplatz zugeordnet. Finden wir dann auch noch Hinweise wie Schalensteine, Pfeilspitzen und zu allem Überfluss auch noch christliche Zeichen, ist unser Urteil schnell gefällt...

Hier ein solcher Ort im Rojental, Südtirol:

moeglicher_Kultplatz_Rojen.jpg

Wir sehen hier in einem Jagd- und Weidegebiet, wo sich also mit Sicherheit seit langer Zeit und bis heute Hirten und Schäfer aufgehalten haben, einen großen Steinblock, der sich zB bei Unwetter oder in der Nacht als Unterstand eignen sollte. Die Aussicht über das Tal bzw. Weidegebiet oder Bedrohung ist günstig und zudem befindet sich an diesem Ort ein markantes christliches Zeichen.

Ja, mit ein bischen Fantasie können wir hier einen Kultplatz erkennen. Es fehlen uns jedoch die Beweise, dass dort kultische Handlungen stattgefunden haben.

Jedoch nicht ganz - gewisse Beweise haben wir!

Die Archäologen und Urgeschichtler an der Universität Innsbruck haben etwa in der Folge der Erkenntnisse aus dem Ötzi-Fund genau solche Plätze (die wir hier nicht publizieren) untersucht und sehr wohl Hinweise auf mehrere tausend Jahre Kultur gefunden! Neben einer Reihe weiterer Kulturreste auch Pfeilspitzen und kleine Kultgegenstände und vor allem hoch in den Bergen Hinweise auf gehandelte Kultgegenstände und -Stücke aus Bergwerken und Steinbrüchen in ganz Europa.

Und weil wir gerade bei den Archäologen sind, die ähnliche Probleme mit Kultplätzen haben, wie die Volkskundler/Ethnologen:

Ich werfe den Archäologen auch vehement vor, bei jeder Grabung, bei der sie auf ein bischen Asche stossen, gleich ohne weiteren Beleg einen kultischen "Brandopferplatz" entdeckt zu haben... :)

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Hier eine ausführliche Antwort von einem sehr geschätzten Kollegen, dem Volkskundler Hans Haid aus dem Ötztal in Tirol.

Zitiert aus seinem für jeden an der alpinen Volkunde/Ethnologie interessierten äußerst empfehlenswerten Buch:

Hans Haid, Mythos und Kult in den Alpen. Ältestes, Altes und Aktuelles über Kultstätten und Bergheiligtümer im Alpenraum. 1992.


Christlich umgestaltet

Überaus geschickt hat es die katholische Kirche verstanden, heidnischen Kult in christlichen Kult umzuwandeln, ihn überaus sensibel der christlichen Kult-Welt anzupassen. Sehr sorgfältig haben einzelne Päpste und infolgedessen auch Bischöfe, Klöster, Missionare dieses Gedankengut umgewandelt.

Das war nicht immer so. Zuerst hat die Kirche massiv, durch Verbote und Strafandrohungen den „alten Glauben“ auszurotten versucht.
Die Geschichte der alpinen Kulte ist voll davon. Eine radikale Bekämpfung blieb ohne Erfolg. Um 590 schreibt Papst Gregor der Große an den Abt Melitus in einem Kloster in England:

„Nach langer Überlegung habe ich
erkannt, dass es besser ist, anstatt die
heidnischen Heiligtümer zu zerstören,
dieselben in christliche Kirchen
umzuwandeln ... es ist nämlich
unmöglich, diese rohen Gemüter mit
einem Schlage von ihren Irrtümern zu
reinigen. Wer die Spitze eines Berges
erreichen will, steigt nicht in Sprüngen,
sondern Schritt für Schritt.“

(zit. nach Caminada. S 44)
Ab etwa 590 wurden also an den Orten, wo früher heidnische „Götzenstandbilder“ standen, wo an heiligen Wassern heidnische Götter angebetet wurden, wo heidnische Kultsteine verehrt und heidnische Feste abgehalten wurden, christliche Kreuze aufgestellt, Marienbilder dem frommen, verängstigten Volk zur Verehrung empfohlen, sicherlich sehr dringend empfohlen.

