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Kaffeeanbau und Kaffee-Ersatz ist in den Alpen nichts ungewöhnliches.

Etwa wurde der "Altreier Kaffee" im 19. Jahrhundert aus einer Lupinen-Art gewonnen und mit Getreide gemischt als Kaffee-Ersatz getrunken.

Durch die Verbreitung des Bohnenkaffees gerieten diese regionalen Kaffee-Sorten in Vergessenheit und werden erst in letzter Zeit wieder belebt.

Alpen und Kaffee sind kein Gegensatz. Das Rösten von Samen und Früchten einheimischer Pflanzen hat in den alpinen Regionen Tradition. Die mengenmäßig bedeutendsten Kaffee-Ersatzprodukte waren Roggen, Gerste, Feigen und Zichorie.

Im Südtiroler Dorf Altrei (1.200m, Südtiroler Unterland an der Grenze zum Trentino) wurde der "Altreier Kaffee" lange als Mischung mit Gerste, Weizen oder Feigen getrunken. Dieser ist, wie alle "unechten" Kaffees, arm an Reizstoffen und frei von Koffein.

Schriftliche Belege für den Altreier Kaffee stammen aus dem Jahr 1887 von Johann Baptist Zwerger. Aus Erzählungen geht auch hervor, dass der Altreier Kaffee auch als Medizin für das Vieh eingesetzt wurde.

Seit ein paar Jahren bauen ca 32 Bauern wieder den Altreier Kaffee bzw die einjährige Süßlupine an, die Ernte der aufplatzenden Samen erfolgt zwei- bis viermal zwischen Ende August und Oktober. Die Samen werden getrocknet, am Herd oder im Backrohr geröstet, gemahlen und dann erst mit anderen Zutaten gemischt.
(Quelle: frei nach G. Oberkofler, Der einstige Kaffee der Armen Leute, in: Tiroler Tageszeitung, 18./19. März 2006)

Wer kennt weitere Kaffee-Ersatz-Produkte im Alpenraum?

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Im Studienverlag ist ein Heftl dazu erschienen:
Die blaue Blume von Altrei

Und sonst erinnere mich, dass meine Mutter öfter vom "Zichorie"-Kaffee erzählt hat. Ich muss erst bei jemandem nachfragen, aber ich glaube, es wurden dafür getrocknete Löwenzahnwurzeln verwendet. :kopfkratz
 
Vielleicht auch aus der Wegwarte-Wurzel? Die heißt Zichorie, ist auch eine Heilpflanze. Löwenzahn ist ziemlich bitter, aber getrocknet vielleicht nicht mehr.
 
löwenzahnwurzeln geben einen guten "kaffee" ab. er wirkt auch anregend aber anders als der bohnenkaffee.

ich kenne es sogar so, dass man zum bohnenkaffee ersatzkaffee mischt um ihn entweder zu strecken, verfeinern, bekömmlicher zu machen, malzgeschmack zu fördern oder bohnenkaffee zu sparen. der geschmack ist sehr sehr lecker.
 
Ich kann mich erinnern, dass bei uns reiner Bohnenkaffee nur am Wochenende getrunken wurde, und das in winzigen Tassen ... er war für den täglichen Genuß viel zu teuer und galt außerdem als ungesund ... "Der geht dann z'viel auf's Herz" sagte meine Mutter immer ...
Wenn Gäste kamen, wurde er mit Feigenkaffee-Würfeln der Firma "Titze Gold" gestreckt ....
Wir Kinder bekamen "Schwarzen Kaffee", damit war Malzkaffee gemeint, der das Kaffeewasser tiefschwrz färbte und natürlich sehr bekömmlich war. Manchmal, wenn jemand von uns "echten" - gemeint war der Bohnenkaffee - wollte, wurde ... Feigenkaffee untermischt und wir waren's zufrieden ...
Als Malzkaffee war "Kathreiner Malzkaffee" gemeint ... an die blaugetupfte Verpackung der Variante "Linde-Kaffee" kann ich mich heute noch erinnern. Dieser war wiederum ein Gemisch aus Gerste, Roggen und Zichorien (als "Kriegsmarke" während der Mangeljahre) ...

Ein stark bitterer Kaffee wurde aus den gerösteten Eicheln (!) manchmal sogar selbst hergestellt - den habe ich aber nicht mehr selber erlebt, aber mein Vater hat noch von diesem Kaffee erzählt (er wuchs in Wien/Hernals auf) und er hat ihn auch selber noch getrunken!

So viel zur Kaffeetradition in (m)einer 7-köpfigen Familie etwa 1958 bis 1965 ...

