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KAUFMANN - Wer erinnert sich?

SAGEN.at

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Kleine Geschäfte, der "Kaufmann", Gemischtwarenhandlung, die Dorfkrämerei, Dorfgreißler oder Kolonialwarenhandlung, sind heute fast ausgestorben. Im städtischen Bereich gibt es fast nur noch Supermärkte, Diskonter und sonstige Großhandelsketten - ein Problem, das uns sicher später noch Sorgen bereiten wird.

Doch die meisten von uns sollten sich noch an den kleinen Dorfladen erinnern.

Greissler.jpg

Krämerei im Wörndl-Austraghaus (Einrichtung der Dorfkrämerei Aurolzmünster bis 1964, Mobiliar 1927); Salzburger Freilichtmuseum Grossgmain;
© Wolfgang Morscher, 29. Juni 2001


Was auf dem Foto leider nicht dargestellt werden kann, sind die Gerüche dieser kleinen Geschäfte. In der einen Ecke roch es nach den offenen Lebensmitteln, in der anderen Ecke nach dem Dünger und Spritzmitteln, in der Mitte des Raumes nach dem Fliegenfängerstreifen, der von der Decke hing...

Was habt ihr für Erinnerungen an den kleinen Dorfladen?

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Schwupp, und schon ist man in den Kindheitserinnerungen verschwunden:

Unser Greißler war im ersten Stock einer Hitler'schen Reihenhausanlage in Steyr (Stadtteil Münichholz) untergebracht - in einer normalen Wohnung - mit allen für den Verkauf denkbaren Nachteilen: Lager im (Luftschutz!)Keller, unübersichtlich (Ladendiebstahl) und Probleme mit den Nachbarn wegen Kundenverkehrs (wenn der Mann im Erdgeschoß von der Nachschicht in der Kugellager-Fabrik heimkam, wollte er natürlich schlafen!!). Kinder waren im Geschäft ungern gesehen bzw. strengstens überwacht (eben wegen Diebstahlgefahr!), manchmal sogar, wenn mehrere erwachsene Kunden da waren, sogar wieder heimgeschickt (das war die nette Variante: "komm später wieder wenn die Leute weg sind") oder auch mit bösen Worten verjagt ("Ihr wißt genau, daß ihr nicht kommen sollt wenn die Großen einkaufen kommen - wann merkt sich das eure Mutter endlich!!!").

Andererseits war es möglich "2 offene Zigaretten, bitte" für die Eltern zu kaufen, wenn sie was zu feiern hatten, oder "ein Bier über d'Straß'n" zu holen - das Gefäß hatte man mit, ein (offenes) Bier wurde hineingeleert, bezahlt und vorsichtig die Stiege hinab, über eine Straße hinweg und wieder einen Stock hinauf zum Vater/zu den Eltern getragen - womöglich ohne Unfall! Seltsam war für mich damals, daß ich als 6-7-jähriger bereits diese "Bier"gänge (selten genug war das der Fall: wir waren immerhin 5 Kinder und das Geld mehr als knapp!) erledigen durfte, bis ich irgendwann draufkam, daß meine älteren Brüder fallweise einen kräftigen Zug taten, dies in der Waschküche wieder auffüllten, den Schaumaufrührten und so heimbrachten - und dies die Eltern irgendwann bemerkten!!! Tja, und ich als Jüngster hätt mir das ja nie getraut (DENKSTE!!! ... aber eben erst später!).

Der Geruch im Geschäft war geprägt von Bodenwachs und Zigarettenrauch - die Greißlerin war äußerst reinlich und pedantisch dahinter, daß kein Schmutz sich breit machen konnte.

Im Gedächtnis ist mir noch die geheimnisvolle Milchpumpe, die irgendwie genau wußte, wann ein halber Liter in der Milchkanne war .... und mittels eines Hebels - ich hab das genau beobachtet und meiner Schwester, die das nie begriff auch niemals niemals verraten !!! - konnte man den Pumpenweg halbieren und sogar ein Viertelliter bemessen! Tja, mit wenig Haushaltsgeld mußte man knappest die Lebensmittel kalkulieren!