Die Heiligen Wasser blieben heilige Wasser und darüber wurden christliehe Kirchen erbaut. Dem frommen Volke wurde empfohlen, von diesem Wasser zu trinken, die Kirchen zu besuchen. Aus den heiligen Kultsteinen wurden Altartische der katholischen Wallfahrtskirchen, wie solches hundert- und tausendfach im ganzen Alpenraum und überhaupt in allen christianisierten Ländern anzutreffen ist. Es war diese Behutsamkeit ein Zaubermittel besonderer Art. Die großen Erfolge irischer Mönche hängen damit zusammen.

Die Päpste hatten erkannt, dass in etlichen Regionen Europas nur irische Mönche dazu imstande waren, weil irischer Glaube und irischer Kult weitgehend keltische Kulte waren, dass also die keltischen Heiden am besten über das Verständnis irischer Christen zu richtigen Christen umgewandelt werden können. Irische Mönche waren die Vertrauten der alten Kultur. Sie wussten um die Bedeutung der Heiligen Steine, der aufragenden Menhire und der Grabstätten aus Steinen. Sie wussten um die den Menschen so wichtigen Quellen. Durchkriechsteine. Rutschplatten. Fruchtbarkeitszauber und Abwehrriten. Also geschah es in den ersten Jahrhunderten der sogenannten Christianierung weiter Teile des Alpenraumes, dass der Übergang von einer Religion in die andere, von einem Kult zum anderen fast konfliktfrei ablaufen konnte.

Offenbar wurde auch geduldet, wenn alte Relikte nicht sofort ausgemerzt wurden, wenn das gläubige Volk weiterhin an alten Kultvorstellungen festhielt. Diese Art von Religionswechsel war und ist sehr tiefgreifend, sehr fundamental. Auch aus diesem Grunde hat das Christentum, haben christliche Kulte und Glaubensvorstellungen eine solche Festigkeit durch die Jahrhunderte, durch nunmehr 1400 Jahre alpenländischer Kulturgeschichte.

Zutiefst im Volk verwurzelte Glaubens- und Kultvorstellungen um Steine, Quellen, Bäume, Fruchtbarkeit, Abwehr und Zauber haben tatsächlich alle Modernismen und Bilderstürmereien überlebt. Je mehr Monarchen. Kirchenfürsten, klerikale Oberbefehlshaber und päpstliche Rationalisierer diese zutiefst ur-kultischen Bereiche ausrotten wollten, umso mehr hielt das fromme Volk daran fest.

Das reicht bis in die allerneueste Gegenwart. Es zeigt sich, dass die Amtskirche in einem vermeintlichen Säuberungsprozess die dem Volk liebgewordenen Prozessionen. just diese ohne Priester und Fahnen, die nichtkirchlicher Amtsherrlichkeit gemäßen Wallfahrten abschaffen oder zumindest diskriminieren wollte, und dass erst recht eine Flut von solchen Prozessionen und Wallfahrten einsetzte. Diese Provokationen reichen bis zur amtskirchlich nicht anerkannten Verehrung der weinenden Madonnen mit einem Zug von Abertausenden. Es hängt auch damit zusammen, dass super-religiöse Kulte entstehen können, dass die Menschen auf der Suche nach dem Kult antikirchliche, neuheidnische, esoterische Kulte und Pseudokulte pflegen.