LG Norbert
 
Bohnenkaffee lernte ich erst nach der Schulzeit kennen, zu Hause gab es keinen, Großmutter kochte LINDE-Kaffee und noch was dazu, weiß nicht, vielleicht Kathreiner. Das wurde länger aufgekocht, sie schöpfte während der Zeit auch immer herum im Häferl. Das Spannendste war für mich, wenn sie eine Packung aufmachte und in die Dose leerte: ganz unten waren die Figuren drin. Damit konnte man ganze Puppenküchen zusammenstellen und sogar Eisenbahnen.
 

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Aus den Aufzeichnungen meiner Mutter (geb. 1921, aufgewachsen auf einem Bauernhof im Pinzgau):

… am Sonntag gab es Fleischknödel und nachmittags Kaffee.
Für den Kaffee hatten wir uns extra zu bedanken. Er bestand aus einem Aufguss von gebräunten, gemahlenen Roggenkörnern und etwas Feigenkaffee, schmeckte aber hervorragend!


Malz- u. Feigenkaffee, Linde und Titze...Kindheitserinnerungen!
Ich mochte Kaffe nicht (hat sich aber mit ca. 20 geändert!!!), nur die Lindefiguren!
Dann erinnere ich mich an den Ausdruck "Titzetant" - weiß jetzt aber nicht, ob das die Bezeichnung für jemandem aus der Verwandtschaft oder dem Ort war, oder ....?

Später gab es doch noch den bohnenlosen, löslichen Caro-Kaffee?

Übrigens: Meine Tochter erntet ihren eigenen Kaffee, hier im Pinzgau, von echten Kaffeesträuchern (im Winter im Haus). In Zell am See ist eine kleine Rösterei, wo die Bohnen "vollendet" werden.
 
Noch etwas: Im Alte-Wörter-Thread war vom "Kaffee essen" die Rede.

Die (kostbaren) Kaffeetassen waren früher der sog. Oberschicht vorbehalten, Bauern löffelten ihren Kaffee aus einer kleinen Schüssel oder einem (Blech-) Häferl. Außerdem wurde das harte Brot (es wurde ja nur einmal im Monat gebacken) eingebrockt und dann mit dem Löffel herausgefischt; die fehlenden Zähne bei älteren Menschen dürften auch eine Rolle gespielt haben....

Und nicht zuletzt ist es in südlicheren, ländlichen Regionen heute noch üblich, den Kaffee aus einem Schüsserl zu "essen":
Vor 3 Jahren bekamen wir auf einer Schutzhütte im südl. Trentino den Cappuccino in einem Schüsserl, so auch im Herbst 2010 das Frühstück in einem kleinen Hotel in der Nähe von Tricesimo (Friaul):
tricesimo - colazione.JPG
 
Früher soll in Südtirol der Bohnenkaffee übrigens mit einer Prise Salz zubereitet worden sein und ein alter Knecht hat nicht nur sein Brot in den Morgenkaffee in der Blechschale eingetaucht, sondern auch ein Batzen Butter mit hineingetan.

Viele alte Leute in Südtirol haben früher einmal in der Woche Kaffee gekocht, viele haben Kaffeeprodukte nach Geschmack gemischt und dann in einem großen Topf mit Wasser gekocht. Täglich wurde nun dieser braune Sud wieder erwärmt und davon getrunken.

Im Vinschgau war lange Zeit ein Zichorieprodukt aus der Schweiz beliebt und ist vielen auch als "Vinschger Kaffee" bekannt, den ich übringes auch sehr gerne trinke. Gemeint ist darunter der "Incarom"-Kaffee, der seit ein paar Jahren leider auch zu der Nestlekette gehört.

Berit
 
der kaffee im sehr großen häferl wird auch in der stadt jetzt wieder modern. gerade gestern hat eine freundin einen hauskaffee bestellt oder einen "häferlkaffee" und der wurde genau so serviert.

dazufügen möchte ich noch, das die ursprüngliche variante kaffee zu machen (den häferlkaffee) hierzulande genauso üblich war wie zb. in kroatien, griechenland, türkei. man hat ihn aufgekocht. (häferlkaffee kann auch nur der kaffee sein, der aus anderen pflanzen hergestellt wird).
dabei wird der kaffee aber in nem normalen topf gekocht (mit verschiedenen zutaten, also titeze, getreide, gewürze zucker...)und der sud normalerweise nicht mit hinaus serviert. erst später kommen sieb, netze, und die ersten kaffeemaschienen.

lg
 
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