Wurst war selten am Tisch, und beim Einkauf gabs bei meiner Mutter nie die Nachsicht auf "Darf's ein bisserl mehr sein?" Sie verweigerte das Wurstradl zuviel standhaft - und die Wurstradln kamen abgezählt aufs Brot: die großen Brüder (damals ca. 15 und 17) je sieben Räder, ich (damals ca. 7) nur 5 Räder - das war streng eingeteilt, fast ritualisiert ....

Der "Wischfetzen", mit dem die "Verkaufsbudel" abgewischt wurde, war ein herausgeschnittener und gesäumter Hemdrücken, der auf der Registirerkassa lag. (Ich weiß das deshalb so genau, weil auch ich als "Kleiner" dieses heraustrennen/herausschneiden machen mußte - und die karierten Hemden des "Chefs" mir bekannt waren!). Dieser Fetzen roch - naja - eher streng, vom Milchspritzer über Bierspritzer, Käsekrümel und Waffelbrösel fand sich darin wohl alles ..... und SO oft wurde der scheinbar nicht getauscht ....

Übrigens wurde sogar eine alte Form von Klopapier verkauft: geviertelte Wochenzeitungsseiten, und von den "begüterten" wurde das tatsächlich fallweise gekauft!! (wir Kinder machten das immer selber - unsere Mutter sagte immer, wir helfen so sparen!) - am WC (damals noch ein unüblicher Begriff: Klo war der richtige Ausdruck damals!) war ein Brett auf einem Schemel mit einem senkrechten Nagel drin, da war das Papier zur Entnahme aufgespießt ....

So, genug für heute ... die Erinnerungen sausen nur so in die Finger und von da in die Tastatur!

Norbert aus dem Steyrtal
 
Hallo Norbert, da hast Du ein schönes Thema ins Forum gestellt auf das ich
gleich reagieren möchte! Auch in meiner Kindheit gab es einen "Tante Emma
Laden". Die freundliche Kauffrau schenkte mir die "Knäppchen" von
den großen dicken Aufschnittwürsten. Das war immer ein Fest! Sie
führte ein Anschreibbuch, denn viele Leute mußten auf Vorschuß leben.
Kinder wurden oft ohne Geld zum Einkaufen geschickt! Geheimnisvoll
war es früher mit Damenbinden. Die Mutter schrieb auf einen Zettel das
Gewünschte, hinter der Theke wurde ein Paket in eine alte
Zeitung eingewickelt und diskret in die große Einkaufstasche gesteckt. Im
Laden gab es "Bündchen" Brennholz zum Ofenanmachen. Die Leute waren
hinter alten Holzkisten (Stiegen) her. "Klümpchen" (Bonbons) gab es schon
für 1 Pf., aber den mußte man erst mal haben. Pergament (Ölpapier,
Butterbrotpapier) wurde mehrfach verwendet, die Pausenbrote kamen zudem
noch in einen Bogen Zeitungspapier. Den Männern wurde oft in der
Mittagspause ans Werkstor ein "Henkelmann" (Warmhaltegefäß) mit Essen
gebracht. - Ich kenne noch Klopapier aus Zeitungen und Plumsklos
(Herzhäuschen). - Vieles wurde ja noch lose eingeholt: Milch vor allem.
Da wir (zum Glück) einen großen Garten hatten gab es viel Selbst-
versorgung. Es kamen noch sog. "Hausierer" an die Türen (z.B. mit
Kurzwaren), oft waren es kriegsversehrte Männer. Bei uns bekamen sie
etwas zu Essen u. die Frauen der Familie kauften Wäscheknöpfe u.a. ab.
- Nun schließe ich mit vielen Grüßen und hoffe auf noch mehr
Berichte dieser Art! Ulrike
 
Zuletzt bearbeitet:
Als kleines Mädchen bin ich mit meiner Mama noch in die Greißlerei gegangen, erst Mitte der Siebziger-Jahre kam das sog. "Donauzentrum" im 22.Bezirk in Wien (ein groooooßes Einkaufszentrum für damalige Verhältnisse, das mittlerweile ungefähr viermal so groß ist wie damals).

Ich kann mich noch dunkel daran erinnern, dass wir in der Greißlerei die Milch in losen Plastiktüten gekauft haben, die man dann zuhause in eine Kanne oder einen Krug geschüttet hat, welche dann im Kühlschrank aufbewahrt wurde. Mehl, Zucker u.ä. wurde alles "lose" gekauft.