Als im Ötztal in Tirol - in der Pfarre und Gemeinde Längenfeld, amtlich vom Landesbischof bewilligt, vom Gemeinderat beschlossen - eine über 240 Jahre lebendige Bittprozession am Annatag, dem 26. Juli, zur Abwehr von Muren und anderen Katastrophen abgeschafft wurde, haben sich etliche Frauen selbst organisiert und sind fortan genau an diesem Tag weiterhin wie bisher nach Gries zur wundertätigen Madonna Maria Hilf gepilgert. Jetzt ohne Pfarrer, Messgewänder, Kirchenkreuze und Ministranten. Dieser verlobte Bittgang am Annatag wurde erst im Jahre 1972 abgeschafft und hatte die für dieses Alpendorf kennzeichnende Ursache: Mit Rücksicht auf die Hochsaison könne an einem Werktag kein Dorffeiertag gehalten werden, könne den Gästen nicht zugemutet werden, wenn Lebensmittelgeschäfte und Souvenierhandlungen geschlossen halten. Also hatte über Betreiben des Wirtschaftsbundes sowohl der Gemeinderat als auch der Pfarrgemeinderat dem Ansinnen zugestimmt, und waren sowohl Pfarrer wie Bischof dem wirtschaftlichen Tourismusdenken zum Opfer gefallen.

Eben an diesem denkwürdigen Annatag sind auch die hundert Frauen zur Alp Madris gepilgert. Selbstverständlich ohne Pfarrer und Messgewänder. Aber sie haben auf der Alpe ein Tanzfest gefeiert, ein Abwehrfest gegen Polit- und Finanzlobby.

Von den unzähligen Verchristlichungen

Dem 1200 Jahre alten rätoromanischen Margriatha-Lied wurde - wie bereits dargestellt - eine verchristlichte. nicht sehr poetische, eine eher plumpe Strophe beigefügt:

„Unter der Glocke Sankt Jörgs und Sankt Galls
Ist die Maid vorübergezogen.
Da hat es geläutet so lauten Schalls.
Dass der Klöppel herausgeflogen.“

Die weitaus liebenswürdigste Umwandlung der Elemente Wasser, Feuer, Stein, Baum und Natur zu christlichem Gebrauch finden wir beim heiligen Franziskus und seinem Sonnengesang. Dieses franziskanische Denken hat im christlichen Volk die allergrößte Sympathie. Sie hat heute noch größere Sympathie bei „Grünen“, bei ökologisch und natursensibel denkenden Zeitgenossen. Bruder Baum und Schwester Wasser sind unsere Partner. Also denken wir uns hier eine Verantwortung statt einer kultisch-unbedingten Abhängigkeit. Wir leben mit dem Element Wasser, benützen es, gehen mit ihm sorgfältig um; wir nehmen das Schicksal selbst in die Hand.

„Laudato si, mi signore. per sor aqua
la quale èmolto utile et humile et pretiosa et casta.“
„Gelobt sei, mein Herr, durch unsere Schwester, das Wasser,
das sehr nütz ist und demütig und kostbar und keusch.“

Papst Leo hat den Termin des Weihnachtsfestes, das jetzt auf den 25. Dezember verlegt ist. unter anderem damit begründet, dass es nicht nur um die Geburt Christi gehe, sondern dass dieser Tag „wegen des Anfanges der neuen Sonne ehrwürdig sei“.

Seit Kaiser Julian war dies der heidnische Reichsfeiertag. an dem man den Geburtstag des unbesiegten Sonnengottes,. Natalis Solis Invicti, feierte.

In einem alten Wallfahrtslied von Nossa Dunna Della Glisch, Maria Licht zu Trun im Kanton Graubünden, das 1695 gedruckt worden ist, wurde die Umwandlung heidnischen Wasserkultes zu einer christlichen Marienwallfahrt beschrieben. Im Lied heißt es. man habe lange vor dem Kirchenbau Tag und Nacht ein helles Licht gesehen, und es habe „hernach aus den zwölf Fenstern des Heiligtums durchs Tal hingeleuchtet“ (Caminada, S 96). In der zweiten Strophe heißt es:

„Cau en quei liug fievan fiug.
Frint schibas ent il tscheiver.
Quei has midau, santificau,
Per nos riugs cau receiver.
Regina dil Parvis, o Maria della Glisch.“


„An dieser Stätte wurden Feuer entzündet,
Da man Scheiben in der Fasnacht warf.
Das hast Du geändert, hast den Ort geheiligt.
Um hierorts unsere Bitten zu empfangen.
Königin des Himmels Mariä Licht.“
(Caminada. S 96)
Dieser Hinweis ist aus zweifachen Gründen aufschlussreich. Einmal ist es die Verchristlichung einer alten Kultstätte und eines Kultopfers, zum zweiten wird hier das heidnische Feuerwerfen erwähnt und umgedeutet.