Als dann o.g. Einkaufszentrum eröffnete, war's dann mit den Greißlereien in der Umgebung bald aus - und gänzlich neu und wahrlich unerhört war, dass man im Einkaufszentrum SELBST die Waren aus dem Regal nahm und ins Einkaufswagerl (auch eine Neuheit!) legte.

Wegen der Bier-Hol-Nostalgie aus dem Wirtshaus (übrigens in Wien, nicht am Land): Das mach ich übrigens noch heute : Ins Wirthaus gegenüber gehen und ein mitgebrachtes Glas mit Bier oder Wein befüllen lassen, zahlen, heimgehen und austrinken. Funkt tadellos ;-)
 
Hallo Dolasilla, an deinem Bericht merke ich: Du mußt jünger sein als ich.
Milch in Plastikschläuchen löste auch bei uns die wirklich lose Milch ab, sie
wurde in Kannen abgeholt. Wenn man ein Dummchen war legte man zum
Einholen das Geld unten in die Kanne, der Händler goß mit einem Litermaß die
gewünschte Menge
hinein. Wollte man zahlen: Auweia, das Geld war noch unten in der Kanne!
Scherz beiseite: Du erzählst sehr anschaulich von der Sensation der ersten
Selbstbedienung mit Einkaufswagen. Beneidenswert wer heuer noch Bier und
Wein holen kann wie Du es schilderst! Bin gespannt auf weitere Erzählungen
dieser Art hier im Forum. Viele Grüße (wenn ich es recht verstanden habe nach
Wien?)! Ulrike B.
 
Hallo Wolfgang, danke für die Hinweise und alten Fotos. Konsum war auch
bei uns verbreitet , später co op (bis zur bitteren Pleite, viele Kleinanleger
um ihre Anteile betrogen). Mir fällt zum Thema noch ein: Früher gab es auch
Drogerien, die fast alles hatten (vom Streusalz über Babyschnuller bis zur
Kosmetik). Auch diese wurden durch die bekannten großen Filialgeschäfte
(dm, ihr platz, schlecker u.a.) vom Markt gedrängt, genau wie die kleinen
Buchhandlungen (in einer habe ich gearbeitet). Hinterher jammern die
Verbraucher oft den alten Zeiten nach, denn das persönliche u. die fachliche
Beratung bleiben oft auf der Strecke! Schön wären hier noch weitere Fotos
von anderen Forumsbenutzern (kann ich leider nicht mit dienen). Mir fällt aber
das Buch (aus der Heimat meiner Mutter)ein von E. Strittmatter: Der Laden.
Verfilmung war ja auch im Fernsehen! Viele Grüße von Ulrike!
 
Der Kaufmann von der EDEKA

Erinnert Ihr Euch noch an die 70er Jahre, als Rudi Carrell in einem Werbespot der 'Kaufmann von der EDEKA' war? Überall gab es damals diese kleinen EDEKA-Märkte, egal, ob nun in der Stadt oder auf dem Lande; teilweise haben sie bis vor ein paar Jahren noch überlebt, bis die Inhaber starben oder in Rente gingen.
 
EDEKA dürfte den österreichischen ADEG-Läden entsprechen?
Die ADEG-Läden sind wohl die Retter der Nahversorgung und waren schon öfter sozusagen mein "Lebensretter" beim Wandern. Ich glaube, ganze Bergsteiger-Generationen können vom ADEG eine Retter-Hymne singen...

Die Kette hatte zwar stark unter der Konkurrenz der Diskonter und Großhandelsriesen zu leiden, scheint sich aber nun wieder recht positiv im Sinne der notwendigen Nahversorgung zu etablieren: sie ist bei uns für erfolgreiches Jungunternehmertum wieder in die Schlagzeilen gekommen.

Abseits vom Wirtschaftlichen:

Ein ADEG-Rezept, das Kultstatus in Österreich hat:

Beim ADEG am Sonntag in der Früh vor der Bergwanderung

- eine Packung "Manner-Schnitten"
- ein Paar "Landjäger"
- eine "Zeile" (D: eine Art Brötchen, Semmel)
- eine Packung Traubenzucker
- eine Dose "Cola"
- ein "Dreh und Drink" (auch "Sunkist", "Schartner Bombe" oder "Kracherl")

DAS IST KULT!

Wolfgang (SAGEN.at)
 
EDEKA hat bei uns die co op (Konsum) Filialen übernommen .
Wenn wir bei dem Thema "kleine Läden" sind, es gab auch kleine Schuhgeschäfte, meist war der Mann Schuhmacher u. die Frau verkaufte
(meist an Stammkunden) Schuhe u. Zubehör. Ich vermisse diese Fachberatung!
Da ich immer Probleme hatte (schon als Kind) bestellten sie sogar passende
Schuhe oder Stiefel, auch zur Auswahl. Gibt es das noch? Ein Arbeitskollege
ließ sich damals mal in Österreich Bergschuhe nach Maß anfertigen , heuer kann
man die sicherlich nicht mehr bezahlen (oder gibt es da vielleicht Geheimtipps).
- Bei uns vor Ort gibt es eine große Blumenhandlung mit zig Filialen, so
gingen auch viele kleine Geschäfte ein. Manche Gärtnereien haben sich
spezialisiert u. verkaufen vor Ort, die billige Einfuhr aus der 3. Welt hat den
Vorteil, dass Menschen dort Arbeit haben aber zum Nachteil ihrer Gesundheit
(Gift). Hier kann Qualität nicht zu den Dumpingpreisen angeboten werden.-
Unser Bäcker nimmt jetzt für ein Brötchen 27 C. Es gibt aber Billigangebote
1 Euro für 10 Brötchen! Ich glaube, dies Thema könnte endlos werden.
Ulrike
 
Hallo Ulrike,

Ein Arbeitskollege ließ sich damals mal in Österreich Bergschuhe nach Maß anfertigen , heuer kann man die sicherlich nicht mehr bezahlen (oder gibt es da vielleicht Geheimtipps).
eine solche österreichische Schusterwerkstätte habe ich letzten Herbst in Steinach am Brenner, Tirol, besucht:

Schuster.jpg

© Wolfgang Morscher, Schuhmacher Nocker, Steinach am Brenner, 8. September 2005

Die Schusterwerkstätte besteht eigentlich nur aus einem Raum mit einem kleinem Nebenraum, wo noch eine kleine Näherei untergebracht ist.
In guten Zeiten haben hier bis zu 8 Schuhmacher händisch Bergschuhe erzeugt, heute macht der Schuster seltener für Bergsteiger Schuhe.

Wie auch schon beim anderen Bild gesagt, in der Werkstätte riecht es gut nach Leder, Lack und Farben.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Fleischhauerei:

Wer kennt noch die - praktisch aufgezwungene - "Zuwaage" in Form von Knochen? Der Fleischhauer kaufte die Tiere ja im Ganzen - und mußte die Knochen auch wieder an den Mann bringen. Daher gabs bei Fleisch früher immer "Zuwaage" in Form von Knochen.

Greißler in Wien:

Besuch bei meinen Großeltern in Wien (ca. 1955): beim Greißler ums Eck hörte ich eine Bestellung von "Eis" - konnte mir aber keinen Reim drauf machen, weil vonder alten Frau nur was aufgeschrieben wurde, und getraute mich auch nicht zu fragen. Tage später kam ein Mann mit einer großen Zange, mit der große Eisbrocken in den Keller transportiet wurden. Dort war ein großer Holzkasten mit einer Lade, die mit Blech ausgeschlagen war. Das Eis wurde zerkleinert und in der Lade verteilt.... Ich stand vor meinem ersten "Kühlschrank" .... Leider ist in meiner Erinnerung nichts mehr von dem Fuhrwerk (Pferdefuhrwerk? Lastwagen?) aufzutreiben. ...

Anschreiben:
Bei unserem Greißler in der Straße gab's zwei blaue Hefte (DIN A5 , kariert*), mit selbstgemachtem roten Rand auf jeder Seite), in das wurden die schuldig gebliebenen Beträge eingetragen: ein Heft für die "Stammkunden" (also diejenigen, die IMMER was schuldig blieben), da hatte jeder seine eigene Seite, und ein Heft für die "Anderen", die nur manchmal was nicht bezahlten. Am roten Rand wurde das Schuld-Datum und später das Zahldatum eingetragen, wobei die Schuld außerdem durchgestrichen wurde.
Ich erlebte mal, daß eine Mutter beim Begleichen der Schulden erfuhr, daß ihre Tochter Naschereien "anschreiben" ließ ... Ergebnis war ein Riesenstreit zwischen den Frauen, weil die Greißlerin die Tochter als "Kreditwürdig" akzeptiert hatte, und die sofortige "Sanktion" indem die Tochter (die zufällig bei der Tür reinkam) sofort "ein paar abhaselte" (D: Ohrfeige bekam; kommt meines Wissens von "mit Haselgerte bestrafen").