Der in einigen Teilen der Alpen, vor allem im alten rätischen Kerngebiet Engadin, Vintschgau, oberes Inntal, Montafon, bis in die Gegenwart sehr lebendige Brauch des Scheibenschlagens, des Funkenwerfens am ersten Fastensonntag, ist kirchlich zumindest anerkannt.

Die beim Werfen der glühenden Holzscheiben verwendeten Sprüche sind selbstverständlich sehr alt, teilweise kultisch, vielfach „heidnisch“. Wie es im Vintschgau üblich ist, wird eine besondere Scheibe der Geistlichkeit, dem Pfarrer gewidmet. Das ist wahrlich sehr geschickt und wichtig.

War der Pfarrer beruhigt und geehrt, konnten die geliebten Mädchen geehrt werden, konnte der Spott losgehen. Da war also die Absegnung bereits erfolgt.
Quelle: Hans Haid, Mythos und Kult in den Alpen. S. 67 - 75.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Allgemeine Bemerkungen, wie beispielsweise die hier zitierten von Herrn Haid, können hilfreich sein - wenn eine vorchristliche Kultstätte zweifelsfrei nachgewiesen wurde. Zur Überbrückung oder Beseitigung der berühmten peinlichen Kontinuitätslücke sind allgemeine Bemerkungen aber nicht geeignet, weil deren Verwendung alleine ohne lokale Beweismittel nur den Sachverhalt verfälschen würde! Meist wird die Tiefe der Zeit nicht beachtet oder verstanden!
 
Beispielsweise liegen zwischen der Zeit des Ötzi und der Zeit der Christianisierung einige Jahrtausende, für die - lokal betrachtet - keine lückenlose Besiedlung und Tradition nachgewiesen werden kann.
 
als angehender Archäologe kann ich nur sagen, dass der Begriff "heidnische Kultstätte" wirklich inflationär verwendet wird. Da wir nicht wirklich wissen, wie heidnische Religionen tatsächlich funktioniert haben, ist es ziemlich komplex festzustellen, wie genau ein Kult ausgesehen haben soll und welche Rückstände dann zu finden sein müssten.
Die meisten in der Volkskunde (besonders der älteren) angesprochenen "heidnischen Kultplätze" dürften sich, wie Wolfgang auch andeutete, nur schwerlich als solche nachweisen lassen. Äüßerst dicke Ascheschichten, Mengen an verkohlten Knochen, Fragmente von "besonderen" Artefakten, all dass würde auf einen Brandopferplatz hindeuten, wie es sie im Alpenraum häufiger gibt, z.b. den Schlern. Aber diese so oft geprisene Kontinuität zwischen "heidnischen" Kultstätten und frühchristlichen Kirchen oder Kirchen allgemein halte ich für problematisch, da in vielen Fällen die Quellenlage viel zu dünn ist um das überhaupt beweisen zu können.
Und wie Wolfgang auch sagte, in der Archäologie wird schnell etwas als "kultisch" bezeichnet, wenn man es sonst nicht anders zuordnen kann. Und wie einer unserer Professoren sagte "Der logische Menschenverstand ist kein Argument". Damals wie heute haben Menschen komische Dinge unternommen schlichtweg einfach weil sie es konnten, es muss dabei nicht zwingend ein rationeller Grund wie zb. in das Errichten einer Kultstätte im Vordergrund gestanden haben.
Und was ist überhaupt eine Kultstätte? Jeder kleine Bildstock und jedes Kapellchen sind eine Kultstätte. In früheren Zeiten wird es ähnliche Objekte gegeben haben, die Wahrscheinlichkeit, dass es da zwischen damals und heute Überschneidungen gab ist groß. Und bestimmte Plätze dürften schon immer eine Anziehung auf den Menschen gehabt haben oder boten einfach bessere Erhaltungsbedingungen, wie Felsüberhänge etc. Und vielleicht ist so manches Schwert, was heute als Weihefund dem Fluss interpretiert wird, schlicht und einfach dort hinein gefallen. So wäre der Fundplatz von La Tène hier anzuführen, wo es neben der kultischen Interpretation auch "pragmatischere" Gründe für die Entstehung der Befunde geben könnte.
Ich denke, bei vielen "heidnischen Kultplätzen" und ihren christlichen Nachfolgern, die durch die (ältere) Literatur geistern, war oftmals der Wunsch Vater des Gedankens. Immerhin wurden oftmals solche Interpretationen in einer bestimmten Zeit (einer wesentlich nationaleren) getroffen, wo es darauf ankam bestimmte Kontinuitäten bzw. Überlagerungen zu finden, die von der heutigen Forschung wesentlich differenzierter gesehen werden. So ist das Bild der "heidnischen" Germanen heute ein ganz anderes und archäologische Kulturen werden auch nicht mehr zwingend mit bestimmten Ethnien gleichgesetzt.
Natürlich gibt es viele Fälle, in denen aus prähistorischen Kultstätten christliche Gotteshäuser und Pilgerorte wurden, zb. Megalithanlagen. In Portugal gibt es eine Kapelle, die aus/in einem Großsteingrab errichtet wurde, aber auch in diesem Fall ist nicht von einer kontinuierlichen Nutzung als Kultstätte auszugehen.
Ich hoffe meine Ausführungen waren nicht zu wirr...
 