Milch holen:
Ein Nachbarbub holte vom Greißler in einer Kanne Milch, stürmte damit nach Hause und "streifte" eine Mauer ... Fazit: Kanne hatte Beule, Kanne war außerdem leer!!! Er ging voller Angst vor der Mutter nochmals zum Greißler, beichtete dort - und bekam tatsächlich nochmal die Milch .... (stellt Euch das mal HEUTE in einem Großmarkt vor????) Geschimpft wurde allerdings von der Mutter trotzdem (wegen der Beule in der Kanne) ...

Kartoffeln kaufen:
Beim Greißler wurden Kartoffeln bestellt (speckige ... heute heißt's ja "vorwiegend festkochend" .... dz dz dz dz... ). Diese wurden in ein dickes DIN A4 Heft *), orange, eingetragen. Samstags kam ein Traktor mit Anhänger, die Säcke wurden vom Bauern auf der Schulter in den Keller getragen und in die Kartoffelhurde geschüttet.

*) an die Hefte kann ich mich deshalb so gut erinnern, weil ich sie teilweise bald danach, als ich in die Schule kam, als Schulhefte wiedererkannte. Darum auch hab ich mich als Volksschüler so "erwachsen" gefühlt, weil ich ja die selben Hefte verwendete ...

Liebe Grüße aus dem verregneten Steyrtal
Norbert
 
Das Problem der Verdrängung von kleinen Läden von Supermärkten und Einkaufszentren in deutschsprachigen Ländern (Deutschland vor allem) ist mir schon seit Jahren bekant. Während des Studiums haben wir ein paar ziemlich große Zeitungsartikel über Tante-Emma-Laden gelesen, damals haben wir auch diesen Begriff kennen gelernt.

Ich bin vielleicht etwas jung für dieses Thema, kann mich weder an die 60-er noch an die 70-er Jahre erinnern, zudem bin ich in einer Stadt mit gewöhnlichen Geschäften aufgewachsen. Ein paar Bemerkungen könnte ich doch schon machen.

Der erste Supermarkt erschien in Archangelsk vor 10 Jahren, und zur Zeit sind schon viele Supermärkte und Einkaufszentren entstanden, und viele kleinere Geschäfte können nicht mehr konkurrenzfähig sein. Ich kann zustimmen, es ist wirklich bequem und angenehm, wenn man in einem großen hellen Raum selbst nach nötigen Waren schaut, dabei ist der Angebot beinahe lückenlos und angenehme Musik spielt, und niemand beeilt dich und… Ich persönlich habe doch an solchen großen Geschäften was auszusetzen: Gemüse kaufe ich immer am Markt ein, da sind Obst und Gemüse immer frisch. Außerdem, wenn ich viele schöne Sachen sehe (Süßigkeiten…), kann ich nur mit großer Mühe, auch nicht immer der Versuchung widerstehen und gebe zu viel Geld aus… Die Supermärkte und Einkaufszentren zeigen uns auch oft ein anderes Leben, das für viele unerreichbar ist. Was nützt einem Auswahl von exotischen Früchten und Meerprodukten, wenn er sich das nicht leisten kann?

In meiner Schulzeit wurden immer noch viele Produkte lose gekauft – auch Milch, Eis, Quark, Nudeln… Ich erinnere mich auch bisher sehr gut an eine Geschichte aus Jahr 1987, die ich beim Milchkaufen erlebte (als Fortsetzung der Geschichte, die Cerambyx oben erzählt hat). Ich sollte einmal im Winter Milch im Geschäft kaufen, bin aber zum Geschäft nicht gegangen, habe sondern Schlittschuhen angezogen ich Depp i und bin gelaufen! Werde nicht in Einzelheiten erzählen, ließ Milch in die Milchkanne eingießen und habe schon an der Kasse entdeckt, dass ich Geld zu Hause vergessen habe. Habe es dann zu Hause geholt und beim Zahlen an der Kasse sind mir die Beine auseinander gelaufen und ich bin auf den Boden gefallen, und Milch wurde vergossen. So ein Pech! :smi_mit k Die heutigen Tüten kann man ruhig auf den Boden fallen lassen (nicht absichtlich natürlich!), da passiert nichts Schlimmes.

Die gute Erinnerung an diese Zeit sind im Sommer für uns die spezifischen Autos, die an heißen Sommertagen Kwaß auf den Straßen verkaufen. Man kann gleich ein Gläschen trinken oder eine Plastikflasche mitnehmen und Kwaß kaufen und nach Hause mitnehmen. Daraus wird auch tolle Kaltsuppe gemacht :smi_blume

Zurück zum Thema: Wenn wir das Dorf nehmen, wo es keine Rede von Einkaufszentren sein kann, existieren da bis heute die kleinen Dorfläden, die im Laufe der Zeit keinen großen Veränderungen unterworfen wurden. An den Dorfladen im Heimatdorf meiner Mutter erinnere ich mich sehr gut, denn in der Schule habe ich fast jeden Sommer bei meiner Oma im Dorf Lebskoje verbracht (Archangelsker gebiet). In jedem Dorfladen werden neben Lebensmitteln auch andere Sachen verkauft: Geschirr, Faden und Nägel, Kleidung, verschiedene Kleinigkeiten. In Lebskoje gab es damals nur einen Laden und es war für mich immer interessant, die Waren dort zu betrachten, während die Oma einkaufte. In der Stadt habe ich natürlich auch viel mehr in Geschäften gesehen, dieses Dorfgeschäft hatte für mich aber immer einen besonderen Reiz. Brot wurde nicht ins Dorf gebracht, sondern von einer Frau selbst in der Dorfbäckerei gebacken.

Interessant war auch, dass es im Sommer im Geschäft ein Heftchen lag, wo die Einwohner aufschreiben mussten, wie viel Brot sie am nächsten Tag brauchten und kaufen möchten. Das war, glaube ich, deshalb so, weil viele Verwandte bei Dorfeinwohnern im Sommer zu Besuch waren und man musste genaue Anzahl von Brot wissen, damit Brot allen reichen würde. Mittags versammelten sich die Dorfeinwohner an diesem Geschäft und warteten auf die Bäckerin, die selbst in einem großen Sack Brot zum Geschäft brachte. War schöne Zeit...
Die Bäckerei funktioniert schon lange nicht mehr, das Geschäft steht auch geschlossen. Die Fotos unten zeigen den heutigen Laden in Lebskoje, der sich in einem Dorfwohnhaus befindet. Da wird nur das Nötige verkauft. Links auf Regalen stehen Lebensmittel, an der Wand gegenüber sind Waschmittel, Zahnpasta, Shampoo, auch im Laden, aber nicht auf den Fotos: Socken, Hauskleider und noch welche Kleidung. Soviel zum Thema.
 

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Hallo Oksana, habe deinen lebendigen Bericht gelesen! Noch zwei Fragen:
Sind die Blumen in dem Zinkeimer (?) nur Dekoration oder werden sie auch
im Laden dort verkauft? Tragen bei euch die Verkäuferinnen noch Kittel ?
Bei uns durfte man noch während meiner Lehrzeit als Frau keine Hosen im
Verkauf tragen (hört sich sicher lustig an), wir mußten Röcke anziehen. Wenn
es wintertags kalt war und ich in langen Hosen erschien mußte ich mich
umziehen. Abends genauso u. dann schnellstens zum Zug gerannt, dieser fuhr
nur stündlich. Arbeitszeit war noch wöchentl. 42 Stunden. Das Lehrgeld war
niedrig, es reichte für die Fahrkarte. Dir viele Grüße und alle guten Wünsche!
Ulrike
 
Hallo Ulrike!