Aus welcher prähistorischen Kultstätte wurde in Österreich ein Pilgerort (Wallfahrtsort)? Und welche Beweise gibt es - "natürlich" - dafür?
 
Aus welcher prähistorischen Kultstätte wurde in Österreich ein Pilgerort (Wallfahrtsort)?

Horn im Waldviertel bzw. Maria Dreieichen in Mold wäre ein Beispiel... aber in dieser Gegend kenne ich mich nicht so gut aus. ;)

Friedrich Tschuden erwähnt solche Orte im Waldviertel in seiner von Univ. Prof. Dr. Olaf Bockhorn betreuten volkskundlichen Dissertation „Hab ein gar kostbar Gut erfläht“ Die Entstehung und Geschichte von bedeutenden Wallfahrtsorten des Waldviertels.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Horn (Piaristenkirche und Altöttinger Kapelle) sowie Maria Dreieichen sind Gründungen des 17. Jahrhunderts, also der Gegenreformation!
Die Horner Wallfahrten hatten keinen großen Erfolg. Dagegen ist in Maria Dreieichen alles vorhanden, was den magischen Menschen erfreut und diese Wallfahrtsstätte aufblühen ließ! An numinosen Orten sind hier Berg/Stein, Baum und Quelle zu nennen!
In Horn ist im Bereich der Wallfahrtsstätten nichts aus der Ur- und Frühgeschichte nachgewiesen. Die Wallfahrtskirche Maria Dreieichen steht auf einer Lengyelsiedlung (5. vorchristliches Jahrtausend). Das archaisch wirkende Ensemble hat also keine bezughabende prähistorische Vorgängerkultstätte vorzuweisen.
 
zu Österreich fällt mir da leider nichts ein, aber hier bei mir in der Region (Hessen, Mitteldeutschland) gibts einige Orte, von denen behauptet wird, dass die heutigen christlichen Stätten auf "heidnische Kultplätze" zurückgehen, indirekt z.b. der "Dom" von Fritzlar, da der Vorgängerbau angeblich aus dem Holz der Donareiche errichtet wurde....
Mit Kultplätzen kenn ich mich auch nur wenig aus, da mir das wie gesagt oft zu vage Annahmen sind
 
In Österreich ist das auch so! Da wird diesbezüglich auch viel behauptet! Einer verweist auf den anderen und keiner hat Beweise! Da in diesem Forum die Schlagworte Kultstätte, Opferplatz oder Opferstein immer wieder sorglos verwendet werden, wollte ich das Thema einmal in den Raum stellen! Wie man sieht, handelt es sich aber um eine recht einseitige Diskussion!
 