Zu deinen Fragen: der Zinkeimer so wie die Blumen aus Kunststoff stehen da zum Verkauf. Solche Blumen bring man bei uns zum Friedhof und befestigt man am Kreuz oder steckt in den Boden am Grab ein. Diese junge Frau auf dem Foto ist zur Zeit die einzige junge Frau meinen Alters im Dorf und zugleich meine Freundin. Der Laden gehoert ihrer Stiefmutter und sie arbeitet hier nur als Verkaeuferin, verdient auch wenig (ist schon etwas, denn in moisten Doerfern gibt es seit Jahren ueberhaupt keine Arbeit mehr). Normalerweise traegt sie ihre uebliche Kleidung, denn im Dorf interessiert es ja niemanden, was die Verkaeuferin anhat. Sie hatte aber noch keine Fotos vom Geschaeft und wir haben extra Fotos gemacht, zu diesem Anlass wollte sie ihren Kittel anziehen.

In der Stadt muessen die Verkaeuferinnen in den Geschaeften meistens den Kittel tragen, dabei glaube ich gibt es keine strengen Vorschriften ob Rock oder Hosen unter dem Kittel. Waehrend meines Praktikums in der Schule und im Gymnasium durfte ich auch keine Hosen als Lehrerin anziehen:)

Dir ebenso alles Liebe,
 
Wien 5 (Margareten) - die 70er- bis frühen 80er-Jahre.

Greißler (oft auch Feinkostladen genannt - die hatten nur ein bißchen mehr, waren aber dafür kräftig teurer) waren bei uns ja auch bereits große Läden. Denn Milch und Käse hat man bei der Milchfrau geholt.
Das Brot beim Bäcker.
Obst und Gemüse beim gleichnamigen Händler (besonders beliebt Salzgurken und/oder Sauerkraut aus dem Fass -obwohl das ist ja wieder im Kommen, sogar bei Supermärkten)
Fleisch und Wurst beim Fleischhauer (natürlich mit Zuwage und bitte einmal Morchknochen - Markknochen für unsere deutschen Freunde)
Die seltenen Süßigkeiten beim Zuckerlgeschäft. (1 Stollwerk für 5 Groschen)
Kuchen und Torten, die besonders schön aussehen mussten, in der kleinen Konditorei bzw. beim Tortenbäcker (pah, was war ich fasziniert, wenn der Mann mit einer Spritztüte Buchstaben gemalt hat)
Supermärkte - waren im Kommen. Die Favoriten: Konsum, Jura - ganz zaghaft schon Billa (und da war es nur mehr einer); Löwa für die Mittelklasse (gibt es auch schon lange nicht mehr in dieser Form); Gebrüder Kunz und Julius Meinl für die Reichen (auch sie ruhen in Frieden).
Wer ist Spar? - Heute neben Billa der Platzhirsch, früher schlichtweg nicht vorhanden. Adeg und/oder A&O haben sich im Wiener Raum schon fast schamhaft von Greißlern verkaufen lassen.
Einkaufszentren - Noch lang vorm Donauzentrum das Generali-Center auf der Mariahilfer Straße - heute bestenfalls ein origineller Zeitzeuge.
Und Kaufhäuser: Stafa, Steffl, Gerngroß, Herzmansky, Tyrolia später Interspar - heute alle nur mehr dem Namen nach vorhanden - dort kaufte der Mittelständler nicht ein, dort ging man hin zum Schauen.
Gewand hat man übrigens meist bei Kleiderfabriken direkt gekauft, da waren sie billiger, oder man ging zum Second-Hand oder zum "xxxxx" (niemand wußte, ob diese Betreiber tatsächlich xxxxx waren, aber genannt hat man sie so)
Und Schnittblumen in Zinnkübeln, echte sogar - waren durchaus üblich bei den Blumenläden im 5. Bezirk.

So, jetzt höre ich auf und gehe weinen!
LG
Erich

Admin: ein Wort wird hier zensiert um keine weitere Verbreitung dieser, in diesem Zusammenhang diskriminierenden Bezeichnung zu fördern.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Bei der Aufzählung der ganzen Geschäftsnamen
kam mir dieser alte Werbespruch in den Sinn:
Otto Mess - mit zwei s -mit zwei o -macht uns froh!
- Markknochen wurden auch beim Metzger (meine Mutter sagt Fleischer)
gekauft. Oft auch eine Beinscheibe "für eine frische Suppe", sie wurde
ausgekocht mit Salz, Pfeffer ,Zwiebeln, Suppengrün . durchgesiebt, das Fleisch
in kleine Stückchen geschnitten. Die Brühe mit dem Fleisch, kleingeschnittenen Kartoffeln und
Gemüse (Möhren - bei uns sagt man Wurzeln - o.a.) gekocht.
Viele Grüße aus Westfalen! Ulrike
 
Hallo Ulrike,

Metzger (meine Mutter sagt Fleischer)

das ist übrigens einer der Gründe, warum ich mich als Europäischer Ethnologe (Volkskunde) sehr gegen gewisse Online-Enzyklopädien wehre...

Regionale Berufsbezeichnungen sind nach meiner Einschätzung durch Einheits-Definitionen in schriftlichen Online-Lexika unter anderem noch mehr gefährdet als sie es durch andere Massenmedien zuvor waren.

In Oberösterreich wo ich aufgewachsen bin, sagte man ausschliesslich "Fleischhauer", hier in Tirol höre ich oft man geht zum "Fleischer", in manchen Gebieten auch "Metzger". Dazu gäbe es noch eine ganze Menge regionale Varianten zu Handwerks-Bezeichnungen, über die es sich lohnen würde, sie hier zu dokumentieren.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Hallo Wolfgang,

SAGEN.at schrieb:
In Oberösterreich wo ich aufgewachsen bin, sagte man ausschliesslich "Fleischhauer", ...... Dazu gäbe es noch eine ganze Menge regionale Varianten zu Handwerks-Bezeichnungen, über die es sich lohnen würde, sie hier zu dokumentieren.
Wolfgang (SAGEN.at)

Bei uns in Steyr war's der "Fleischhacker", bei dem wir Wurstsemmeln kauften;
mein Vater ging noch nicht ins "Cafe" sondern zum "Zuckerbäcker" auf einen "kleinen Schwarzen";
Filme für den "Photoapparat" kaufte man beim "Photograph"
Brot holten wir beim "Bäck' ";
Alteisen konnten meine Brüder noch beim "Eisentandler" (D:Eisenhändler)verkaufen;

und die meisten Geschäfte wurden außerdem nicht nach Berufsgruppe oder Betriebsart, sondern nach den Besitzern bezeichnet: "der Tillian" war das Geschäft für Haushaltswaren, Geschirr und Porzellan, "der Gschliffner" und "der Zellinger" die eigentlichen Namen für die zwei "Fleischhacker", "der Arlt" und "der Them" die beiden "Photographen", "der Biedermann" das Beisl um's Eck usw.

Naja, weils grad so dazu paßt:

der "Scherenschleifer" und "Kesselflicker" ging noch mit 2er-Hundegespann von Haus zu Haus; er schliff Scheren und Messer mit einem fußpedalbetriebenen Schleifstein (Mechanik wie bei einem Spinnrad) und lötete mit Messing und einer primitiven Lötlampe die Löcher der durchgebrannten Eisentöpfe ...

und der "Hadernsammler" (D:Lumpensammler) war ebenfalls, aber nur mit einem Hund - und einer Schulterschlaufe für sich selber - mit einem langen Leiterwagen unterwegs ...

der Letzte im Reigen war der "Draungfierer" ("Trankführer" - der den "Sautrank" [D:Speiseabfälle als Schweinefutter] heimführt). Er hatte ebenfalls ein Hundegespann aus 2 riesigen Bauernhunden, die einen Leiterwagen zogen, auf dem liegend eine Tonne befestigt war, die oben aufgeschnitten war. Bei den Gaststätten am Hintereingang wurde dieser streng riechende Herr mit den Küchenabfällen versorgt.

Euer in Erinnerungen versinkender
Norbert
 
fast vergessen:

der "Holzschneider" konnte per mündlicher Post mit seiner Kreissäge angefordert werden. Dieselbe hatte 2 Luftgepolsterte Hinter- und 2 Hartgummibereifte Vorderräder und konnte so im ganzen Stadtteil gezogen werden. Ich schätze daß so eine Maximaldistanz von ca. 2 km zurückgelegt wurde - was eine gewisse Athletische Leistung darstellt, wenn man sich das Gewicht einer damaligen Kreissäge vorstellt! Dabei war es ein eher zart gebautes Männchen mit einer unvorstellbaren Ausdauer - die Säge sauste oft von 7 Uhr früh bis in die Abenddämmerung ... und das am Wochenende, da er unter der Woche Schichtarbeit durchführte in den Steyrer Kugellager-Werken!!! Bei der Arbeit hatte er immer einen flotten Hut auf!

Norbert
 
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