Ich bin - wie sicher viele andere auch, die diese Diskusion mitverfolgt haben - am Thema interessiert, aber ich bin Laie und wenn es hier um wissenschaftliche Beweisführungen geht, bleiben Experten unter sich. Da ergibt sich die Einseitigkeit wohl von selbst.
 
Wie man sieht, handelt es sich aber um eine recht einseitige Diskussion!

Ich würde mich auch noch um weitere Meinungen freuen - allerdings weiß ich bei besten Willen nicht, wie ich mehr Leser oder neue Forum-Mitarbeiter zu seriösen volkskundlichen Themen begeistern kann?

Ich bin zugegebenermassen schon etwas enttäuscht, dass unsere, aus meiner persönlichen Sicht höchst interessanten Themen so wenig Echo finden...

Wolfgang (SAGEN.at)
 
ich krame grad nach einem Buch, wo es auch am Rande um das Thema geht:

es geht um einen alten Festplatz hier neben unserer Stadt, an Pfingsten finden da traditionell Gottesdienste mit anschließendem Besäufniss statt, so wie das nunmal so ist. Aufgrund von althergebrachten Behauptungen, die von der heimatkundlichen Literatur aufgezeichnet werden (wo es meiner Erfahrung nach gang und gäbe ist munter von einander abzuschreiben ohne die Aussagen zu hinterfragen, natürlich nicht in allen Fällen, aber so manche Dorfchronik fällt da schon durch auf), gehört die Tatsache, dass es sich dabei um eine heidnische Kultstätte handelt und/oder um einen "germanischen Tingplatz" (oder ähnliches) zum regionalhistorischen Gemeinwissen. Ich glaub da sind irgendwelche Steinsetzungen, weswegen man das annimmt. Bodenfunde, die das Bestätigen oder eine vernünftige Ausgrabung gibt es nicht, die Datierung der Steine oder ihr zweck wurden wissenschaftlich nicht untersucht. Historisch wirklich verlässliche Daten zu diesem Ort gibt es auch meines wissens nach nicht. Außer der wohl vaterländischen heimatkundlichen Interpretation auf die sich alles zu Berufen scheint. Wie gesagt, ich finde die Literatur grade nicht und kann das jetzt nur aus dem Gedächniss schreiben, würde aber behaupten, dass es auch ein beliebiger Beispielfall aus allen möglichen Regionen sein könnte.
 
Ach da fällt mir noch ein, es gibt natürlich eine ganze Reihe von Fundorten, die aufgrund von überliefertem Volksglauben entdeckt wurden, nicht nur Troja! Wir graben Momentan selber in Bernstorf bei Freising, wo es auch eine Sage über eine versunkene Stadt im Wald gab und just an der Stelle wurde dann auch wirklich eine bronzezeitliche Siedlung (die größte ihrer Zeit nördlich der Alpen) entdeckt. Es gibt noch mehr so Fälle, die ich auch gerne mal in Buchform sammeln würde und das Moment Zufall dabei kritisch beleuchten würde, wenn nur die liebe Zeit nicht wäre...
 
Ich bin zugegebenermassen schon etwas enttäuscht, dass unsere, aus meiner persönlichen Sicht höchst interessanten Themen so wenig Echo finden...

Wolfgang (SAGEN.at)
Grüzi

Das Thema ist sehr interessant und ist eigentlich genau meines. Und ich werde mich an der Diskussion auch noch beteiligen. Nach meinen Ferien...

liebe Grüsse
Gropli
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Was versteht man aus volkskundlicher Sicht unter einer heidnischen Kultstätte, einem Opferplatz, speziell einem Opferstein und welche Quellen gelten als sichere Beweismittel? Wie läßt sich die Christianisierung einer heidnischen Opferstätte beweisen und wie chronologisch zuordnen?
Vielleicht kann jemand an speziellen österreichischen Beispielen das Thema beleuchten?

Beispiele von Opfersteinen finden sich in Maria Taferl und am Sonntagberg in Niederösterreich.
 
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